Bötersheim. Petra Schmalz beherrscht jahrtausendealtes Handwerk – als eine von sehr wenigen Frauen. Wo ihre begehrten Kunstwerke zu haben sind.
Petra Schmalz sieht ein wenig aus wie die Erwachsenen-Ausgabe von Pippi Langstrumpf. Die Schmiedin von Bötersheim trägt ihr langes Haar zu einem Zopf gebunden, einen schwingenden Rock und – tatsächlich – Ringelstrümpfe! Und sie ist stark, obwohl man es dieser zierlichen Person nicht ansieht.
Scheinbar mühelos bugsiert sie einen schweren Amboss ein paar Zentimeter zur Seite. Dann hebt sie einen riesigen Hammer in die Höhe, lässt ihn zielgenau auf ein glühendes Stück Metall fallen und formt die Spitze nach und nach zu einer Schnecke. Zwischendurch geht sie immer wieder zur Esse, in der das Feuer lodert.
Männerdomäne: Höchstens 20 Frauen in Deutschland betreiben eigene Schmiede
Sie hält das Eisen in die Flammen, um es anschließend im Wasserbad auf die richtige Temperatur zu bringen. Dann fällt der Hammer wieder schwungvoll auf den Amboss und federt klangvoll nach: „Klong, trr, trrr, trrr!“, macht es. Petra Schmalz hebt das Stück schließlich an, betrachtet es. Die Schmiedin von Bötersheim ist zufrieden.
Sie ist eine von wenigen Frauen in Deutschland, die eine Schmiede betreiben – und sie ist in dieser von Männern dominierten Branche sehr erfolgreich. Schon allein deshalb, weil es sie und die seit 1488 durchgehend bestehende Bötersheimer Schmiede noch gibt. Weil dort nach wie vor fast täglich das Schmiedefeuer lodert und ausgebildet wird.
Noch in den 1950er-Jahren gab es in fast jedem Dorf in Deutschland eine Schmiede
In ganz Deutschland soll es geschätzt nur fünf bis 20 Schmiedinnen geben. Sie werden nicht gesondert erfasst. Der Beruf ist Jahrtausende alt und hat Einzug in unseren Sprachgebrauch gefunden: Wir schmieden Pläne, lieben das Spiel mit dem Feuer und haben mehrere Eisen darin. Das Eisen schmieden wir, solange es heiß ist und sind dabei selbst unser Glückes Schmied.
Noch in den 1950er-Jahren gab es in fast jedem Dorf eine Dorfschmiede, wo alle möglichen Reparaturen erledigt und Werkzeuge wie Zangen oder Schaufeln hergestellt wurden. Viele sind längst geschlossen. Auch die Schmiede im idyllischen Bötersheim drohte dieses Schicksal nach einer Insolvenz. Doch Petra Schmalz übernahm den Betrieb 2005 und brachte ihn wieder auf Vordermann – oder besser gesagt: auf Vorderfrau.
„Irgendwann habe ich gemerkt: Ich muss ans Feuer“
Dabei wollte die kreative Künstlerin eigentlich nie Schmiedin werden. „Ich komme aus einer Schmiede in Süddeutschland, mein Vater war Schmied. Er hat vor allem Maschinen repariert, das war gar nicht mein Ding“, sagt sie. So wurde Petra Schmalz zunächst Landschaftsgärtnerin und tingelte als Floristin durch die Welt. „Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich etwas brauche, das länger hält als Blumen und wusste: Ich musste ans Feuer“, erinnert sich die moderne Pippi Langstrumpf.
Als sie in Köln einen Wandergesellen kennenlernte, der von Schmiede zu Schmiede zog, erhielt sie von ihm einen Rat: „Du musst in den Norden gehen. Da lässt man auch Frauen in die Schmiede.“ So landete Petra Schmalz bei einem Betrieb in Königsmoor und später bei dem renomierten Buxtehuder Kunstschmied Martin Porsche. Ihre Lehre beendete sie in der Schmiede von Bötersheim. Der Ausbildung schloss sie ein Studium der Metallgestaltung in Hildesheim an, das sie mit der Diplomprüfung abschloss.
