Geesthacht. Ein Team der TU Hamburg-Harburg testete seinen autonom fahrenden EGN23 auf dem Heidbergring. Nächstes Fahrzeug in Planung.
Von null auf 100 in gerade mal 3,5 Sekunden – das schafft weder ein Ferrari 430 Scuderia (3,6 sec), noch ein Jaguar F-Type SVR (3,7 sec) oder ein Porsche Carrera GT (3,8 sec), wohl aber der EGN23. So heißt das aktuelle Gefährt vom Formula Student Team der Technischen Universität (TU) Hamburg-Harburg, das mit ihrem Rennkart für Probefahrten auf dem Heidbergring in Geesthacht zu Gast war. „Formula Student ist der größte Ingenieurwettbewerb der Welt“, erklärt Teamkapitän Thorben Ehlers aus Stade.
Das TU-Team hat sich E-Gnition genannt. Das ist angelehnt an das englische Wort für Zündung (Ignition), wobei das „E“ für Elektroantrieb steht. Der EGN hat aber nicht nur in puncto Beschleunigung den Supersportwagen einiges voraus: Es kann auch noch autonom – also ohne Fahrer – fahren.
Schneller als Ferrari und Porsche – Hamburger Studenten-Team testet Rennkart in Geesthacht
Für Automobil-Freaks ein paar technische Daten: Das Rennkart mit dem riesigen Heckflügel, einem Monocoque (Fahrgestell) und frei stehenden Rädern wiegt gerade einmal 209 Kilogramm. Die Leistung ist laut Reglement auf 80 Kilowatt (kW) limitiert. Das entspricht 108 PS. Mit dem Radnaben-Allradantrieb kann ein Drehmoment von bis zu 1000 Newtonmetern (Nm) abgerufen werden. „Von unserem Leistungsgewicht her, also Kilogramm pro Kilowatt, liegen wir auf einem Level mit einem Supersportwagen wie dem Bugatti Chiron“, hebt Ehlers hervor. Das komplette Auto inklusive des Akkus bauen die Studenten übrigens selbst.
Mit dem Besuch der Tüftler, die den Ring kostenlos für ihre Tests nutzen durften, setzt der Motorsport-Club (MSC) Geesthacht als Betreiber des Heidbergrings ein Zeichen, dass er es mit der Nachhaltigkeit ernst meint. „Wir sind nicht nur die mit den lärmenden CO2-Schleudern. Die Entwicklung alternativer Antriebsarten muss auch im Motorsport vorangetrieben werden“, sagt der Vorsitzende Dirk Vogel.
MSC Geesthacht will nachhaltiger werden
Um die Kohlendioxid-Bilanz der Rennstrecke zu verbessern, leben jetzt fünf Bienenvölker am Heidbergring in Geesthacht, die von einer Lauenburger Imkerin betreut werden. Zudem gibt es bei Veranstaltungen auf dem Heidbergring kein Einweggeschirr mehr, und es gibt eine eigene Wasserzapfstation, damit an Renntagen nicht so viele Plastikflaschen verbraucht werden. Als der Verein 2022 für 250.000 Euro eine neue Asphaltdecke auf Deutschlands kürzester permanenter Rennstrecke aufbringen ließ, wurden bereits Leerrohre mit verlegt, damit ein Umstieg auf einen Elektro-Rennbetrieb ohne Weiteres möglich wäre.
Doch zurück zu dem echt flotten Flitzer der Studenten der TU Harburg. Seit 2012 entwickeln sie, wie in der Formel 1, jedes Jahr einen neuen Wagen. Mit dem treten sie in mehrere Kategorien an: einer 75-Meter-Beschleunigung, einem Rennen auf einem Kurs, der eine liegende Acht ist (Skidpad), einer schnellen Fahrrunde (Autocross) sowie einem 22 Kilometer langen Ausdauerrennen mit Fahrerwechsel. Autonom muss der Wagen zehn Runden alleine fahren.
Helmholtz-Zentrum Geesthacht fördert Hamburger Studententeam
65 Studenten aus allen Studiengängen der TU Harburg arbeiten neben ihrem eigentlichen Studium freiwillig in ihrer Freizeit beim Team e-gnition mit, das von vielen bekannten Marken aus der Automobilbranche oder der Forschung gefördert wird. Dazu gehört auch das Helmholtz-Zentrum Hereon aus Geesthacht. Die Saison 2023 ist zwar bereits vorüber, doch die Erkenntnisse aus den Geesthachter Testfahrten fließen in den EGN24 ein, der im Juli und August kommenden Jahres bei Rennen an den Start gehen wird. „Auf dem guten Asphalt vom Heidbergring versuchen wir, uns an unser Power-Maximum anzunähern“, sagt Thorben Ehlers, dessen Traum es wäre, später beruflich in einem Rennsportteam Fuß fassen zu können. 60 bis 80 Stunden in der Woche kümmert er sich als Teamkapitän um den E-Flitzer.
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Aktuell steht noch bis zum Jahresende die Bauentwicklung an. Im Frühjahr geht es an die Fertigung, ehe im Mai der neue Wagen vorgestellt wird. „Das Monocoque wird anders aussehen“, sagt Thorben Ehlers. Mehr wird nicht verraten. Vom Weltrekord bei der Beschleunigung in der Formula Student von null auf 100 sind die Harburger mit ihren 3,5 Sekunden übrigens noch ein ganzes Stück entfernt. „Den Weltrekord hält das Team Zürich mit 0,956 Sekunden“, weiß Ehlers.