Lauenburg. Wer ist dafür verantwortlich, dass die Antragsfrist für die Förderung von 550.000 Euro versäumt wurde? Lauenburg oder der Kreis?

Der Kreis Herzogtum Lauenburg will nicht Schadensersatz zahlen für den Fall, dass der Stadt Lauenburg Fördergeld des Landes in sechsstelliger Höhe gestrichen wird. Das Problem: 550.000 Euro für die Modernisierung der Albinus-Gemeinschaftsschule drohen der Stadt verloren zu gehen. Die Stadt hatte eine Antragsfrist nicht eingehalten, verweist auf den Kreis, der gut ein Jahr für eine Unterschrift und Stempel benötigt habe. Tatsächlich wird es immer wahrscheinlicher, dass Richter darüber entscheiden müssen.

Schadenersatz für die Stadt? Es geht um 550.000 Euro

In der jüngsten Kreistagssitzung sind SPD und FDP mit allen Anträgen an der schwarz-grünen Mehrheit gescheitert, noch Änderungen am Haushaltsentwurf für 2024 vorzunehmen. Darunter auch der SPD-Vorstoß, der Kreis solle vorsorglich 550.000 Euro als Schadensersatz für Lauenburg einplanen, genauer für den Fall, dass das Land an seiner Entscheidung festhalte. Kiel hat erklärt, aufgrund einer Fristüberschreitung bereits angekündigte Fördermittel in genannter Höhe für die Schaffung von Chemiefachräumen zu verweigern. Und hält bislang daran fest.

Immo Braune, Kreistagsabgeordneter und zugleich Vorsitzender der SPD-Fraktion Lauenburg, sieht den Kreis in der Pflicht. Der habe es zu verantworten, dass die Stadt den Förderantrag nicht fristgerecht abgeben konnte, weil die geforderte baufachliche Stellungnahme Ratzeburgs zu lang auf sich warten ließ. Dabei waren 550.000 Euro im Prinzip bereits angekündigt.

SPD: Kreis steht moralisch-politisch in der Pflicht

„Wenn die Kreisverwaltung mit einem Jahr Bearbeitungszeit schlicht zu langsam war, ist es für mich zweitrangig, ob sie dafür auch juristisch haftbar gemacht werden kann“, sagt Braune. Moralisch-politisch stehe der Kreis gegenüber Lauenburg in der Pflicht.

Immo Braune, Kreistagsabgeordneter und Vorsitzender der SPD-Fraktion Lauenburg.
Immo Braune, Kreistagsabgeordneter und Vorsitzender der SPD-Fraktion Lauenburg. © BGZ | FI-LO Movies/Fin Eckhoff

Neben dem Umstand an sich ärgert den Pädagogen, dass dieser SPD-Vorstoß aus formalen Gründen abgelehnt wurde, eine inhaltliche Auseinandersetzung unterblieb. „Dabei brauchen wir für moderne Bildung moderne Schulen“, so Braune. Naturwissenschaftliche Fachräume, die wie an der Albinus-Schule keine Experimente zulassen, sind aus seiner Sicht das genaue Gegenteil. „Wenn wir die neuen Räume nicht bauen können, weil uns das Geld fehlt, geht ein dickes Dankeschön an Herrn Brackmann!“

„Aus dem Kreishaushalt fließt kein Geld nach Lauenburg“

Der Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion, Norbert Brackmann, Vater von Lauenburgs jungem Bürgermeister Thorben Brackmann, rechtfertigt die Ablehnung des SPD-Antrags: Der habe nichts mit dem Kreishaushalt zu tun. „Dass von dort Geld für Schadensersatz nach Lauenburg fließt, das können wir ausschließen.“

Dies gelte unabhängig davon, wer tatsächlich verantwortlich sei, sagt Norbert Brackmann. „Liegt die bei der Stadt Lauenburg, weil sie die Frist verstreichen ließ, ist der Kreis aus der Verantwortung.“ Stehe dagegen am Ende des Tages die Erkenntnis, dass die Kreisverwaltung Schuld daran trage, „so zahlt nicht der Kreis, sondern muss der kommunale Schadensausgleich dafür eintreten“.

CDU: Im Fall der Fälle zahlt der Kommunale Schadensausgleich

Der Politprofi und frühere langjährige Bundestagsabgeordnete aus Lauenburg hält es für „nicht unwahrscheinlich“, dass schließlich Richter im Streit zwischen der Stadt und dem Kreis entscheiden müssen. „Argumente gibt es für beide Seiten“, sagt der Jurist. Gegen den Kreis spricht die lange Bearbeitungszeit, gegen Lauenburg, dass es Hinweise ignoriert habe, den Förderantrag zunächst ohne die Bestätigung des Kreises einzureichen.

Landrat Christoph Mager und Norbert Brackmann, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion (r.)
Landrat Christoph Mager und Norbert Brackmann, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion (r.) © BGZ | CDU

In der Zwischenzeit hat Landrat Christoph Mager zugesagt, dass der aufgetürmte Berg ausstehender Bestätigungen bis Jahresende abgearbeitet wird. Das sei auch dringend notwendig, so Norbert Brackmann: „Lange Bearbeitungszeiten führen zu Verzögerungen im gesamten Bauablauf.“

Eine Verfahren „so überflüssig wie ein Kropf“

Eigentlich gehöre das Verfahren jedoch abgeschafft. „Das ist überflüssig wie ein Kropf, sorgt in der viel beschäftigten Kreisverwaltung für zusätzliche Arbeit.“ Dabei sei vieles durch andere Regelungen abgedeckt. Heute sei jedes Details geregelt, weiß Norbert Brackmann, „bis zur Frage, welche Schraube soll in welches Holz“. Der Ansatz, die jeweils übergeordneten Stelle mit der baufachlichen Prüfung von Förderprojekten zu beauftragen, habe sich längst überholt.