Das harte Eisen kann bei ihr aussehen wie ein zarter Trieb
Trotz dieser umfangreichen Ausbildung und ihres hohen künstlerischen Anspruchs spricht Petra Schmalz von sich selbst stets nur als „Schmiedin“. Diese schnörkelose Schlichtheit schlägt sich auch in ihrem Design nieder – obwohl oder gerade weil bei ihr das harte Eisen aussehen kann wie ein zarter junger, kühn geschwungener Trieb. „Das ist meine Stärke“, sagt sie selbstbewusst. „Man kann das Eisen immer noch dünner ausschmieden und strecken.“
In der Bötersheimer Schmiede werden unter Anwendung der alten Schmiedetechniken vor allem individuelle Objekte und Kleinserien für Haus und Garten angefertigt. Oft steht Petra Schmalz allein in der 48 Quadratmeter kleinen Werkstatt, manchmal wird sie von einer Gehilfen in Teilzeit unterstützt. Sie hat auch schon Frauen ausgebildet. Gern gibt die Schmiedin ihr Wissen bei Schmiedekursen in Bötersheim oder im Freilichtmuseum am Kiekeberg weiter.
Kunden lieben ihre Kreationen für Haus und Garten
„ Arbeit ist sichtbar gemachte Liebe“ – diese Weisheit des amerikanisch-libanesischen Malers, Dichters und Philosophen Khalil Gibran ist der Leitspruch von Petra Schmalz. Mit diesem Motto und der Beherrschung ihres Handwerks kreiert sie Kerzenständer, Haken, Blumen- und Lampenhalter, Tore, Rosenbögen, Feuerschalen – und sogar einen Gartengrill.
Viele dieser Objekte stehen im Garten vor der Schmiede und sind bestückt mit Pflanzen und Blumen. So verbindet die Designerin ihre jetzige Passion mit dem früheren Beruf und kombiniert das von ihr geformte Metall auf diese Weise mit der Natur. Sie gibt ihm Leben.
Aber auch, wenn ein Bootsbauer einen speziellen Ring für seinen Schiffsmast benötigt, wenn ein historisches Stück für eine Gebäudesanierung nachgebaut werden muss oder ein alter Schlitten restauriert werden soll, steht Petra Schmalz parat. Ihre Kunden schätzen aber vor allem ihre Designs für Haus und Garten und kommen dafür teilweise von weit her nach Bötersheim.
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„Meine Sachen sind für die Ewigkeit“, sagt sie. „Man kann sie vererben.“ Im kleinen Laden an der Schmiede, der jeweils von mittwochs bis sonnabens geöffnet ist, gehen vor allem auch die kleinen Objekte, wie die geschmiedeten Kerzenhalter für den Weihnachtsbaum oder den Adventskranz. Am 8. und 9. Juni veranstaltet Petra Schmalz wieder den beliebten Bötersheimer Markt für Handwerk und Feines – eine Gelegenheit, ihre Arbeiten kennezulernen.
Hund Emma holt Frauchen manchmal aus dem Schmiede-Flow
Nun ist sie Anfang 50, die Arbeit mit Hammer und Amboss wird mit zunehmenden Alter nicht leichter. Im Sommer, wenn die Temperaturen nach oben schnellen, ist es in der Schmiede kaum auszuhalten. Dennoch hat Petra Schmalz ihren Entschluss, die historische Schmiede in dem wunderschönen Bötersheim zu übernehmen, nie bereut.
„Ich arbeite mit allen vier Elementen gleichzeitig und habe die Möglichkeiten, einem kalten Klumpen Stahl ein neues Leben einzuhauchen. Dieses harte Material zu verändern – das macht für mich den Reiz meines Berufes aus.“
An ihren Händen hat sich eine dicke Hornhaut gebildet
Sie blickt auf ihre Hände. Sie passen eigentlich nicht zum restlichen Körper der schmalen Frau, so kräftig sind sie. An den Fingern hat sich dicke Hornhaut gebildet: „Die ist so dick, dass ich Schwierigkeiten habe eine Fernbedienung oder mein Handy zu bedienen“, sagt Petra Schmalz.
Trotzdem liebt sie ihre Arbeit, denn beim Schmieden kann sie die Zeit vergessen. Gut, dass ihre Hündin Emma immer in ihrer Nähe ist – so wie Herrn Nielson bei seiner Pippi. Denn wenn Petra Schmalz in ihrer Werkstatt komplett abgetaucht im „Metal Flow“ versinkt – dann kommt die Collie-Hündin und stupst sie an: Feierabend!