Geesthacht. Frank Templin aus dem Johanniter-Krankenhaus Geesthacht hilft Menschen in Afrika und muss dabei schwierige Entscheidungen treffen.
Im Südsudan nannten sie ihn nur den Mann mit den zwei Köpfen. An seinem Nacken wuchs seit rund 20 Jahren ein riesiges Geschwulst. Aus Scham verdeckte der Mittvierziger das sogenannte Lipom ständig mit einem Tuch. Derart entstellte Personen werden in dem afrikanischen Land gesellschaftlich geächtet und gemieden. Seine Hoffnung hieß Frank Templin. Dessen Mission: ein medizinischer Hilfseinsatz. Der Arzt aus dem Johanniter-Krankenhaus Geesthacht leistete bereits zum fünften Mal medizinische Hilfe in dem erst seit 2011 unabhängigen Staat. In zehn Tagen operierte Templin unter einfachsten Bedingungen praktisch rund um die Uhr.
Als sich über das Radio oder die Kirche herumgesprochen hatte, dass ein deutscher Arzt kommt, machten sich Hunderte Menschen aus der Umgebung auf den weiten Weg in die Provinzhauptstadt Wau im Nordwesten des Landes. Dort befindet sich das einzige Krankenhaus für 500.000 Menschen und einer Region so groß wie Schleswig-Holstein. Teilweise warteten die Patienten tagelang auf Dr. Frank, wie der Chefarzt der Chirurgie aus Geesthacht in dem afrikanischen Land nur genannt wird.
Arzt aus Geesthacht hilft Menschen im Südsudan
Im staatlichen Krankenhaus in Wau fehlt es an allem für eine medizinische Grundversorgung: Medikamente, Gipsbinden oder selbst Diesel für die Stromgeneratoren. Und die wenigen Medikamente müssen die Patienten im nach Burundi zweitärmsten Land der Welt auch noch selbst zahlen, sonst werden sie nicht behandelt. Dazu kommt das hohe Maß an Korruption. „Da ist der Südsudan sogar die Nummer eins. Hier hält jeder die Hand auf. Wir mussten bei der Einreise 500 Euro pro Person zahlen. Dabei wollen wir ja nur helfen“, sagt Templin.
Organisiert und bezahlt wurde der Einsatz durch die spendenfinanzierte Medhilfe Südsudan. Zum Ärzteteam gehörten auch Templins Sohn Stefan, der Augenarzt ist, sowie eine Anästhesistin, eine Krankenschwester und eine Gynäkologin. Für den Einsatz war Frank Templin von seinem Arbeitgeber freigestellt. Nebenbei betrieb Templin auch Hilfe zur Selbsthilfe und lehrte angehende Mediziner an, die ihm bei der Arbeit über die Schulter schauten. Im Wesentlichen sollte es aber um die operative Versorgung von Leistenbrüchen und für seinen Sohn um die Operation von Grauem Star gehen – eigentlich.
Templin, muss entscheiden, wem er hilft und wem nicht
Sofort nach der strapaziösen zweitägigen Anreise und bei Temperaturen von 43 Grad tagsüber und 30 Grad nachts ging es um Notfallpatienten mit Schussverletzungen. „Hier hat jeder eine Waffe. Meist geht es um Streitigkeiten wegen des Viehs“, hat Frank Templin gelernt. „Die hiesigen Ärzte überlassen die schweren Fälle meist sich selbst. Denn wenn sie auf dem OP-Tisch sterben, können die Mediziner belangt werden.“
Also operierte Frank Templin bei funzliger Handybeleuchtung zunächst einen 18-Jährigen mit einem Bauchschuss, bei dem die Därme schon herausguckten. „Der wäre am nächsten Tag tot gewesen, so hat er überlebt“, sagt Templin fast beiläufig. Anschließend kümmerte er sich um einen 16-Jährigen, der nach einem Kopfschuss auf beiden Augen erblindet war und versorgte zum Schluss auch einen Mann mit einer Schusswunde im Arm.
Operationen von morgens bis abends
Fast täglich gab es diese Notfälle, nebenbei sichtete Frank Templin die übrigen Fälle, die alle dringend Hilfe benötigen – insgesamt etwa 300 Personen. Er musste eine Triage durchführen, also entscheiden wer behandelt wird und wer nicht. „Das war psychisch sehr schwer“, räumt Templin ein. Das Lächeln, das die Patienten Dr. Frank nach der Operation schenkten, entschädigte zumindest etwas.
Rund 70 Operationen konnte Templin durchführen, darunter viele unbehandelte Leistenbrüche. Zur Einordnung: „Das ist nicht ein kleiner Knubbel wie bei uns, sondern es sind teilweise faustgroße Beulen am Oberschenkel, die die Menschen stark einschränken“, erklärt Frank Templin, der täglich von etwa 8.30 Uhr bis 20 Uhr durchoperierte.
Was aus dem Mann mit zwei Köpfen wurde
Derweil tummelten sich zwischen den einzelnen Gebäuden des Krankenhauses Hunderte Begleitpersonen. Etwa Kinder, die ihre an Grauem Star erblindeten Verwandten führen, oder andere Familienmitglieder, die die Kranken bekochen. Denn auch die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist im Südsudan Sache der Patienten.
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Etwas, was in Deutschland undenkbar wäre: Eine Behandlung unter Vollnarkose war in Wau nicht möglich. Aber: „Die Patienten hier sind alle zäh und geduldig“, sagt Templin. Den Mann mit den zwei Köpfen operierte Dr. Frank etwa nur bei einer örtlichen Betäubung, aber mit Erfolg. Für ihn kann nun ein neues Leben beginnen.
Wer für die Medhilfe Spenden möchte: Das Spendenkonto bei der Kreissparkasse Herzogtum Lauenburg hat die IBAN DE82 2305 2750 0081 2936 49. Stichwort: Südsudan.