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Marcus Worm, Vorsitzender der Grünen Kreistagsfraktion, hat sich bislang dazu ausgeschwiegen, ob die Grünen ein Jahr Bearbeitungszeit für angemessen halten und warum die Fraktion gegen die Schadensersatzforderung gestimmt hat. Thorsten Pollfuß, zweiter Fraktionsvorsitzender der Lauenburger Grünen, hält dagegen mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg.

Grüne: Projektmanagement fehlt

„Woran es vor allem mangelt, ist ein funktionierendes Projektmanagement“: Der Ausfall von Mitarbeitern oder allgemein Personalmangel dürften nicht dazu führen, dass wichtige Termine versäumt werden, fordert Pollfuß. „Gut wäre eine automatisierte Warnfunktion, mit der der Kreis den Kommunen signalisiert, wir können eine Frist nicht einhalten.“

Die Erwiderung des Kreises, Lauenburg hätte zur Wahrung der Fristen doch seinen Förderantrag ohne Stellungnahme aus Ratzeburg schicken können, empfindet der Jurist als wenig zielführend. Genau auf die baufachliche Prüfung komme es doch an. Pollfuß: „Der Kreis ist in dem Verfahren kein Zuschauer, sondern der Player.“

Künstliche Intelligenz könnte viele Fragen klären

Doch auch Pollfuß stellt sich die Sinnfrage. Wenn denn weiterhin auf dem Wege geprüft werden solle, „ob nicht jemand goldene Wasserhähne plant, warum können Kommunen ihre Förderantrage nicht wenigstens digital beim Land einreichen?“ Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz könnten die dann analysiert werden. „So könnte aufgezeigt werden, wo Fragen zu klären sind. Etwa auffällige Abweichungen von Ausstattungen. Oder von hohen Kosten gegenüber anderen vergleichbaren Projekten.“

Kommentar

Nicht nur an Schulen reißt die Babyboomer-Generation, die aktuell und die nächsten Jahre in Ruhestand geht, immer größere Lücken. Auch die öffentlichen Verwaltungen sind betroffen. Und es sind nicht nur Gewerkschafter, die zu Zeiten von Tarifauseinandersetzungen darauf hinweisen, dass es enormer Anstrengungen bedarf, sollen die Lücken nicht bald unsere Vorstellungskraft sprengen. Eine ordentliche Bezahlung ist nur eine von vielen Facetten.

Wobei ein wichtiger Unterschied besteht. Die Corona-Krise hat an den Schulen bewiesen, dass Lehrkräfte durch digitale Hilfsmittel wohl unterstützt, aber nicht ersetzt werden können. Beschleunigt wird das Lernen auch nicht. Das deutsche Abschneiden beim jüngsten Pisa-Test lässt darauf schließen, dass große personelle und damit auch finanzielle Anstrengungen notwendig sind, soll Deutschland im internationalen Vergleich nicht noch weiter zurückfallen.

Wenn Politiker mit Blick auf die öffentliche Verwaltung ankündigen, mit fortschreitender Digitalisierung werde die künftig effektiver und damit auch schlanker werden, grenzt dies an Arbeitsverweigerung. Nicht der Angestellten und Beamte, sondern des Gesetzgebers.

Natürlich ist es ein Anachronismus, wenn 2023 riesige Aktenbestände in Papierform Grundlage von Verwaltungsvorgängen sind. Wenn zwar Bürger digital Anträge für eine Kfz-Ummeldung oder eine Baugenehmigung stellen können, die aber in Papierform dann an beteiligte Stellen weitergeleitet wird. Weil etwa die Wasserbehörde, das zuständige Denkmalschutzamt oder die zu beteiligenden Naturschützer noch nicht in der Form vernetzt sind, wie es nötig wäre.

Das Hauptproblem ist aber ein hausgemachtes: Immer neue Gesetze bedeuten eine Vielzahl von neuen Durchführungsbestimmungen, Richtlinien und Co.. Wenn von Ministerialbürokratie und Politik übersehen wird, dass sich alte Gesetze und Regelungen überlebt haben, viele durch neue Regeln schlichtweg ihren Sinn verloren haben, ist klar, wohin das führt: Die öffentliche Verwaltung wird gezwungen, sich mit Dingen zu beschäftigen, die nicht nur überflüssig, ja die häufig schädlich sind.

Die baufachliche Prüfung im Falle der Albinus-Gemeinschaftsschule ist ein Paradebeispiel. Abgesehen davon, dass der Begriff irreführend ist. Es geht dabei nicht darum abzusichern, dass etwa Gasleitungen nach dem Stand der Technik so verlegt werden, dass sie keine Gefahr darstellen. Das gern genutzte Synonym „Plausibilitätsprüfung“ verrät, was geprüft werden soll. Im Kern: Passen die Baumaßnahme und die beantragte finanzielle Förderung zusammen? Das möchte im konkreten Fall nicht das Land als Zahler verantworten, daher wird die Aufgabe an die Kreise delegiert. Damit die Verantwortung weiter gereicht.

Dass mit Fördergeld nicht die vielzitierten „goldenen Wasserhähne“ finanziert werden, ließe sich einfacher und zeitsparender klären. Es wird Zeit, dass Politiker nicht immer nur von Verwaltungsvereinfachung sprechen. Sondern dass sie sich daran machen, diese auch auf die Schiene zu setzen.