Schwarzenbek. Damit in Schleswig-Holstein produzierter Ökostrom gänzlich ins Netz gespeist werden kann, müssen die Leitungen ausgetauscht werden.
Der Weg zum klimaneutralen Industrieland ist noch weit, aber er ist zu schaffen. Das ist das Fazit vom Grünen-Landtagsabgeordneten Oliver Brandt im Netzcenter Schwarzenbek von dem aus 37.000 Haushalte und Betriebe mit insgesamt 160.000 Menschen versorgt werden. Brandt und seine Fraktionskollegen aus dem Kieler Landtag waren am Freitag, 10. November, bei einem sogenannten „Ausschwärmtag“ in ihren Wahlkreisen unterwegs, um sich über die Fortschritte bei der Energiewende zu informieren.
Brandt entschied sich mit seinem Kreistagskollegen Markus Worm und dem Schwarzenbeker Kommunalpolitiker Kolja Ronneberger für einen Besuch im Netzcenter Schwarzenbek, das ein wichtiger Punkt in der Energieversorgung des Südkreises ist. Neben 1900 Kilometern Stromleitungen, gibt es hier auch ein Gasnetz mit einer Länge von 560 Kilometern, das von den 30 Mitarbeitern betreut wird. Außerdem werden regenerative Energien aus 2500 Anlagen in das Stromnetz in diesem Bereich eingespeist – eine der größten ist die Flächenvoltaikanlage in Lanken.
Schwarzenbek: Energiewende ist nur mit neuen Erdkabeln zu schaffen
Allerdings haben sich die Herausforderungen durch die Energiewende deutlich geändert. „Mit den Leitungen, die noch in alten Baugebieten aus 1970er-Jahren liegen, kommen wir heute nicht mehr zurecht. Deshalb bauen wir konsequent das Netz aus und machen es fit für die Zukunft“, sagte Tom Genth, Leiter des Netzcenters Schwarzenbek.
Die Länge der Kabelstränge ist nicht das Problem, um die geänderten Voraussetzungen an moderne Stromnetze zu erfüllen. Es geht um die Leistungsfähigkeit. Reichten früher Erdkabel unter der Straße mit vier insgesamt 150 Quadratmillimeter dicken Adern aus, um den Strom zu den Haushalten zu transportieren, so sind heute Dicken von 240 Quadratmillimeter Standard. „Die liegen noch nicht überall. Wir tauschen die Kabel mit verschiedenen Verfahren je nach Bedarf aus“, so Genth. Eine Mammutaufgabe: Denn allein im Bereich des Netzcenters Schwarzenbek liegen 1900 Kilometer Kabel – das entspricht einer Strecke von Schwarzenbek bis zur Südspitze Italiens.
Das Leitungsnetz muss nicht länger, sondern die Kabel dicker werden
„Es geht nun nicht darum, dieses Leitungsnetz zu verlängern, sondern für die Anforderungen der Zukunft zu ertüchtigen. Dafür müssen die Kabel nicht mehr und länger, sondern dicker werden, damit sie mehr Strom transportieren können“, erläutert Gerd Maas-Oldörp, der für die sieben Umspannwerke im Netzcenter zuständig ist.
Größer wird das Netz nur an Stellen, wo neue Bau- und Gewerbegebiete entstehen und wo neue Flächenvoltaikanlagen wie beispielsweise das seit Jahren bestehende Solarfeld in Lanken angeschlossen werden. Es ist aber nicht damit getan, dickere Leitungen zu installieren. „Wir werden auch im ganzen Land in den nächsten Jahren etwa 160 zusätzliche Umspannwerke benötigen“, sagte Malte Hinrichsen, Referent für Unternehmensentwicklung beim Energiedienstleister Hansewerk.
Stromverbrauch wird sich durch die Energiewende verdreifachen
Denn die Energieversorger stehen vor der großen Herausforderung, dass sich einerseits der Stromverbrauch in den kommenden Jahren wegen der zunehmenden E-Mobilität, den Wärmepumpen und dem Ausstieg aus fossilen Energieträgern in der Industrie verdreifachen wird. Andererseits gibt es aktuell 30.000 Anträge allein in Schleswig-Holstein auf Einspeisung von Strom ins Netz aus Photovoltaik-Anlagen. Schon jetzt wird in Schleswig-Holstein deutlich mehr Strom produziert als verbraucht. „Zehn Gigawatt werden jährlich ins Netz eingespeist, aber nur zwei Gigawatt im Norden verbraucht“, so Hinrichsen. Dieser Strom muss auch in das Netz eingespeist werden.
„Deshalb brauchen wir auch die großen Stromtrassen in den Süden und den Netzwerkknotenpunkt in Sahms. Aber auch hier im Land muss einiges passieren, um die Genehmigungsverfahren für den Ausbau der Netze schneller zu machen. Dafür werden wir auch neue Mitarbeiter in den Planungsabteilungen einstellen“, kündigte Oliver Brandt an.
Kommunale Wärmeplanungen zeigen, wo Stromnetze an ihre Grenzen kommen
Auch im Netzcenter Schwarzenbek mit aktuell 30 Mitarbeitern gab es allein im laufenden Jahr fünf Neueinstellungen, um die Aufgaben zu meistern. „Einen Auszubildenden suchen wir auch noch“, betonte Genth. Denn wo die Reise beim Netzausbau hingeht, ist noch nicht in allen Details klar. „Die kommunalen Wärmepläne werden eine große Rolle spielen. Wenn die Auswertungen vorliegen, steht fest, wo mehr Strom für Wärmepumpen benötigt wird und wo die Versorgung über Nahwärmenetzwerke sinnvoll ist“, so Brandt.
Doch so lange will SH-Netz nicht warten. „Trends zeichnen sich jetzt schon ab und wir reagieren darauf. Wenn irgendwo mehr Strom benötigt oder eingespeist werden soll, nehmen wir entsprechende Planungen vor und bauen das Netz aus“, so Genth. Das war beispielsweise bei der Einführung der Schwarzenbeker Stadtbuslinie erforderlich, für die ein neuer leistungsstarker Verteiler gebaut werden musste, um die elektrisch betriebenen Busse am Bauhof mit Strom zu versorgen. Auch im Lupuspark reicht der Strom noch nicht an allen Stellen aus. Ein Sanitärunternehmer, der überlegt hatte, seinen Fuhrpark auf Elektrofahrzeuge umzustellen, musste das erst einmal zurückstellen, da die Leitungskapazitäten dies nicht zuließen.
Für die Energiewende muss noch reichlich gebaggert werden
Fakt ist, so ein Ergebnis des Besuchs von Oliver Brandt, dass die Menschen in Schwarzenbek und Umgebung in den kommenden Jahren mit einigen Tiefbauarbeiten rechnen müssen, damit das Stromnetz ertüchtigt werden kann.
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Das größte Projekt im Kreis im Zuge der Energiewende dürfte aber zunächst der geplante Netzwerkknotenpunkt in Sahms werden, den die Stromnetzbetreiber Tennet, 50Hertz und SH-Netz bis 2028 realisieren wollen. Dieser soll aus einem 380-/110-Kilovolt-Umspannwerk und einer 380-kV Schaltanlage bestehen und knapp 40 Hektar Fläche benötigen. Von dort geht dann ein „Strom-Highway“ mit Ökostrom aus norddeutscher Windkraft nach Süddeutschland – so die Planung der Bundesnetzagentur.