Geesthacht. Kaum 20 Jahre alt, kam der Mann aus Geesthacht 1944 ums Leben. Warum ein tschechischer Historiker nun um Hilfe bittet.
Anfang Frühjahr 1944 liegt noch Schnee auf den Hügeln oberhalb des südtschechischen Dorfes Busanovice. Am Morgen des 5. März ist die Aufregung in dem kleinen Ort groß, der rund 50 Kilometer westlich von Budweis liegt. Ein deutsches Militärflugzeug war in der Nacht in der Nähe abgestürzt. Deutschland hatte das Land Anfang 1939 besetzt. Viele Schaulustige pilgerten zum Absturzort. Einer von ihnen: der damals neunjährige Jan Hnát. „Wir fuhren mit Skiern dahin. Das Flugzeug hatte eine lange Rinne in den Hügel gegraben. Es rutschte noch über dem Gipfel den verschneiten Osthang hinunter und zerbrach dann in mehrere Teile“, erinnerte er sich im Jahr 2020 an die Episode aus den Wirren des Zweiten Weltkrieges.
Von den drei Besatzungsmitgliedern hatte Funker Hugo Roth wie durch ein Wunder nur leichte Verletzungen davongetragen, doch die beiden anderen kamen ums Leben: der Pilot Adolf Schneider und der Mechaniker Alfred Otto. Otto starb damit nur eine Woche vor seinem 20. Geburtstag. Geboren wurde er laut Aufzeichnungen am 12. März 1924 in Geesthacht.
Im Zweiten Weltkrieg bei einem Flugzeugabsturz gestorben
Doch wer war Alfred Otto? Dieser Frage versucht der tschechische Archäologe und Historiker Jan Vladar auf den Grund zu gehen. Er erforscht Fälle von abgestürzten oder abgeschossenen Militärflugzeugen in seiner Region. „Es sind traurige Geschichten. Aber ich versuche zu dokumentieren, wie diese die tschechische und deutsche Geschichte beeinflusst haben“, sagt Vladar. Er sucht die Wracks und danach die Geschichte hinter dem Absturz. In Militärunterlagen und Archiven wie dem Bundesarchiv hat er schon einiges herausgefunden. Im Falle von Alfred Otto ist er nun jedoch auf Mithilfe angewiesen.
Vladar hätte am liebsten ein Foto von Otto, das dem Namen ein Gesicht verleiht, sowie andere Dokumente über dessen militärische Laufbahn. Angaben zur Person sind natürlich auch willkommen. Geesthachts Stadtarchivar Jan Klußmann, an den sich Vladar zuerst gewandt hatte, musste jedoch abwinken. „Im Standesamt konnte kein Geburtseintrag zu Alfred Otto ermittelt werden“, antwortete Klußmann.
Alfred Ottos Grabstein auf Altem Friedhof
Der Grabstein von Alfred Otto sollte derweil auf der Kriegsgräberstätte Geesthacht-Rosenblöcken, das ist der denkmalgeschützte Alte Friedhof, zu finden sein. Nämlich in Feld III, Reihe 7, Grab 132. Mit der Hilfe von Helmut Knust und Heinz Niemann von der Ortsgruppe des Heimatbunds und Geschichtsverein Geesthacht hat unser Redakteur den Grabstein ausfindig gemacht. Es ist ein schlichter rechteckiger Stein, auf dem lediglich Name sowie Geburts- und Sterbejahr stehen.
Allerdings handelt es sich dabei um ein Familiengrab, auf dem eine große Eibe steht und noch ein weiterer Findlingsgrabstein. Dessen Aufschrift „Bertha Kroll, 1867–1948“ ist gut zu lesen. Nur noch schwer zu entziffern ist „Hedwig Kroll“, die wahrscheinlich 1980 gestorben ist. Außerdem befindet sich noch eine alte Blumenschüssel mit einer Tagetes.
Eine Familie Otto wohnte 1928 in der großen Bergstraße
„Vielleicht haben diese Ottos ja in der Großen Bergstraße gewohnt. Ich habe in einem alten Geesthachter Adressbuch von 1928 eine Familie Otto gefunden“, sagt Helmut Knust. Die Große Bergstraße ist heute die Johannes-Ritter-Straße. Das sind jedoch auch schon alle Anhaltspunkte, die sich in Geesthacht bislang finden ließen.
Derweil hat Historiker Jan Vladar die Ereignisse ab dem Flugzeugabsturz recht ausführlich erforschen können. Etwa hat er aus einem Bericht der Luftflotte an das Oberkommando des Generalquartiermeisters, dass Treibstoffmangel die Ursache des Absturzes war. Bei dem Flugzeug handelte es sich um eine Dornier Do217J, einen Nachtjäger mit der Werknummer 1286. Demnach gehörte die Maschine zum IV. Nachtjagdgeschwader 101 – einer Ausbildungseinheit. „Kleine Metallsplitter des Flugzeugs sind heute noch an der Absturzstelle zu finden“, berichtet Vladar.
Absturz am 5. März 1944 gegen 2 Uhr
Im Dienstbuch der Gendarmerieposten in Predslavice notierte Oberwachtmeister Josef Rechousek am 5. März 1944 unter Eintrag Nr. 97, dass der Knecht Alois Riesveck ein notgelandetes Flugzeug gemeldet habe. Gemeinsam gingen sie zur Absturzstelle. Hinterher notierte der Oberwachtmeister: „Auf den Feldern bei Buschanowitz ist gegen 2 Uhr eine Nachtjagdmaschine Kennzeichen G3+TU - Marke Do 217 bei der Notlandung zerschlagen worden. Der Mechaniker Gefr. Alfred Otto und der Flugzeugführer Uff. Adolf Schneider sind ihren schweren Verletzungen erlegen. Der Funker Uffz. Hugo Roth erlitt nur eine leichte innere Verletzung und wurde ins Krankenhaus nach Strakonic transportiert.“
- 150 Jahre BZ: Der Zweite Weltkrieg – ein dunkles Kapitel unserer Zeitung
- Bergedorfs Alltag mit dem größten KZ in Norddeutschland
- Unruhe in Geesthacht: Als die Kommunisten putschten
Der damals neunjährige Jan Hnát erinnerte sich später ebenfalls noch daran, dass sich im Ort erzählt wurde, dass der überlebende Funker sich selbst aus dem Wrack befreit habe, um Hilfe zu holen. Und weiter: „Die Leichen der Verstorbenen wurden in der örtlichen Kapelle beigesetzt.“ Ob der Leichnam irgendwann nach Geesthacht überführt wurde, ist nicht bekannt.
Wer Angaben zu Alfred Otto machen kann oder den Verbleib von dessen Nachfahren kennt, meldet sich bitte bei dirk.schulz@bergedorfer-zeitung.de oder telefonisch unter 04152/83 88 21.