Marschacht. Großprojekt in der Elbmarsch soll die Landschaft gegen Dürre-Phasen wappnen. Dafür müssen zwei Elbabschnitte wieder vereint werden.
- Der Umbau des niedersächsischen Deichvorlandes ober- und unterhalb des Wehrs kostet insgesamt etwa 9,2 Millionen Euro.
- Bundesumweltministerin Steffi Lemke übergab einen Zuwendungsbescheid in Höhe von fast sieben Millionen Euro.
- Die konkreten Planungen können jetzt beginnen. Die ersten Bagger rollen voraussichtlich zum Jahresende 2026.
Die Elbe wird barrierefrei. Bislang teilt das Geesthachter Wehr die Elbe in zwei Abschnitte: Oberhalb der Staustufe endet das Flussökosystem der Mittelelbe, unterhalb die Tideelbe mit ihren im Takt der Gezeiten wechselnden Wasserständen. Ein großes Naturschutzprojekt will die Trennung überwinden. Nun ist das Projekt „Auenland Elbmarsch“ gestartet.
Dafür war in der vergangenen Woche extra Bundesumweltministerin Steffi Lemke mit einer Urkunde angereist, die das Großprojekt überhaupt erst möglich macht: ein sogenannter „Zuwendungsbescheid“ in Höhe von 6,9 Millionen Euro.
Einem etwa vier Kilometer langer Wiesenbach soll entstehen
Den überreichte sie Elisabeth Klocke, geschäftsführende Vorständin der Stiftung Lebensraum Elbe (SLE). Die Hamburger Stiftung, gespeist durch fünf Prozent der eingenommenen Hafengelder, führt Naturschutzmaßnahmen entlang der Tideelbe durch. Der Umbau des niedersächsischen Deichvorlands ober- und unterhalb des Wehrs ist ihr bislang größtes Einzelprojekt mit Gesamtkosten von 9,2 Millionen Euro. Sie selbst trägt 2,3 Millionen Euro bei.
Insgesamt 105 Hektar (fast 150 Fußballfelder) stehen zur Verfügung, um eine ökologische Umgehung der Staustufe zu gestalten, die weit mehr ist als eine großangelegte Fischtreppe. „In den nächsten sechs Jahren möchten wir einen vorhandenen Graben in den Elbwiesen am Wehr zu einem etwa vier Kilometer langen, naturnahen Wiesenbach entwickeln. Er soll von Teichen und Tümpeln begleitet werden. Außerdem sollen die Wiesen feuchter werden. Dadurch wird die Entwicklung wertvoller Tide- und Auenlebensräume gefördert“, sagte Klocke.
Ende 2026 soll der Umbau der Flussnatur starten
„Wir beginnen jetzt mit der konkreten Planung“, so die Naturschutzexpertin. Sie rechnet mit einem Baustart Ende 2026. Dann werden, ähnlich wie 2019/20 in der Luhe-Niederung, die Bagger anrücken und den Naturraum großflächig umbauen. „Wir werden zunächst den Anschluss an die Tideelbe herstellen, damit das Wasser ablaufen kann“, sagt Klocke. „Anschließend wird die Mittelelbe angeschlossen, so dass Wasser in das Gebiet einfließen kann.“ Kleinere Sofortmaßnahmen sollen der Entwicklung entgegenwirken, dass die Wiesen immer trockener werden – „ich hoffe, dass wir im Frühjahr bei Sonne schon ein wenig Wasser zwischen dem Gras funkeln sehen“.
Viel Aufwand ist nötig, um die Ende der 1960er-Jahre getrennten Elbabschnitte wieder miteinander zu verweben. Möglich gemacht hat dies das „Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz“ (ANK) der Bundesregierung. „Das Programm ist mit vier Milliarden Euro ausgestattet. So viel Geld hatten wir im Naturschutz noch nie“, sagte Ministerin Lemke. Aber das Geld sei angesichts der Herausforderungen durch den Klimawandel auch noch nie so nötig gewesen. Ziel sei es, den Zustand der Ökosysteme in Deutschland deutlich zu verbessern. Denn intakte Natur kann mehr CO2 aus der Luft aufnehmen und als Kohlenstoff speichern. Außerdem kann sie die Folgen der Erwärmung besser verkraften.
