Geesthacht. Der Fischstand von Jörg und Gudrun Baier in Geesthacht ist Geschichte. Beim Abschied wurde es emotional. Worauf Stammkunden nun hoffen.

Der Geesthachter Wochenmarkt ist am Sonnabend immer gut besucht, aber so voll wie am 27. Januar ist es nur zu ganz besonderen Anlässen. So wie diesmal. Der Platz um den Fischstand Gebert von Jörg und Gudrun Baier ist brechend voll. Zur letzten Öffnungszeit kommen die Kunden scharenweise, um Tschüs zu sagen. Die Baiers haben Fischplatten, Sekt und Prosecco aufgefahren. In einer Fritteuse brutzeln Calamari.

Vor 102 Jahren spezialisierte sich die Geesthachter Familie Gebert auf den Fischverkauf. Bernhard Gebert lieferte als Großhändler seinen frischen Fisch per Lkw bis nach Mecklenburg-Vorpommern an Gaststätten und Einzelhändler. Nun ist Schluss, Gudrun Baier, die eine geborene Gebert ist, und ihr Mann Jörg geben den seit 1999 mittlerweile nur noch mobil betriebenen Fischhandel aus altersbedingten und gesundheitlichen Gründen auf.

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Ein erster Verkaufswagen war bereits in den 1980er-Jahren zum Firmensitz in der Geesthachter Straße 61 - heute ist hier der chinesische Imbiss „Mr. Pad - hinzugekommen. Ein zweiter folgte, mit denen Wochenmärkte in Marschacht und Bergedorf angefahren wurden.

Ob es einen Nachfolger für den Betrieb mit seinen beiden Verkaufswagen gibt, steht noch nicht ganz fest. Einen Interessenten gibt es aber auf jeden Fall. Die zahlreichen Stammkunden hoffen nun, dass der Interessent einsteigt und dann auch die begehrten Salatrezepte übernimmt.

Es gibt Umarmungen, Präsente - und dann kullern viele Tränen

Martina Lippert hat fast 23 Jahre am Fischstand Gebert gearbeitet, nun ist sie bei der Depesche Vertrieb GmbH tätig.
Martina Lippert hat fast 23 Jahre am Fischstand Gebert gearbeitet, nun ist sie bei der Depesche Vertrieb GmbH tätig. © Denise Ariaane Funke | Denise Ariaane Funke

Das Ehepaar und Tochter Freya, die immer gern beim Fischverkauf aushalf, schütteln viele Hände, nehmen Umarmungen und Präsente in Empfang. Es ist ein emotionaler Abschied auf beiden Seiten. Bei den Fischhändlern kullern die Tränen, ebenso bei zahlreichen Stammkunden.

Auch für die langjährige Mitarbeiterin Martina Lippert geht eine schöne Zeit zu Ende. „Ich habe vor rund 23 Jahren hier ganz klein als Teilzeitkraft begonnen. Die Arbeit hat so viel Spaß gemacht, dass ich schnell als feste Mitarbeiterin dabei war“, erzählt die 52-Jährige. Sie hat einen neuen Arbeitsplatz, ist nun zu Depesche gewechselt.

Die Bläsergruppe aus Lauenburg schlich mit den Instrumenten herbei

Die Bläsergruppe Lauenburg Süd schlich sich mit den Instrumenten an und überraschte Mitglied Jörg Baier mit Märschen.
Die Bläsergruppe Lauenburg Süd schlich sich mit den Instrumenten an und überraschte Mitglied Jörg Baier mit Märschen. © Denise Ariaane Funke | Denise Ariaane Funke

Und dann wird es laut. Die Bläsergruppe Lauenburg Süd überrascht Jörg Baier, der zu der Musikgruppe gehört, mit schwungvollen Märschen. Ihre Jagdhörner unterm Arm schleichen sich 15 Mitglieder der Truppe an den Verkaufswagen heran. Etwa 20 Minuten lässt das Orchester für ihren sichtlich gerührten Kameraden die Hörner erklingen, neben Marschmusik ist auch ein Blues zu hören.

Kunden, Freunde und ehemalige Mitarbeiter stehen derweil unter einem Partyzelt an den mit reichlich Leckereien bestückten Stehtischen und schwelgen in Erinnerungen. „Wir kaufen schon so lange bei Gebert Fisch, wie ich denken kann“, sagt Astrid Reimers. „Meine Eltern sind damals schon immer mit mir von Lauenburg nach Geesthacht gefahren. Damals hatte die Familie noch den Fischladen an der Geesthachter Straße“, erinnert sich die 61-Jährige.

Platz in der Kühtruhe geschaffen, „um erst mal über die Runden zu kommen“

Ina Rathje kennt den Fischstand Gebert seit den 1960er Jahren. Ihre Oma war Kundin. Zum Abschied kam sie mit Jürgen Wirobski (ehemals WVG-Vorstand) aus Escheburg.
Ina Rathje kennt den Fischstand Gebert seit den 1960er Jahren. Ihre Oma war Kundin. Zum Abschied kam sie mit Jürgen Wirobski (ehemals WVG-Vorstand) aus Escheburg. © Denise Ariaane Funke | Denise Ariaane Funke

Den Fisch woanders zu kaufen, kam für die Astrid Reimers bislang nicht infrage. Sie wohnt mit ihrem Mann in Schnakenbek und kam an beiden Markttagen stets nach Geesthacht, um am Fischstand Gebert einzukaufen. Um vorerst über die Runden zu kommen, hat das Ehepaar in seiner Kühltruhe reichlich Platz geschaffen. „Wir wollen jetzt erst mal ordentlich einkaufen und den Fisch einfrieren“, berichten sie.

Auch Ina Rathje aus Escheburg kennt die Geberts seit Kindertagen. „Ich habe noch gut die Jahre ab 1966 in Erinnerung. Damals bin ich in der Weihnachtszeit immer mit meiner Oma zum Fischgeschäft der Geberts gefahren. Wir haben dort frischen Karpfen gekauft. Der Fisch wurde in Zeitungspapier eingeschlagen und in den mitgebrachten Eimer gesteckt“, erinnert sich die heute 67-Jährige.

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Auf dem Geesthachter Wochenmarkt wird weiterhin Fisch angeboten – von Fisch Lenz, betrieben von Birte und Olaf Lenz. Dieses Familienunternehmen wird in diesem Jahr auch schon auf ein 50-jähriges Bestehen in Geesthacht zurückblicken.