Hausbruch. Holz-Plastiken waren einst ein Traditionshandwerk im Hamburger Süden. In Hausbruch wirkt einer der letzten aus der uralten Branche

In Erich Gerers Atelier gibt es Holz für alle Sinne: Man sieht es, man riecht es; man kann es fühlen, weil fast alles hier aus Holz gemacht ist, man hört es im Ofen knistern und selbst die Wärme, die das Holzfeuer abgibt, ist etwas Besonderes; fühlt sich lebendiger an, als die Wärme eines Heizkörpers oder einer Gasflamme. „Holz ist ein faszinierender Stoff“, sagt Erich Gerer. „Es zieht mich seit meiner Kindheit in den Bann.“

Erich Gerer ist Holzbildhauer. Sein Atelier befindet sich am Ehestorfer Heuweg, neben dem ehemaligen Hotel „Kleine Sennhütte“, das jetzt „Restaurant Haweli“ heißt. Über den Parkplatz des Gasthauses kommt man zur Werkstatt des Künstlers.

Einige fertige Werke stehen und hängen an der Atelierwand in Harburg. Preisschilder hängen nicht daran

Derzeit arbeitet er an einem Drachen. Der Kopf der Fantasiefigur ist bereits deutlich konturiert, auch wenn die Strukturen noch in einem Arbeitsstadium irgendwo zwischen grob und fein sind. Deutlich sieht man noch die Vertiefungen, die mit Hammer und Beitel aus dem Holz geschnitzt wurden. „Das wird von Arbeitsgang zu Arbeitsgang jetzt immer feiner“, sagt der Künstler, „solange, bis ich dann zufrieden bin.“

Einige Werke, mit denen er zufrieden ist, stehen und hängen an der Atelierwand. Wildtiermotive, wie ein filigraner Eisvogel oder ein Wolf; Fantasiefiguren, Frauenkörper. Preisschilder hängen nicht daran. „Die Arbeit, die in den Stücken steckt, kann ich den meisten Menschen ja gar nicht berechnen“, sagt Gerer. „Dann könnte sich kaum jemand meine Werke leisten.“

Ich stellte fest, dass ich mit der norddeutschen Mentalität gut klarkam
Erich Gerer

Wer etwas findet, das er haben oder verschenken möchte, muss mit dem knurrigen Künstler verhandeln. Das kann dauern, ist aber auch eine Erfahrung, die man in den hektischen Klickkaufzeiten dieser Tage nicht mehr häufig macht und die man in all ihrer Menschlichkeit genießen sollte.

Erich Gerer ist zwar schon den größten Teil seines Lebens Holzbildhauer, war es aber nicht sein ganzes Leben lang. Zunächst erlernte er in seiner österreichischen Heimat den Beruf des Maschinenbauers. „Aber die Faszination für Holz ließ mich nie los“, sagt er. „Ich fing schon früh an, mich mit Holzbildhauerei zu beschäftigen.“

Im Atelier warten immer einige fertige Stücke auf Interessenten.
Im Atelier warten immer einige fertige Stücke auf Interessenten. © HA | Lars Hansen

Der junge Bregenzer Maschinenbauer nahm Privatunterricht bei einem Kunstprofessor. 1968, Gerer war 23, wurde aus dem Hobby eine Berufung und Erich Gerer Holzbildhauer. Sieben Jahre später holte ihn ein Landsmann nach Norddeutschland: Ewald Warbichler, Wirt der „kleinen Sennhütte“ in den Harburger Bergen, hatte von Erich Gerer gehört und wollte dessen Werke in seinem Garten. Eine echte Auszeichnung, denn seinerzeit gab es in Hausbruch, Eißendorf und im Rosengarten mindestens ein halbes Dutzend anderer Holzbildhauer, „und die meisten waren gut“, wie Erich Gerer sagt

Auf einer Wiese neben dem Hotel richtete er seine Werkstatt ein, und dort steht sie bis heute. Das war so nicht geplant. Eigentlich wollte der junge Künstler in Hausbruch nach getaner Arbeit seine Zelte abbrechen und nach Skandinavien weiterziehen. „Dann aber ging das Auto kaputt und ich blieb erstmal“, sagt Gerer. „Und ich stellte fest, dass ich mit der norddeutschen Mentalität gut klarkam.“

Holzbildhauer in Hausbruch: Zwei Weltrekorde und in beharrlicher alpiner Akzent

Bald erhielt er auch einen norddeutschen Spitznamen: „Eulen-Erich“. Den alpinen Akzent behielt er jedoch bis heute bei. Den Spitznamen hatte er sich mit einem Weltrekord erarbeitet: Die größte geschnitzte Eulenskulptur der Welt, sieben Meter hoch. Die allerdings hielt nicht ewig, sondern verrottet und musste vor einigen Jahren abgerissen werden. Ein anderes Guinness-Weltrekord-Werk Gerers steht noch beim Restaurant: Eine riesige Bärenskulptur. Regelmäßig sind zwei Gerer-Skulpturen auch im Fernsehen zu beschauen: Die Statuen der Comicfiguren Popeye und Olivia in der Fischmarkt-Kneipe „Schellfischjposten“, wo die Sendung „Inas Nacht“ produziert wird.

Von dem halben Dutzend traditioneller Holzbildhauer von früher sind inklusive Gerer nur noch zwei übrig. Erich Gerer hat zweimal Schüler ausgebildet. Beide suchten ihr weiteres Glück allerdings woanders in der Welt. Erich Gerer will in Hausbruch noch so lange weitermachen, wie er kann.

Wem gute Arbeit etwas wert ist, wer etwas Geld übrig hat, noch ein Geschenk sucht und die Erfahrung von Holzgeruch und Handschlaghandel machen möchte, kann die Werkstatt täglich besuchen. Ein vorheriger Anruf unter 0179/5 11 50 51 ist allerdings ratsam. Als Einmannbetrieb kann die Holzbildhauerei die Anwesenheit des Chefs nicht immer garantieren und außer ihm kann niemand aufmachen.