„Gerade Flussauen sind wertvolle Kohlenstoffspeicher“, sagte Lemke. „Sie für den Klimaschutz zu fördern, hat den großartigen Nebeneffekt, dass die biologische Vielfalt und auch die Wasserspeicherung steigen.“ Ihre Heimatregion Dessau sei inzwischen zum Dürre-Hotspot erklärt worden, so Lemke. „Ich hätte nie gedacht, dass so etwas einmal passieren wird.“
„Die Elbe ist einer der letzten frei fließenden Flüsse Europas“
Das Elbmarsch-Projekt sei eines der ersten Vorhaben im Rahmen des ANK, sagte die Ministerin und nannte es ein „Leuchtturm- und Vorreiterprojekt“. Lemke: „Wir können hier mit einer hervorragenden Flusslandschaft anfangen. Die Elbe ist, mit kleinen Einschränkungen, einer der letzten frei fließenden Flüsse Europas, eines der wertvollsten Flusssysteme.“
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„Wir hätten dieses Projekt nicht starten können, wenn Sie alle es nicht von Anfang an unterstützt hätten“, lobte Stiftungschefin Klocke die rund 70 geladenen Gäste. Sie nannte Vertreter der Gemeinde Marschacht, der Samtgemeinde Elbmarsch, des Landkreises Harburg, Friedhelm Ringe vom Nabu Geesthacht, den Deichverband Artlenburg, die Landwirte, die sich bereitwillig an die strikten Bewirtschaftungsauflagen halten. Und als Grundeigentümer ihr Land an die SLE verkauften. Klocke: „Die Grundstücke verlaufen quer zur Elbe. Ein einziger Eigentümer hätte das Projekt stoppen können.“
Zur perfekten Flussverbindung fehlt noch ein Grundstück
Einer, der sein Land verkauft hat und nun von der Stiftung zurückpachtet, ist Hans-Peter Meyn. Er führt in Marschacht ein Milchviehbetrieb. „Als die Stiftung und der Deichverband mir das Projekt vorgestellt haben, mit der Illustration, wie es einmal werden kann, war ich sofort überzeugt“, sagt Meyn. „Wir liegen in einem FFH-Gebiet. Ich habe schon vor dem Projekt die Wiesen naturnah bewirtschaftet, um Nester herum gemäht und ähnliches.“ FFH-Gebiete sind Teile des europäischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000.
Für die perfekte neue Flussverbindung fehlt allerdings noch ein Grundstück. Elisabeth Klocke ist guter Hoffnung, dass sie es noch erwerben kann, will jedoch erst einmal mit mehreren Varianten arbeiten. Deshalb liegt der geplante Verlauf des Baches in der Wiesenlandschaft noch nicht fest. Er ist ohnehin variabel. Klocke: „Wir müssen den Bachlauf nicht festlegen. Wenn er, etwa nach einem Hochwasser, anders fließen will, dann soll er es tun. Wir werden die Natur machen lassen. Aber selbstverständlich eingreifen, wenn es nötig ist.“
Elbmarsch: Deichvorland ist beliebtes Erholungsgebiet
Kathrin Bockey, Bürgermeisterin der Samtgemeinde Elbmarsch, geht davon aus, dass das „umfassende, aufwertende Projekt“ das Verständnis für den Naturschutz verbessern wird: „Die Elbbrücke der 404 ist die Lebensader der Samtgemeinde. Wer sie befährt, sieht, dass hier der Strom besonders breit ist. Bislang dominiert hier die wirtschaftliche Nutzung. Es ist gut, jetzt den Naturschutz zu stärken.“ Auch gegenüber Erholungssuchenden: Angler fahren mit Autos über die Fläche, es wird gezeltet, manche Spaziergänger lassen ihre Hunde frei laufen.
Das Gebiet werde weiterhin als beliebtes Naherholungsziel genutzt werden können, betonen das Bundesumweltministerium und die SLE, auch extensive Landwirtschaft sei weiterhin möglich: „In enger Kooperation erarbeiten der Landkreis Harburg, die Gemeinde Marschacht und die Stiftung Lebensraum Elbe ein Konzept zur Besucherlenkung. Daneben wird ein Bewirtschaftungskonzept für die Flächen entwickelt. Der Deich selbst bleibt unberührt und schützt die Menschen der Elbmarsch weiterhin vor Elbefluten.“