Geesthacht. Gut 5000 Einwohner zählte der Ort, als er 1924 zur Stadt aufstieg. Warum die heute größte Stadt im Kreis auch „Klein-Moskau“ hieß.
Große Ereignisse werfen ihren Schatten voraus: 2024 feiert Geesthacht sein 100-jähriges Stadtjubiläum. Aus diesem Anlass soll es das ganze kommende Jahr über diverse Veranstaltungen, Vorträge, Ausstellungen und Aktionen geben. Das Stadt- und Kulturmanagement steckt schon mitten in den Planungen. Doch wie kam es dazu, dass der erstmals 1216 urkundlich als „Hachede“ erwähnte Ort 1924 zur Stadt aufstieg? Und wie sah es vor einem Jahrhundert hier überhaupt aus?
Auslöser war eine neue Hamburger Städteordnung, die am 2. Januar 1924 in Kraft trat. Vor 100 Jahren gehörte Geesthacht als eine Folge des Perleberger Friedens von 1420 politisch zur Hansestadt. Im Mittelalter hatten die Herzöge von Sachsen-Lauenburg, Geesthacht und Bergedorf an Hamburg und Lübeck abgetreten. Lübeck verkaufte seine Rechte 1867 an Hamburg.
Größte Stadt im Kreis Herzogtum Lauenburg: Zunächst ein Teil von Hamburg
Die abgegriffene Akte, die Geesthachts Stadtwerdung beurkundet, fasst Stadtarchivar Dr. Jan Klußmann nur mit weißen Samthandschuhen an. „Hamburg war damals im Grunde ein Flächenstaat mit einer großen Stadt im Zentrum und einigen kleineren Landstädten wie etwa Cuxhaven und eben Geesthacht“, sagt er.
Wohlgemerkt: Das Stadtgebiet war damals erheblich kleiner. Bebaut war nur das heutige Stadtzentrum (siehe Grafik). „Der Stadtkern lag in erster Linie um die St. Salvatoris-Kirche herum“, so der Stadtarchivar. In der Großen Bergstraße (heute Johannes-Ritter-Straße) gab es diverse Geschäfte. Düneberg mit Besenhorst und Grünhof-Tesperhude mit Krümmel (1939/1942) wurden erst mit dem Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 eingemeindet, als Geesthacht wiederum Preußen zugeschlagen wurde.
Im Volksmund hieß die Stadt „Klein-Moskau“
Das Leben vor Ort war nach dem Ersten Weltkrieg von großer sozialer Not geprägt. Die traditionellen Gewerke wie Korbmacher oder Bandreißer gingen zurück. Die Rüstungsfabriken in Düneberg (Pulver) und Krümmel (Dynamit), in denen viele der damals 5273 Geesthachter arbeiteten, mussten schließen. Von 1400 Beschäftigten war teilweise die Hälfte arbeitslos. „Die Goldenen Zwanziger gab es in Geesthacht definitiv nicht“, betont Helmut Knust, Vorsitzender vom Heimatbund und Geschichtsverein.
Die Gesellschaft befand sich im Umbruch, Parteien wurden gegründet. In der Weimarer Republik war Geesthacht durch die große Arbeiterschaft sehr links ausgerichtet. Die Kommunistische Partei (KPD) war mit 31 bis 44 Prozent der Stimmen bei den Wahlen bis 1933 stets stärkste Fraktion in der Stadtvertretersitzung und trug im Volksmund daher den Namen „Klein Moskau“.
In dieser Zeit wurde der damals erst 27-jährige Jurist Julius Weltzien am 16. März 1924 erster Bürgermeister der Stadt. Nach ihm ist als einzigem Bürgermeister eine Straße benannt. Weltzien stützte sich auf eine Koalition aus Sozialdemokraten und Bürgerlichen. In seine Amtszeit (Rücktritt 1931) fiel auch ein verheerender Brand, der am 3. Mai 1928 in der Fährstraße ausbrach und fast alle historischen Gebäude vernichtete, etwa das alte Pastorat, das im heutigen Hachede-Park stand. Erhalten blieben nur die St. Salvatoris-Kirche und das Krügersche Haus. Letzteres hatte in den 1920er-Jahren noch ein Reetdach.
Um Geesthachts Wirtschaft anzukurbeln startete Weltzien eine Tourismus-Initiative. 1927 wurden das Strandbad (heute Freizeitbad) und 1928 die Jugendherberge eröffnet. Hamburger Ausflügler kamen mit dem Dampfer über die Elbe oder per Bahn zur Erholung an die Elbe. In Geesthacht gab es viele Hotels.
Ein Geesthachter sollte keine Dünebergerin heiraten
Wie heute wurde auch vor 100 Jahren zweimal Jahrmarkt gefeiert – auf dem damaligen Marktplatz vor dem heutigen Rathaus. „Als Geesthachter Brauch war es üblich, dass am ersten Tag unter sich gefeiert wurde und erst am zweiten Tag mit den Auswärtigen“, sagt Helmut Knust.
Auswärtige, das waren bereits Menschen aus Düneberg, das im Kern im Bereich von Geesthachter Straße, Neuer Krug, Mittelstraße und Waldstraße lag. Das Verhältnis mit dem Nachbarn war von Rivalität geprägt, nicht nur in sportlicher Hinsicht. Wie weit das ging, weiß Helmut Knust, Vorsitzender der Ortsgruppe des Heimatbund und Geschichtsvereins: „Ein gängiger Snack war, dass kein Geesthachter eine Dünebergerin heiraten durfte.“
Nach dem Zweiten Weltkrieg verdoppelt sich die Einwohnerzahl
Bis heute hat sich Geesthachts Einwohnerzahl in etwa versiebenfacht. Vor allem durch die Eingemeindungen stieg die Zahl bis 1939 von 5273 auf 8700 Einwohner. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatte sich diese durch Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten, darunter viele Pommern, mehr als verdoppelt (1948: 20.364 Bewohner). Erneut war die soziale Not groß, weil die Rüstungsbetriebe – diesmal endgültig – schließen mussten. „Geesthacht war damals das Armenhaus von Schleswig-Holstein“, so Helmut Knust.
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Es entwickelte sich eine neue Art der Industrie (Teppichfabrik, Leuchtturm-Albenverlag, Forschungszentrum). Dabei rückte Geesthacht von der Elbe ab. Erst durch das Projekt „Geesthacht an die Elbe“ gewann der Fluss ab den 1990er-Jahren wieder an Bedeutung im Leben der Bewohner. Auch wegen der Bebauung in der Hafencity steuert die größte Stadt im Kreis Herzogtum Lauenburg auf die Marke von 35.000 Einwohnern zu.
Wie Geesthacht das 100-jährige Stadtjubiläum feiern will
Bei den Feierlichkeiten für das 100-jährige Stadtjubiläum steht neben dem 2. Januar ein weiteres Datum im Mittelpunkt: der 13. Juni 1924, als die erste Stadtsatzung erlassen wurde. „Über das Jahr verteilt sollen Veranstaltungen und Aktionen angeboten werden, die den Fokus im weitesten Sinn auf 100 Jahre Geesthacht legen“, sagt Stadt- und Kulturmanagerin Julia Dombrowski. Eine Beteiligung von Vereinen und Verbänden ist erwünscht.