Lauenburg. Eigentlich schien alles klar, die Politik hatte sich endlich geeinigt. Jetzt sorgt das Einzelhandelskonzept für Zeitverzögerung.

Wäre es nicht so traurig, könnte Marktriese Famila am Standort Lauenburg im nächsten Jahr ein Jubiläum feiern. Seit dann 20 Jahren bemüht sich der Konzern darum, am jetzigen Standort an der Mecklenburger Straße einen Anbau zu errichten. In all den Jahren diskutierte die Lauenburger Politik das Für und Wider dieses Vorhabens. Die Befürchtung: Die neue Anziehungskraft des Famila Marktes könnte zum endgültigen Kollaps der Innenstadt führen.

Im Dezember 2021 endlich der Durchbruch: Nachdem sich Famila von einigen ursprünglich geplanten Warengruppen verabschiedet hatte, holte die Verwaltung eine landesplanerische Stellungnahme zu dem Vorhaben ein. Von dort gab es schließlich grünes Licht. Los ging es damit trotzdem nicht. Denn die Landesplaner stellten eine Bedingung: die Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes für Lauenburg. Dieses Gutachten liegt jetzt vor. Der Bau- und Planungsausschuss berät darüber am Montag, 9. Oktober. Die Sitzung beginnt um 19 Uhr im Haus der Begegnung, Fürstengarten 29.

Lauenburg: Neue Hürden für Erweiterungsbau von Famila

Dass diese Fortschreibung für Famila ein Selbstgänger werden würde, war nicht zu erwarten. Schließlich hatten die Gutachter des Hamburger Büros bulwiengesa in der ursprünglichen Fassung deutlich empfohlen, dass die Stadt den Erweiterungsplänen von Famila eine Absage erteilt. Im Mai vergangenen Jahres legte Famila den angepassten Plan für den Erweiterungsbau vor. Neben dem bestehenden Markt soll es dann fünf weitere Geschäfte geben, unter anderem für Möbel, Tierbedarf, Schuhe und ein Kaufhaus der kleinen Preise. Ursprünglich sollten im Erweiterungsbau von Famila auch Drogeriewaren angeboten werden. Doch das ist vom Tisch.

Die fünf geplanten Ladengeschäfte im Erweiterungsbau haben insgesamt eine Verkaufsfläche von rund 3000 Quadratmetern. Außerdem soll es nach Fertigstellung auf dem Famila-Gelände 76 weitere Stellflächen geben, die dem Neubau zugeordnet werden. „Den Bauantrag werden wir unverzüglich nach Abschluss des Planänderungsverfahrens stellen“, versicherte Christian Lahrtz, Geschäftsführer von Famila-Nordost damals gegenüber unserer Zeitung. Er ging seinerzeit davon aus, den Erweiterungsbau in diesem Jahr eröffnen zu können. Aber nach einer schnellen Umsetzung des Projektes sieht es im Moment derzeit ganz und gar nicht aus. Bisher gibt es nicht mal einen überarbeiteten Entwurf des Bebauungsplanes.

So sieht der geplante Erweiterungsbau (rosa) von Famila aus
So sieht der geplante Erweiterungsbau (rosa) von Famila aus © famila | famila

Geltender Bebauungsplan stammt aus dem Jahre 2006

Die Gutachter von bulwiengesa beziehen sich in ihrer neuen Bewertung der Situation auf den nach wie vor geltenden Bebauungsplan Nr. 64 „Zwischen Juliusburger Landstraße und Lütauer Chaussee“ vom März 2006. Damals hatte die Politik den Plänen von Famila beim Sortiment Schuhe, aber auch für ein Kaufhaus mit Waren zu kleinen Preisen eine deutliche Absage erteilt. Doch die Situation war eine andere als heute: In der Innenstadt gab es mit dem Kaufhaus Grammerstorff und mit Armbruster zwei Schuhfachgeschäfte sowie das Kleinkaufhaus Kloppenburg.

Das letzte Schuhgeschäft in Lauenburg hat vor über zwei Jahren dichtgemacht. Doch für die Gutachter sind die Ausführungen im B-Plan solange relevant, bis der Katalog der innenstadtrelevanten Sortimente nicht geändert wird. Damit beißt sich die Katze in den Schwanz, denn die Politik hatte im März dieses Jahres beschlossen, den B-Plan nach Vorlage des neuen Einzelhandelskonzeptes ändern und als Satzung beschließen zu wollen.

Standort für Fußgänger und Radfahrer schlecht erschlossen

Auch den Landesentwicklungsplan (LEP) führen die Gutachter ins Feld. Demnach könnten bestimmte Sortimentserweiterungen von Famila zwar toleriert werden, aber das sei nur dann zulässig, wenn der Standort siedlungsstrukturell integriert wäre. Hinter der etwas sperrigen Formulierung steht die Feststellung, dass der Markt schon jetzt für die 1600 Einwohner im 700-Meter-Radius zu Fuß oder mit dem Fahrrad schlecht erreichbar ist.

Mit dem geplanten L-förmigen Neubautrakt würde sich die Situation eher noch verschlechtern, da heute vorhandene, fußläufige Verbindungswege abgeschnitten würden. Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass weder die Planung von Famila diesbezüglich Verbesserungen vorsehe und auch die Stadt selbst nicht plane, die Barriere der Lütauer Chaussee zu überwinden und den Standort damit fußläufig anzubinden. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Stadt das benachbarte ehemalige Gewerbegebiet in ein Mischgebiet mit überwiegend Wohnbebauung entwickeln will. Durch die schlechte Anbindung „bleibt der Lagecharakter eines nicht ausreichend integrierten Standortes im Grundsatz erhalten“, schreiben die Gutachter.

Stadt soll Liste der „verbotenen“ Sortimente neu definieren

Trotz aller Bedenken sieht das Gutachten einen gewissen Spielraum für die Sortimentserweiterung von Famila vor. So könnte ein Schuhfachmarkt bei Famila wirtschaftlich tragfähig sein, da es mittlerweile keinen Mitbewerber mehr in Lauenburg gibt. Allerdings müsste die Stadt zuvor die Liste der „verbotenen“ Sortimente neu definieren. „Es ist nicht plausibel, ein in der Innenstadt nicht mehr verfügbares Sortiment einerseits weiterhin als zentrumsrelevant einzuordnen, andererseits jedoch sämtliche nachweisbare Tragfähigkeitsspielräume dieses Sortiments an einem dezentralen Standort zu absorbieren und damit die Umsetzung des Standortkonzeptes unmöglich zu machen“, schreiben die Gutachter.

Das von Famila geplante Kleinpreiskaufhaus sehen die Gutachter in einer gewissen Konkurrenz zum Discounter Tedi an der Berliner Straße. Aus Sicht der Experten wäre im Famila-Anbau allenfalls ein Aktionskaufhaus mit temporären Angeboten tolerierbar. Dass neben dem „Futterhaus“ an der Berliner Straße bei Famila ein zweites Geschäft für Tierbedarf entsteht, zweifeln die Gutachter an. Gleiches gilt für das geplante Einrichtungsgeschäft, was in Konkurrenz zum Fachmarkt „Jysk“ am Rande der Innenstadt treten könnte.

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