Geesthacht. Klaus Mosel singt seit 60 Jahren bei der Geesthachter Liedertafel – und auch sonst an allen mögliche und unmöglichen Orten.

„Robbie Williams ist mir durchaus ein Begriff“, sagt Klaus Mosel. Er ist 78 Jahre alt. Aber auch er ist ein Sänger, so wie der britische Popstar. Und das Singen hat ihn jung gehalten. Klaus Mosel singt seit mehr als 60 Jahren bei der Geesthachter Liedertafel: „Ich ging noch zur Schule und war damals das jüngste Mitglied“. Am Anfang waren noch viel mehr junge Sänger dabei. Das hat sich geändert. Die Liedertafel ist eine Rentnerband – und Klaus Mosel ist „immer noch einer der jüngsten“. Sagt er und muss lachen.

Nach dem „Best-of“ seiner Chorlaufbahn befragt, muss Klaus Mosel nicht lange überlegen: „Die Reisen nach Kanada waren das Größte“. Ehefrau Hannelore nickt bestätigend. Sie hat die Reisechronik der Liedertafel Geesthacht im Kopf. 1994 stand ihr Mann da, wo 40 Jahre zuvor Marilyn Monroe ihre Hollywood-Karriere begonnen hatte.

Popstar Robbie Williams ist kein Unbekannter für Tenor Klaus Mosel (78) von der Liedertafel

Im sogenannten Scenic Tunnel, der heute noch über knapp 50 Meter hinter der Wasserwand der Niagarafälle entlangführt. Nach kurzer Aufstellung erhoben die Sänger der Geesthachter Liedertafel ihre Stimmen über das Rauschen des Wassers hinweg. Die Gänsehaut hält bis heute. „Bei der ersten Kanada-Reise waren wir 162 Teilnehmer, und es hat alles super geklappt“, schwärmen die beiden.

Ob klatschnass vom Wasser der Niagarafälle, bei Kirchenauftritten oder im Zusammenspiel mit dem Polizeichor von Ottawa: Die Geesthachter waren von der Gastfreundschaft der Kanadier begeistert. In Kitchener bei Toronto trafen sie viele Auswanderer aus Norddeutschland und hatten das Gefühl, die Welt sei ein Dorf. Ein zweites Mal reiste die Chorgemeinschaft 1997 an die kanadische Westküste. Manche Freundschaft hielt über Jahrzehnte.

Klaus Mosel sing in jeder freien Minute – wenn es ihm gut geht

Aber nicht nur auf Marilyns Spuren war Klaus Mosel unterwegs. Ein beeindruckendes Solo gab der Geesthachter Tenor spontan im Weinkeller des sächsischen Kurfürsten „August, der Starke“ auf der Festung Königsstein. „Da ist mein Mann runter und hat ganz allein das Lied vom Fass im tiefen Keller gesungen. Er traute sich immer, allein zu singen. Das war toll“, erinnert sich Hannelore Mosel.

Klaus Mosel singt nicht nur hinter Wasserfällen und in Weinkellern. Er singt in jeder freien Minute. Der Gesang ihres Mannes war für Hannelore Mosel schon immer ein Gradmesser. Wenn er singt, weiß sie, dass es ihm gut geht. Die letzten zwei Jahre stand gesundheitlich nicht immer alles zum Besten „Da war auch mal Schweigen im Walde, und das war nicht schön“, sagt sie.

Erster Schwund beim Nachwuchs, als Boris Becker in Wimbledon siegte

Der Tenor blickt mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf das schwindende Interesse an Chor und Gesang: „Früher gab es eben kein Internet und kein Handy. Da wollte man in Gemeinschaft sein“. Die Mitgliederzahl der Liedertafel Geesthacht ging mit den Jahren stetig zurück. Der erste Schwund kam, als Boris Becker 1985 Wimbledon gewann und alle jungen Leute in den Tennisverein eintraten.

Bei der Liedertafel sangen mal sechzig, zuletzt kamen nur noch vierzehn Stimmen zusammen. Vor einem Jahr machten die Sänger das Beste daraus und taten sich mit dem Männerchor Cantus aus Curslack zu einer Chorgemeinschaft zusammen. Geprobt wird seitdem einmal die Woche abwechselnd im Gemeindesaal der Christusgemeinde in Geesthacht und im Gasthaus Kücken‘s in den Vierlanden. „So kommen wieder 30 Stimmen zusammen, und Platt singen wir jetzt auch“, freut sich Mosel über die gelungene Auffrischungsaktion.

Eine Platte einzusingen, das war nichts für Klaus Mosel

Das Live-Erlebnis macht Klaus Mosel bis heute viel Spaß. Weniger begeistert war er vom Einsingen einer Platte, für die die Liedertafel Geesthacht einst im Studio stand. „Das hat ewig gedauert. Für drei Lieder den ganzen Tag in so einem kleinen Raum. Das muss ich nicht noch mal haben“, erinnert er sich an einen Tag anno 1970.

Vor knapp zehn Jahren kürte die Sängertafel ihr Mitglied Klaus Mosel zum Sänger des Jahres. Seitdem ist er froh und stolz, dass seine Stimme nichts an Kraft eingebüßt hat. Das mag auch am guten Training liegen. „Zu Beginn der Proben denke ich immer, ich bin im Sportverein“, sagt Klaus Mosel.

Renaissance des Chorsingens nur in den Großstädten

In Deutschlands Großstädten sorgte dieses Gefühl in den letzten Jahren zu einer Renaissance des Chorwesens. Auch Mitsing-Aktionen für Laien waren ein großer Erfolg. „Vor Corona haben wir in Hamburg das große Singen mit Mitsingen mitgestaltet“, erklärt Mosel. Leider sind die Veranstaltungen durch die Pandemie wieder eingebrochen, und was in der Großstadt in Mode kommt, führt in einem Ort wie Geesthacht nicht automatisch zur Verjüngung eines Chores, der immerhin den ältesten Verein der Stadt stellt.

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Klaus und Hannelore Mosel sind trotzdem zuversichtlich. In der Adventszeit wird traditionell wieder mehr gesungen, und zum Weihnachtskonzert erwartet die Liedertafel volles Haus in der Christuskirche. Am 10. Dezember singen ab 16 Uhr die Damen unter der Leitung von Michael Georgi und im Anschluss die Männerchorgemeinschaft Liedertafel/Cantus Eintracht unter der Leitung von Christina Koller. Der Eintritt ist frei.