Lauenburg/Geesthacht. Die Mobilitätsstrategie 2035 ist auf dem Weg. Bürger werden befragt, Experten bewerten Situation im Herzogtum Lauenburg.

Es gibt kaum eine Stadt oder Gemeinde, keinen Kreis und kein Bundesland, wo derzeit nicht über die Mobilitätswende diskutiert wird. Sie theoretisch zu erörtern, Ziele zu definieren, ist die eine Sache. Konkrete Schritte zu gehen, damit sie vorankommt, ist eine andere. Der Ausschuss für Regionalentwicklung und Mobilität des Kreises Herzogtum Lauenburg wird kommende Woche zusammentreten, um beides miteinander zu verknüpfen.

Auf der Tagesordnung am Dienstag, 31. Januar, steht ein Bericht zum Stand der Mobilitätsstrategie für 2035 ebenso wie ein „Trassenbündnis“ um einen Radschnellweg zwischen Geesthacht und Hamburg voranzutreiben. Die Politik soll in der Feuerwehrzentrale Elmenhorst (Lankener Weg 26, Beginn: 17.30 Uhr) darüber beschließen, dass der Kreis Herzogtum Lauenburg die Federführung für die Realisierung übernimmt und einen Teil der Kosten trägt.

Radschnellweg zwischen Hamburg und Geesthacht kostet den Kreis 1,9 Millionen Euro

Die Baukosten für den Radschnellweg im Kreisgebiet sind auf etwa 15 Millionen Euro veranschlagt. Die Realisierung solle erst in Angriff genommen werden, „wenn eine Förderung von mindestens 75 Prozent sichergestellt ist“, empfiehlt die Verwaltungsvorlage.

Die Partner im Trassenbündnis müssten dann noch etwa 3,75 Millionen Euro tragen. Bei einer Kostenübernahme von etwa 50 Prozent bleiben dann „1,875 Millionen Euro für den Kreis, die sich allerdings über fünf bis zehn Jahre verteilen würden“.

Zudem wird in öffentlicher Sitzung über das Projekt ÖVerKAnT berichtet. Der Bund gibt gut 16 Millionen Euro, um den öffentlichen Nahverkehr im Hamburger Umland zu fördern. Hauptziel: Mehr Menschen zum Umsteigen auf den ÖPNV bewegen, damit den Kohlendioxid-Ausstoß nachhaltig verringern. Dafür sollen Takte verdichtet und Betriebszeiten verlängert werden. Dazu kommt die Förderung neuer Schnellbuslinien sowie von Stadtbuslinien wie in Schwarzenbek.

Schwarzenbeks Stadtbusse fahren bald elektrisch

„Erstmalig wird im Kreis Herzogtum Lauenburg als auch in Stormarn ein kompletter Stadtverkehr mit emissionsfreien Elektrobussen etabliert“, blickte Toralf Müller, Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe Hamburg Holstein, in die Zukunft. Bis die E-Busse geliefert werden, fahren in Schwarzenbek gemietete Diesel-Kleinbusse.

Zur Erarbeitung der Mobilitätsstrategie 2035 sind im Kreis bereits einige Schritte erfolgt. So wurde ein Beirat aus Vertretern von Politik und Verwaltung, Experten sowie Interessenvertretern gegründet. In einer Mobilitätswerkstatt – eine zweite wurde verschoben – sowie einer Online-Befragung im vergangenen Herbst hatten Bürger die Chance, ihre Vorstellungen und Wünsche einzubringen. Viele machten davon auch Gebrauch.

Bevölkerung in Geesthacht und am Hamburger Stadtrand wächst

Für die Betreuung des Prozesses hat der Kreis die Berliner Interlink GmbH gewonnen, die das Verfahren nicht nur begleitet, sondern auch die notwendigen Grundlagen zusammengetragen hat. Dazu zählen Bevölkerungsverteilung und -Entwicklung. Die Prognosen gehen davon aus, dass die Bevölkerung am Hamburger Stadtrand um bis zu zehn Prozent weiter zunimmt.

Deutliches Wachstum wird auch für Geesthacht prognostiziert. Anders Lauenburg mit nur etwa zwei Prozent Plus. In der Fläche besonders im dünner besiedelten Norden sagen Experten ein Schrumpfen der Bevölkerung voraus.

Im Zentrum der Betrachtung stehen vorhandene Verkehrsverbindungen ebenso wie Lücken im Bus- und im Radwegenetz. Wobei die Zielrichtung klar in der Förderung des öffentlichen Nahverkehrs sowie des nicht motorisierten Verkehrs liegt.

