Ratzeburg. Zur Kreistagswahl treten die Sozialdemokraten mit zwei Spitzenkandidaten aus dem Süden an. Ihre Ziele sind hoch gesteckt.

Mit ihrem Wahlprogramm zur Kreistagswahl am 14. Mai probt die SPD im Herzogtum Lauenburg den Spagat: Einerseits soll die Region bewahrt und mit Augenmaß entwickelt werden, andererseits soll sich der Kreis moderner aufstellen, um im Wettbewerb zu bestehen. Wirtschaftliche Fortentwicklung, Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs wie auch bezahlbarer Wohnraum, die Stärkung der Pflege für Senioren und modernere Strukturen in der Verwaltung sind dabei aus Sicht der SPD zentrale Punkte. Eines wollen die Sozialdemokraten nicht – in wichtigen Punkten vor vollendete Tatsachen gestellt werden.

Wahlprogramm: ÖPNV stärken und bezahlbaren Wohnraum schaffen

„Die Entscheidung, die Geburtshilfe im Krankenhaus Ratzeburg zu schließen, hat uns überrascht“, bekennt Manfred Börner, Kreisvorsitzender der SPD. Die Begründung habe zusätzlich erschreckt: „War es wirklich der Mangel an Ärzten und Hebammen, der den Ausschlag gegeben hat?“

Zwar sei das Land für den Krankenhausbedarfsplan zuständig, doch gelte es, gegenzuhalten, warnt SPD-Fraktionschef Jens Meyer mit Blick auf die Bundesregierung. „Wenn wir nichts tun, werden die Geburtshilfen von Berlin weggespart“.

Sei für den Erhalt ein höherer Versorgungslevel gefordert, müsse der eben erreicht werden. „Der SPD-Antrag zum Erhalt der Geburtshilfe in Geesthacht ist einstimmig angenommen worden“, so Meyer. Eine Lösung könne sein, für die Zukunft ein gemeinsames Dach zu entwickeln. Langfristig strebt die SPD eine Rekommunalisierung der Krankenhäuser im Kreis an, so das Wahlprogramm. „Profitorientierung darf nicht über einer guten und menschenwürdigen Gesundheitsversorgung stehen.“

Spitzenduo kommt aus dem Südkreis

Zur Kreistagswahl tritt die SPD im Herzogtum mit zwei Spitzenkandidaten aus dem Süden an. Gitta Neemann-Güntner und Jens Meyer sind fast Nachbarn. Die Nummer eins der Liste ist eine arrivierte Sozialpolitikerin und in Büchen zu Hause, Jens Meyer lebt in Lauenburg, wo er seit vielen Jahren SPD-Fraktionsvorsitzender in der Stadtvertretung ist. Diese Funktion will er auch im Kreistag verteidigen.

Neemann-Güntner tritt an, nach langjähriger Abstinenz der SPD der Union den Posten des Kreispräsidenten abzujagen. Wobei die SPD einen großen Stimmenzuwachs erreichen müsste, um die CDU als stärkste Fraktion im Kreistag abzulösen. Bei den Wahlen 2018 lagen die Sozialdemokraten elf Prozent hinter der Union und nur 6,7 Prozent vor den Grünen.

SPD ist „grüner als die Grünen“

Die bieten aus Sicht führender Genossen reichlich Angriffsfläche: In der Koalition mit der CDU hätten die Grünen weiter an Profil verloren. „Mit unseren Forderungen, die Kreisforsten klimastabil umzubauen sind wir grüner als die Grünen“ so Neemann-Güntner. Die sollen erneut gezwungen werden, Farbe zu bekennen. „Ein Antrag, einen Waldbeirat einzurichten, ist in Vorbereitung.“ Das Gremium soll mit Experten und Naturschützern den Umbau des großen kreiseigenen Waldes begleiten.

Auch für ÖPNV und Fahrradverkehr müsse deutlich mehr geschehen als in der vergangenen Wahlperiode. Das SPD-Wahlprogramm fordert, den Radwegebau zwischen den Orten zu forcieren, auch an Landes- und Bundesstraßen. Das nutze auch dem Tourismus im Kreis.

ÖPNV auf dem Lande ist weiter eine Katastrophe

Der öffentliche Nahverkehr im ländlichen Raum sei weiterhin „eine Katastrophe“, kritisiert Neemann-Güntner. Sie fordert, ausgetretene Pfade zu verlassen. Nicht jede Lösung müsse viel Geld kosten. „Wir brauchen Angebote wie Anrufsammeltaxen, um den Bedarf in der Fläche zu befriedigen, nicht den zehnten Zusatzbus der Autokraft.“

Zukunftsfähiger Verkehr mit Busanbindungen im Stundentakt für die Dörfer ist aus Sicht der Kreis-SPD ebenso wichtig wie die wirtschaftliche Entwicklung und bezahlbarer Wohnraum. Wer nicht zuschauen wolle, wie junge Menschen abwanderten, müsse Sorge tragen, dass sie hochwertige Ausbildungs- und Arbeitsplätze finden, sagt Neemann-Güntner, etwa im Bereich erneuerbare Energien. Mit der kreiseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft WfL und der Initiative Hansebelt könne man daran arbeiten. Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass weitere Parameter eine Rolle spielen.

Wenn der Bus nur einmal täglich fährt

„Wenn ich nur einmal am Tag mit dem Bus mein Dorf verlassen kann, schreckt dies ebenso ab wie der Mangel an günstigem Wohnraum“, mahnt die Spitzenkandidatin. Wer junge Menschen im Kreis halten wolle, müsse bezahlbare Angebote für Auszubildende und auch Studenten machen.

Neben Ausbau und Verbesserungen in Pflegeheimen und Kurzzeitpflegeangeboten, steht für die SPD eine stärkere Berücksichtigung von Kindern und Jugendlichen oben auf der Agenda. „Es reicht nicht, über sie zu reden, wir müssen mit ihnen reden“, fordert Börner. Jugendliche müssten besser in sie betreffende Entscheidungen einbezogen werden. „Doch im gesamten Kreis gibt es nur drei Kommunen mit einem Jugendbeirat.“

Die Jugend kann im Herzogtum kaum mitreden

Schwarz-Grün zeige im Kreis insgesamt wenig Bereitschaft zur Kommunikation, übt Jens Meyer Generalkritik. Während etwa im Nachbarkreis Stormarn in Haushaltsberatungen nach Kompromissen gesucht werde und Entwürfe häufig in großer Einmütigkeit beschlossen würden, passiere im Herzogtum das Gegenteil. „Doch das Modell Koalition gegen Opposition ist keines für die Kommunalpolitik, das sind Gespräche und die gemeinsame Suche nach Konsens.“

Die Konsolidierung des defizitären Kreishaushaltes vor einem guten Jahrzehnt sei nur gelungen, weil gemeinsam nach Lösungen und Kompromissen gesucht wurde, so Meyer. „Es ist besser, sich die Argumente aller anzuhören, anstatt arrogant durchzuregieren.“