Geesthacht. Vor zehn Jahren hängt das Leben der Geesthachterin am seidenen Faden. Wie sich sich bei ihren Rettern bis heute erkenntlich zeigt.
Christa Lehmann wird am ersten Weihnachtstag 73 Jahre alt. Doch seit zehn Jahren feiert sie noch ein zweites Mal Geburtstag, nämlich am 23. August. Damals hörte nach dem Abendbrot das Herz der Geesthachterin einfach auf zu schlagen. Dass sie noch lebt, verdankt sie der schnellen Hilfe der Rettungskräfte. Der Notarzt reanimiert sie nach dem Herzstillstand, anschließend wird ihr Zustand auf der Intensivstation vom Johanniter-Krankenhaus Geesthacht stabilisiert. Das hat Lehmann bis heute nicht vergessen. Zweimal im Jahr, immer am 23. August und in der Vorweihnachtszeit, bedankt sie sich bei ihren Rettern. Die sind davon jedes Mal ganz gerührt.
Rückblick: Der 23. August 2013 ist ein heißer Tag, als die Geesthachterin am frühen Abend aus dem Fitnessstudio nach Hause kommt. „Es waren bestimmt 27 oder 28 Grad, und ich weiß noch, dass mir trotzdem kalt war“, erinnert sie sich. Den Rest kennt sie nur aus Erzählungen. Sie hat ihrem Mann Klaus und sich noch das Abendbrot zubereitet und sich anschließend im Wohnzimmer in einen Sessel gesetzt. „Was wollen wir denn heute im Fernsehen schauen?“, fragt ihr Mann nach der Tagesschau. Keine Reaktion!
Geesthachterin dankt ihren Rettern zweimal im Jahr
Christa Lehmann sitzt da schon regungslos im Sessel. „Dass mein Mann gleich Hilfe gerufen hat, war mein Glück“, sagt sie. Denn so ist der Notarzt nach wenigen Minuten in der Wohnung am Pappelwäldchen und kämpft um ihr Leben. Die Reanimierung ist erfolgreich. „Da zählt jede Sekunde. Etwa drei Minuten kann das Gehirn ohne Sauerstoff sein, sonst wird es böse“, sagt Per Martius, der damals zuständige Arzt auf der Intensivstation im Johanniter-Krankenhaus. Er meint, ohne dass bleibende Schäden zurückbleiben.
Künstlich beatmet mit einem Schlauch durch den Mund wird die Patientin ins Geesthachter Hospital eingeliefert. „Frau Lehmann hatte aber schon offene, kreisende Augen. Das ist meist ein gutes Zeichen“, weiß Dr. Martius aus der Krankenakte von damals. Um das Risiko von etwaigen Hirnschäden zu verringern, muss Christa Lehmanns Körper trotzdem mehrere Tage auf etwas über 30 Grad gekühlt werden. Weil das für Patienten unangenehm und schwer auszuhalten ist, wird sie in ein künstliches Koma versetzt.
Plötzlicher Herztod bei 15 Prozent der Infarkte
Später stellt sich heraus, dass Christa Lehmann einen Herzinfarkt in Folge einer Verengung der Herzkranzgefäße erlitt. Im Krankenhaus bekommt sie später zwei Stents, damit wieder genug Blut durch die Adern zum Herz fließt. Heute sind es inzwischen drei Stents. „Ich habe einen familiären Hintergrund. Mein Vater ist an einem Herzinfarkt gestorben. Ich hatte auch einen gewissen Bluthochdruck, habe aber ansonsten vorher nichts gemerkt“, erzählt die Geesthachterin.
Trotzdem ist ihr Fall keine Seltenheit. „15 Prozent aller Infarkte beginnen mit dem plötzlichen Herztod“, berichtet Per Martius. Typische Indikatoren seien: Druck auf der Brust, mitunter mit Ausstrahlungen in den linken Arm und Kiefer sowie Luftknappheit. „Frauen haben häufiger auch Bauchschmerzen, die sie dann aber oft ignorieren“, so der Intensivmediziner und weiter: „Leider ist es aber so, dass nicht alle Betroffenen die typischen Beschwerden haben.“ Wie Christa Lehmann.
Lehmann: „Lasse nichts auf das Krankenhaus kommen“
Sie hat Glück, kann die Intensivstation nach einigen Tagen verlassen und hat ihren Rettern bis heute nicht vergessen. Immer am 23. August bedankt sie sich mit einem selbstgebackenen Kuchen, den die Mitarbeiter der Geesthachter Rettungswache bekommen. Am ersten Advent gibt es eine große Tüte mit Süßigkeiten für die Intensivstation. „Dass Patienten sich bei uns bedanken, wenn sie auf die Normalstation gehen, kommt schon häufiger vor. Eine Dankeskarte ist schon seltener. Aber dass jemand sich so lange bedankt, ist einmalig“, sagt Kathrin Mischke-Jahnz, die pflegerische Leitung der Intensivstation vom Johanniter-Krankenhaus.
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„Es gibt ja einige Leute, die aufs Geesthachter Krankenhaus schimpfen“, will Christa Lehmann noch loswerden. Willst du sterben über Nacht, geh‘ ins Krankenhaus Geesthacht – dieser böse Reim hielt sich früher hartnäckig im Volksmund. Inzwischen haben mehrere Abteilungen Zertifikate für ausgezeichnete Leistungen. Christa Lehmann ist wichtig zu betonen: „Ich lasse auf keinen Fall etwas auf das Krankenhaus kommen. Wenn die nicht gewesen wären, würde ich heute hier nicht sitzen.“
Ohne die Retter hätte sie die beiden Enkeltöchter (sechs und drei Jahre) niemals kennengelernt. Den Ruhestand, in den sie erst wenige Monate vor dem Herzstillstand gegangen war, hätte sie nicht genießen können. Ihr zweites Leben hat am 23. August 2013 begonnen.