Lauenburg. Nachfrage nach Bauland groß. Gewerbegebiet Nord soll überwiegend als Wohnbaufläche umgewidmet werden.

Selten kann man einem Stau etwas Gutes abgewinnen. Doch es gibt Ausnahmen. Die Verwaltung hatte am Freitagabend Lauenburgs Politiker zu einer Klausurtagung zur Stadtentwicklung eingeladen. Auch ein öffentlicher Teil war geplant: Jens Nußbaum vom Dortmunder Büro Stadt+Handel war für ein Impulsreferat angekündigt, das sich mit der Zukunft der Innenstädte befasst. Doch der Experte aus dem Ruhrgebiet stand im Stau. Bürgermeister Andreas Thiede zog also seinen eigenen Beitrag vor – die rund 20 Lauenburger ohne politisches Mandat durften dennoch bleiben. Der Verwaltungschef übersprang lediglich einige Folien seiner Präsentation.

Viele Familien wollen in Lauenburg ihren Lebensmittelpunkt finden

Aber auch so sorgte Thiede mit einer neuen Idee für eine faustdicke Überraschung: Die Stadt will den vielen Familien, die in Lauenburg ihren neuen Lebensmittelpunkt finden wollen, Bauland anbieten. „Im Wohngebiet Birnbaumkamp waren die 140 Grundstücke in kurzer Zeit vergeben. Es gibt eine Liste von 700 Bewerbern, die leer ausgingen“, berichtete er. Weil aber Lauenburg für derartige Vorhaben kaum noch geeignete Flächen habe, solle dafür das Gewerbegebiet Nord in großen Teilen umgewidmet werden.

Mit dieser Idee könnte die Stadt gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Seit 2014 gibt es immer neue Anläufe, das Gewerbegebiet im Norden der Stadt zu vermarkten. Während in anderen Städten des Kreises die Gewerbeflächen knapp sind, tut sich in Lauenburg so gut wie nichts. In dem etwa 21 Hektar großen Areal hat sich bisher nur die Firma Endomedical niedergelassen. Zwar war immer mal wieder von geplanten Ansiedlungen von Unternehmen die Rede, doch der große Wurf blieb bisher aus.

Insbesondere die Lage an der Grenze zu Mecklenburg-Vorpommern macht es Lauenburg nach wie vor nicht einfach: Im Nachbarland gibt es für ansiedlungswillige Unternehmen Fördermittel von bis 55 Prozent der Investitionskosten.

Gewerbesteuer steigt, Einkommenssteuer dümpelt vor sich hin

Kann es sich Lauenburg denn leisten, Unternehmen nicht mehr den roten Teppich auszurollen? Thiede hatte dazu zwei Folien vorbereitet. Während die Kurve für Gewerbesteuer dank der vier Großunternehmen kontinuierlich ansteigt, sinkt der Rückfluss aus der Einkommenssteuer der Bevölkerung derzeit drastisch. Ablesbar ist das auch aus dem sogenannten Kaufpreisindex, der auf dem Nettoeinkommen der Bevölkerung beruht. Dieser liegt im Bundesdurchschnitt bei 100. Der Wert für den Kreis Herzogtum Lauenburg liegt in diesem Jahr bei 105,3. Die Stadt Lauenburg hat einen Kaufpreisindex von 85,2.

Dieser Parameter ist übrigens für Handelsketten, aber auch für eigentümergeführte Geschäfte eines der wichtigsten Entscheidungskriterien für eine eventuelle Ladeneröffnung in einer Stadt. „Wir brauchen den Zuzug von Menschen mit gutem Einkommen. Also müssen wir uns doch fragen: Ist das Bereitstellen von Wohnbauflächen nicht die bessere Art der Wirtschaftsförderung?“ Weder die Politiker noch die Zuschauer widersprachen ihm in der anschließenden Diskussion. Die Idee sei eine gute Chance für die Stadt, so der allgemeine Tenor.

Fünf Hektar Gewerbefläche sollen erhalten bleiben

Noch ist unklar, ob auf dem Areal Einfamilienhäuser, Doppelhäuser oder Stadtvillen entstehen. Auch wer Träger des Projektes werden soll, steht noch nicht fest. Möglich, dass die Stadtbetriebe – eine 100-prozentige Tochter der Stadt – das Vorhaben selbst in die Hand nimmt. „Das hängt von vielen Parametern ab, aber wir können das“, deutete der Vorstandsvorsitzende Joachim Schöttler am Rande der Veranstaltung an. Klar ist: Nicht die gesamte Fläche soll als Wohngebiet umgewidmet werden. Fünf Hektar werden weiter als Gewerbegebiet ausgewiesen. Verträge könnten sofort unterschreiben werden, versicherte Thiede. Namen nannte er nicht – eine der Folien, die er bei seiner Präsentation übersprang.

Von einer Vision ging es dann zur nächsten: Jens Nussbaum, mittlerweile eingetroffen, beschrieb, welche Chancen die Innenstadt unter heutigen Bedingungen hat. Wie bisher das Gewerbegebiet gehört das Stadtzentrum zu den Sorgenkindern Lauenburgs.