Geesthacht. Städtische Ausgaben überschreiten im Etat 2024 erstmals Marke von 100-Millionen-Euro. Was Olaf Schulze (SPD) von Schwarz-Grün fordert.
Besinnlich war nur der Anfang der letzten Sitzung der Geesthachter Ratsversammlung in diesem Jahr. Bürgervorsteher Arne Ertelt (CDU) verlas zu Beginn eine kurze Weihnachtsgeschichte. Anschließend ging es zur Sache. In einer sechseinhalb Stunden langen Mammutsitzung haben die Kommunalpolitiker um den städtischen Haushalt für das Jahr 2024 gerungen. Ergebnis der Beratungen: Erstmals in der Geesthachter Geschichte werden die Ausgaben über der Marke von 100 Millionen Euro liegen.
Weil dem nur Einnahmen in Höhe von rund 93 Millionen Euro gegenüberstehen, steht unter dem Strich ein Defizit von 7,2 Millionen Euro. Für Bürgermeister Olaf Schulze (SPD) liegt die Schuld dafür bei der schwarz-grünen Landesregierung in Kiel. „Bildung ist Aufgabe der Länder. Sie delegieren es aber immer mehr auf die Kommunen herunter, ohne einen finanziellen Ausgleich“, nahm der seit 2015 amtierende Verwaltungschef, der zuvor zehn Jahre selbst dem Landtag angehört hatte, in seiner Haushaltsrede kein Blatt vor den Mund.
Rekordhaushalt knackt 100-Millionen-Euro-Marke
Geesthacht habe immer größer werdende Belastungen im Bereich Kita und Grundschule durch gesetzliche Ansprüche auf Betreuung. „Das Versagen der Schulpolitik wird noch deutlicher beim Ganztagsangebot“, so Schulze weiter. Durch den ab 2026 geltenden Anspruch auf Ganztagsbetreuung liegen die Personalkosten in diesem Bereich bei rund 2,7 Millionen Euro, das sind ein Zehntel der gesamten Personalkosten. Zudem würden zwei getrennte Systeme (Schule und Ganztag) aufgebaut, die in eine Hand gehörten.
Anderes Beispiel: Schulsozialarbeit. Der Landesrechnungshof habe im Juni festgestellt, dass die Schulsozialarbeit von den Schulträgern im Land – im Falle Geesthachts ist das die Stadt – übernommen werde, die dazu gar nicht verpflichtet seien. Geesthacht zahlt für Schulsozialarbeit demnächst eine halbe Million Euro.
Geesthacht zahlt freiwillig für Schulsozialarbeit
Denn wenig später beschloss eine Mehrheit aus CDU, Bündnis 90/Die Grünen und den Bürgern für Geesthacht (BfG) gegen die Stimmen von SPD und FDP, dass in Geesthacht 2,5 weitere Stellen für Schulsozialarbeit geschaffen werden sollen. Eine Stelle davon soll zusätzlich eine psychologische Qualifikation mitbringen. Der Bedarf nach der Corona-Pandemie sei einfach vorhanden.
„Ich führe jede Woche zwei Gespräche mit Eltern aus bildungsfernen Schichten. Das kann kein Lehrer leisten und in bestimmten Fällen auch kein Schulsozialarbeiter“, berichtete CDU-Ratsherr Bastian Numrich, der Lehrer an der Bertha-von-Suttner-Gemeinschaftsschule in Geesthacht ist. Als Beispiele nannte er Schüler, die Angst hätten, nach Hause zu gehen, oder selbstmordgefährdet seien.
Schulpsycholgin des Kreises hat gekündigt
Der Kreis Herzogtum Lauenburg habe zwar eine für den ganzen Südkreis zuständige Stelle in Schwarzenbek geschaffen, so Numrich, die Mitarbeiterin habe aber zum 1. Januar gekündigt. „Und bei der nächsten Anlaufstelle in Büchen gibt es eine Wartezeit von über einem Jahr“, ergänzte Numrich. Der Bedarf sei einfach da. Unterstützung bekam er von Grünen-Fraktionschef Ali Demirhan, der sagte: „Wir können uns den Schwarzen Peter zuschieben. Aber wir sollten als Stadt Geesthacht hier vorangehen.“ Die SPD-Fraktion hatte den Bedarf für mehr Schulsozialarbeit auch erkannt, wollte hier aber den Kreis und das Land in die Pflicht nehmen.
