Mölln/Büchen. Der Bedarf wächst, doch Heime geben auf oder reduzieren ihre Betten. Mobile Beratung soll Pflegebedürftigen und Angehörigen helfen.
Eine ständig wachsende Zahl Pflegebedürftiger in einer immer älter werdenden Gesellschaft, massive Kostensteigerungen, die immer mehr Menschen ängstigen, dazu eine Bürokratie, die viele Betroffene und pflegende Angehörige überfordert: In seiner Sitzung am Donnerstag, 12. Oktober, berät der Ausschuss für Soziales, Bildung und Kultur des Kreises über eine personelle Verstärkung für den Pflegestützpunkt. Die Beratungsangebote an den verschiedenen Standorten sollen nicht nur gestärkt, zugleich sollen die Möglichkeiten mobiler Beratung ausgebaut werden.
Pflegenotstand: Beratung soll ausgeweitet weden
Dass die Zahl der Menschen, die zu Hause gepflegt werden, in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen ist, hat verschiedene Gründe. Neben Wünschen, die vertraute Umgebung nicht zu verlassen, zählt dazu die Kostenexplosion in Pflegeeinrichtungen. Die gesetzliche Pflegeversicherung hat seit ihrer Gründung nur einen Teil der Kosten getragen. Die Anhebung der Tarifgehälter mit dem Ziel, Abstand zum gesetzlichen Mindestlohn zu schaffen, und damit verbundene Kostensteigerungen haben die vergangenen Jahre zu Kostensprüngen von teils 20 Prozent und mehr geführt.
Die Eigenanteile betragen aktuell schon 2600 bis 2700 Euro, weiß Wiebke Hargens, Vorsitzende der Gemeinschaft Pflegeberatung. Diese betreibt im Lauenburgischen für den Kreis den Pflegestützpunkt, außerdem die Koordinierungsstelle Demenz. „Solche Rente hat kaum jemand.“ Bevor der Kreis als Sozialhilfeträger einspringen dürfe, so Hargens, „muss zuerst das eigene Häuschen verkauft werden und es werden auch die Kinder herangezogen“.
Neuer Trend: Pflege zu Hause, weil das Geld nicht reicht
Der Beratungsbedarf ist deutlich gestiegen, in Mölln und dem Nordkreis wie auch in den Beratungsstellen in Geesthacht, Schwarzenbek, Lauenburg und Wentorf. Ohne vorherige Terminanmeldung läuft hier kaum etwas. Der Beratungsstützpunkt möchte künftig mehr Sprechstunden auch in neuen, lokalen Anlaufstellen anbieten, bestätigt Kreissprecher Tobias Frohnert. Gedacht sei an die stundenweise Nutzung von Amtsstuben in Rathäusern und Verwaltungen, nicht an den Bau neuer Büroräume.
Doch dies ist nicht das einzige Problem. Angehörige tun sich häufig schwer, ihre pflegebedürftige Mutter oder ihren bettlägerigen Vater allein zu lassen, um eine Beratung aufzusuchen. Bislang kommen Berater nur in absoluten Ausnahmefällen in die Wohnungen von Pflegebedürftigen. Die Zeit sei knapp, bestätigt Wiebke Hargens. Dieses Angebot solle deutlich ausgeweitet werden. „Wir wollen beides tun, zusätzliche Stellen etwa in Ratzeburg und Büchen schaffen und zugleich die Beratung zu Hause deutlich ausweiten.“
Mobile Berater können helfen, Wohnungen behindertengerecht zu machen
Abgesehen davon, Betroffenen oder pflegenden Angehörigen teils weite Wege zu ersparen oder das Gespräch überhaupt erst möglich zu machen, böten Hausbesuche einen weiteren großen Vorteil, sagt Hargens. Die Experten des Pflegestützpunktes könnten zugleich wertvolle Tipps mit Blick auf die Wohnsituation geben: „Das reicht von der Entschärfung von Stolperfallen, etwa Teppichen, die zu Stürzen und schlimmen Verletzungen führen können. Und endet bei Hilfestellung, wenn etwa ein Bad behindertengerecht umgebaut werden muss, samt der Unterstützung, Geld dafür zu beantragen.“
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Wie drängend das Problem ist, erfährt die ehrenamtliche Vorsitzende der Gemeinschaft Pflegeberatung immer wieder aus erster Hand. Der Pflegenotstand wird immer größer. „Erst Dienstag hat mich eine Frau angerufen und um Hilfe bei der Suche nach einem Pflegeplatz gebeten. Ansonsten müsse sie nach Schwerin.“
Nach Schwerin ins Heim? Pflegenotstand verschärft sich
Während die Bevölkerung zunehmend älter wird, sinken die Pflegekapazitäten, weiß Hargens. Nicht genug, dass ambulante Pflegedienste aufgeben und Pflegeheime schließen, weil sie immer tiefer in die roten Zahlen geraten. „Von den Heimen, die weitermachen, reduzieren viele ihre Bettenkapazitäten auf teilweise nur noch 60 Prozent, weil ihnen für mehr das notwendige Personal fehlt.“
In öffentliche Sitzung berät heute der Sozialausschuss in Mölln im Don-Bosco-Haus (Pater-Lenner-Weg 1). Von 17.30 Uhr an geht es unter anderem um zweieinhalb zusätzliche Stellen für den Pflegestützpunkt und einen zweiten Dienstwagen für mobile Einsätze.