Stelle. Austernfischer brüten auf künstlicher Insel im Steller See. Eine Wildkamera liefert mal glückliche, mal dramatische Momente.

Sie gehören zu den auffälligsten Küstenvögeln: Austernfischer haben ein schwarzweißes Gefieder, rote Schnäbel, Augen und Beine, machen gellende Rufe, die oft in Gezeter münden. Längst brüten die Vögel auch im Hamburger Raum. Zum Beispiel auf dem Steller See.

Dort hat ihnen die Stiftung Lebensraum Elbe zwei künstliche Kiesinseln angelegt. Auf einer dokumentiert eine Wildkamera gerade das Familienglück eines Austernfischer-Paares. Manche Naturfreunde warten ungeduldig auf die tägliche Folge der Vogel-Soap im eigenen YouTube-Kanal.

Austernfischer auf Youtube: Liebesspiel, fremdes Ei im Nest, diebische Möwe

Seit Anfang März steht die Insel unter konstanter Video-Beobachtung. Auf ihr gibt es eine Trinkschale, und sie ist umzäunt, damit die Küken nicht ins Wasser fallen. Weder Fuchs, Katze noch Ratte können den Bruterfolg vereiteln. Es gibt auch keine Hochwassergefahr. Alles könnte so schön sein, wenn nicht auch andere Vögel auf die Insel scharf wären.

Die tierische Seifenoper beginnt Mitte April, als die Kamera das Liebesspiel des Paares aufnnimmt. Am 17. April streiten sich zwei Bachstelzen um das schwimmende Eiland, ziehen dann aber wieder ab. Am selben Abend legt eine Kanadagans ein Ei in den Kies. Noch in der Nacht schafft eine Silbermöwe klare Verhältnisse und stiehlt das Gänse-Ei.

Am 19. April und 21. April kommen mehr als ein Dutzend Rauchschwalben vorbei, um sich auszuruhen, die Austernfischer sind nicht zu sehen. In dieser Zeit entsteht allmählich ein Gelege aus vier Eiern. In der Brutzeit kommen immer mal wieder gefiederte Gäste auf den kleinen Ponton.

Familienglück: Vier Küken schlüpfen, Regenwürmer als Babykost

Am 6. Mai gibt es Streit mit zwei Kanadagänsen, die der viel kleinere Austernfischer tapfer in die Flucht schlägt. Am 18. Mai verjagt das brütende Elterntier (bei Austernfischers brüten Männchen und Weibchen) ebenso entschlossen ein Nilgans-Paar.

Ein Austernfischerpaar mit Nachwuchs auf seiner schwimmenden Insel.
Ein Austernfischerpaar mit Nachwuchs auf seiner schwimmenden Insel. © Henrik Hufgard | Henrik Hufgard

Ab und an gibt es Seegang auf der Insel, weil starker Wind die Wasseroberfläche aufwühlt. Dann endlich, nach 28 Bruttagen voller Aufregung wegen der Störenfriede, wird das Kamera-Tagebuch zur Familienserie: Am 19. Mai schlüpften die Küken. Kaum aus dem Ei gepellt, werden die ersten beiden Küken mit einem Regenwurm konfrontiert – das Futter ist länger, als sie groß sind.

Am 20. Mai laufen drei Geschwister bereits putzmunter über den Kiesbelag. Einen Tag später sind alle vier unterwegs. Die braun-weißen Flauschbälle kommen sofort, wenn ein Elterntier die schwimmende Insel anfliegt und streiten sich anschließend um das Futter – die übliche Zankerei unter Geschwistern.

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Nach sechs bis sieben Folgen sind die Jungen schon flügge

Eine Woche nach dem Schlüpfen sind die Kleinen deutlich gewachsen. Und sie sind immer noch zu viert. Weder ein Raubvogel noch sonstige Feinde haben sich bislang ein Küken geschnappt. Nach sechs bis sieben Wochen sind die Küken flügge und werden ihren behüteten Brutplatz allmählich verlassen. Wie es bis dahin mit der Familie weitergeht, ist unter www.youtube.com/@StiftungLebensraumeElbe/videos zu verfolgen.

Die künstliche Brutinsel ist eine von vier Vogelinseln, die die Stiftung Lebensraum Elbe im Februar 2022 in der Seeveniederung installiert hat, je zwei im Steller See und im Junkernfeldsee. Die Stiftung hat am Unterlauf der Seeve verschiedene Naturschutzmaßnahmen durchgeführt, um insbesondere die Vogelwelt, aber auch die dort zahlreich blühenden Schachblumen weiter zu fördern.

Für scheue Wiesenvögel wie den Kiebitz wurden am Junkernfeldsee Gehölze entfernt, die Fressfeinden wie dem Fuchs Deckung bieten – die brütenden Vögel schätzen den Weitblick, um heranschleichende Gefahren rechtzeitig erkennen zu können. Gleichzeitig können Naturfreunde die Wiesenvögel besser betrachten. Seit Frühjahr 2023 am besten an der neuen Beobachtungsstation „Kiwittluken“.