Die Sozialdemokraten wiederum wollten zwei Stellen für die Koordination der Ganztagsbetreuung einwerben, um pädagogische Konzepte für die Verzahnung von Schule und Ganztag für die sieben Geesthachter Schulen zu erstellen. „Auch wenn es erst 2026 einen Rechtsanspruch gibt: Gute Planung braucht seine Zeit“, sagte der Orts-Co-Vorsitzende Muammar Kazanci. Weil für die Ganztagsbetreuung noch keine Parameter von Bund und Land festgelegt seien, reiche eine Stelle aus, meinten die anderen Fraktionen. Das wurde dann einstimmig beschlossen.
Defizit der Stadt 2024 bei 7,2 Millionen Euro
Zwei weitere Vollzeitstellen für zwei Politessen, eine neue Fachbereichsleitung im Rathaus und eine Stelle für betriebliches Eingliederungsmanagement sowie Veränderungen bei verschiedenen Haushaltsposten führten letztlich dazu, dass sich die Summe auf Ausgabenseite auf insgesamt 100.301.700 Millionen Euro erhöht hat. Die Einnahmen liegen bei 93.099.700 Millionen Euro, was unter dem Strich ein Minus von 7,202 Millionen Euro ausmacht.
„Zu Aufwendungen der Landesregierung und der Eltern für die Kita zahlt Geesthacht zwölf Millionen Euro zusätzlich. Wenn die Landesregierung umdenken und davon nur die Hälfte bezahlen würde, hätten wir fast schon einen ausgeglichenen Haushalt“, kritisierte auch die SPD-Fraktionsvorsitzende Petra Burmeister die schwarz-grüne Landesregierung.
Björn Reuter (CDU): „Schuld haben immer die Anderen“
„Schuld haben immer die anderen“, kann der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Björn Reuter die Kritik schon nicht mehr hören. „Dabei darf nicht vergessen werden, dass wir uns den Geesthachter Deckel (begrenzt die Elternbeiträge für die Kita in der Stadt, die Red.) und die Geschwisterermäßigung aus freien Stücken leisten. Sicherlich muss für Kita und Schule was im Land im getan werden. Aber wir bekommen durch unsere freiwilligen Leistungen ja auch einen Gegenwert“, so Reuter.
Daniel Malorny, der für die CDU zum Haushalt sprach, ging auf die SPD-Kritik nur indirekt ein. Er stellte fest, dass Schulen und Kitas der größte Posten bei den städtischen Ausgaben seien. Ansonsten bezog er sich mehr auf spezielle Geesthachter Themen, etwa dass sich die CDU im kommenden Jahr von den anderen Fraktionen Gespräche über eine neue Feuerwache in Grünhof-Tesperhude nördlich der B5 wünsche. Malorny verwies auch darauf, dass im Rathaus zeitweise bis zu 60 Stellen gleichzeitig nicht besetzt waren. Weshalb sich Projekte verzögerten.
AfD fehlt bei wichtigster Sitzung des Jahres
Die Grünen halten den Jahresfehlbetrag in einem akzeptablen Rahmen. Sicherlich auch, weil Olaf Schulze richtig festgestellt hatte, dass trotz der hohen Belastungen die finanzielle Situation der Stadt noch solide sei. „Seit 2017 konnten wir immer eine schwarze Null oder positive Jahresüberschüsse erzielen“, hob Schulze hervor. Für 2023 etwa war zunächst mit rund zwölf Millionen Euro Minus kalkuliert worden, woraus durch höhere Gewerbesteuereinnahmen letztlich rund fünf Millionen Euro Überschuss worden sind. Jens Kalke (Bündnis 90/Die Grünen) betonte: „Wir brauchen einen Plan B, wenn uns mal die Einnahmen wegbrechen.“ Gleichzeitig betonte er die für seine Fraktion wichtigsten Projekte: die kommunale Klimaschutzpolitik und das unzureichende Netz an Fahrradwegen.
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Christoph Hinrichs, der für die Wählergemeinschaft Bürger für Geesthacht als Letzter zum Haushalt sprach, ging wieder auf das Geplänkel zwischen SPD und CDU ein. „Bildung ist wichtig und notwendig. Wir sollten aufhören zu jammern, wer daran schuld ist, sondern genießen, wenn wir gewählt haben“, sagte Hinrichs. Die FDP, die mit zwei Vertretern in der Ratsversammlung keine Fraktionsgröße erreicht hat, verzichtete auf eine Haushaltsrede. Dieter Ripp, der einzige Abgeordnete der AfD im Stadtparlament, fehlte entschuldigt bei der wichtigsten Sitzung der Kommunalpolitik des Jahres.