Einige Menschen wollen weiterhin eigenes Auto besitzen

Zugleich wird aber den Realitäten in einem Flächenkreis Rechnung getragen. Setzen Planungsbüros für deutsche Metropolen und Ballungsräume auf einen deutlich sinkenden motorisierten Individualverkehr, nehmen sich die Verantwortlichen im Kreis Herzogtum Lauenburg zum Ziel, Radverkehr und ÖPNV zu stärken. „Ein Ansteigen von sieben auf vielleicht 15 Prozent öffentlicher Personennahverkehr wäre ein toller Erfolg“, sagt Robert Hänsch von der Interlink GmbH in Berlin.

Der von manchen Verkehrsplanern für Großstädte postulierte Viertel-Split von ÖPNV, Radverkehr, Fußverkehr und motorisiertem Individualverkehr sei kein Maßstab. Nicht nur, „weil es Menschen gibt, die weiterhin mit dem eignen Auto unterwegs sein wollen“, sagt Hänsch.

Es mangele jenseits der Städte an Optionen, in der Fläche fehlten vielerorts die Voraussetzungen und Anreize, das Verkehrsmittel zu wechseln, so der Projektleiter für die Mobilitätsstrategie 2035. „Träumereien helfen uns nicht weiter.“

Die Experten sehen dennoch gute Chancen, das Umsteigen zu fördern. Modal Split oder Intermodale Nutzung (IN) lauten die Zauberworte. Wenn ein ÖPNV-Angebot zeitlich nicht mithalten könne, müsse ein besserer Übergang vom Individualverkehr auf Busse oder Bahnen organisiert werden.

Wer ÖPNV fördern will, muss auch Parkplätze für Pkw und Fahrräder schaffen

Ohne IN können im Kreisgebiet nur auf fünf Teilstrecken ÖPNV-Nutzer mit dem Individualverkehr einigermaßen mithalten, so etwa auf den Bahnstrecken Hamburg – Schwarzenbek und Büchen – Lübeck. Mit IN verdreifacht sich die Zahl der Verbindungen beinahe, schließt Schwarzenbek – Lübeck ebenso mit ein wie Mölln – Hamburg.

„Wer den ÖPNV fördern will, muss auch die Verknüpfung vorantreiben“, stellt Hänsch klar. Das bedeutet auch, Abstellmöglichkeiten für Pkw und Fahrräder zu schaffen. Wer mit der Parkplatzsuche um seinen Bahnhof oder ZOB viel Zeit vertue, belaste die Umwelt. Und entscheide sich im Zweifelsfall das nächste Mal doch, gleich mit dem Auto ans Ziel zu fahren.

Bis März 2023 erfolgt der Stadtbusverkehr in Schwarzenbek noch mit Diesel-Bussen, danach wird auf E-Busse umgestellt.
Bis März 2023 erfolgt der Stadtbusverkehr in Schwarzenbek noch mit Diesel-Bussen, danach wird auf E-Busse umgestellt. © MarcusJürgensen

Von den gut 203.000 Menschen, die im Kreis Herzogtum Lauenburg leben, wohnt die Mehrheit nahe den Hansestädten Hamburg und Lübeck. Die Hälfte lebt in urbanen Zentren, aber knapp ein Viertel im ländlichen Raum. Dort einen der selten fahrenden Busse zu nutzen, um zum nächsten Bahnhof zu gelangen, sei für viele Pendler aufgrund des Zeitverlustes keine Option.

46.000 Menschen arbeiten außerhalb des Kreises

Rund 46.000 Menschen pendeln aus dem Kreis zu ihren Arbeitsorten, nur gut die Hälfte nach Hamburg. Große Bedeutung haben auch der Nachbarkreis Stormarn mit etwa 8700 sowie die Hansestadt Lübeck mit etwa 5400 Auspendlern. Umgekehrt kommen nur etwa 19.000 Menschen von außerhalb in den Kreis, um hier zu arbeiten.

Als Schwächen beziehungsweise Optionen für die Zukunft steht in den vorliegenden Papiere die Schaffung von Carsharing, Anrufsammeltaxen, Demand-Angeboten und Bürgerbussen besonders in der Fläche. Zudem die Vermittlung von E-Bikes und Lastenrädern. Ziel: Einkaufen und Besorgungen ermöglichen, ohne dass das eigenen Auto gestartet werden muss.

Wer auf den eigenen Pkw verzichtet und stattdessen auf Carsharing setzt, fährt nach aktuellen Berechnungen bis etwa 10.000 Kilometer im Jahr damit kostengünstiger als mit den eigenen vier Rädern.