Buchholz. Viele kennen den Schmied aus dem Museumsdorf Seppensen. Jetzt wird er 80 Jahre alt – und macht noch lange nicht Schluss.
Es hat etwas Diabolisches. Wie er dasteht, im Dunkel der kleinen Fachwerkschmiede, das Gesicht über das Feuer gebeugt, in der Hand ein langes Stück Eisen, dessen Spitze glühende Funken sprüht. Dann nimmt er den Hammer und schlägt zu. Eins, zwei, drei – Pause. Eins, zwei, drei – Pause. Als läge da ein Stück weiches Wachs auf dem Amboss, biegt sich das heiße Metall.
Es ist Donnerstagmorgen, ein Tag im November. Auf den Autobahnen staut sich der Verkehr. Menschen hetzen zur Arbeit. Der Puls der Zeit – er rennt. Und dann das. Dort, wo die Nordheidestadt Buchholz in Wiesen und Wälder übergeht und Menschen leben, die Freude daran haben, Traditionen zu bewahren, steht die Zeit plötzlich still. Und es scheint, als öffne sich ein Blick in längst vergangene Zeiten. Dort, in der Schmiede des Museumsdorfs Seppensen steht Arnold Kahnenbley, der Schmied, und schlägt im immer gleichen Takt den Hammer auf das Eisen.
Kahnenbley hat vor, auch die nächsten 20 Jahre mit dem Feuer zu spielen
Kahnenbley ist ein echtes Original. Einer, der Handwerkstradition lebt und sein Fach von der Pike auf gelernt hat. Mehr als sechs Jahrzehnte Berufserfahrung hat er in den Armen. Und er brennt noch immer für das, was er tut.
Am Sonnabend wird Kahnenbley 80 Jahre alt – und er hat vor, auch die nächsten 20 Jahre mit dem Feuer zu spielen. „Ich möchte möglichst vielen Menschen in der Region das Wissen um diese über tausend Jahre alte Handwerkstradition vermitteln“, sagt er. Kahnenbley selbst hat früh angefangen, zuzuschlagen. Da war er 14, ein rothaariger, hagerer Junge, den die Lehrer in der Schule schlugen und die Mitschüler hänselten.
Als Kind versorgte er Schweine, Hühner, Gänse und Ziegen oder half im Garten
Geboren wird er am 19. November 1942 in Harburg. Es ist Krieg. Der Vater ist weit weg. Er ist Lokführer der Reichsbahn und leistet auf der Krim seinen Dienst. Die Verhältnisse sind schwierig. Und dennoch erinnert sich Arnold Kahnenbley mit einem guten Gefühl zurück an seine Kindheit. „Wir haben am Radeland in Buchholz gewohnt“, erzählt er. „Die Nachmittage habe ich damit verbracht, die Schweine, Hühner, Gänse und Ziegen zu versorgen oder im Garten zu helfen.“ Zeit zum Spielen bleibt wenig. Der Vater ist streng und autoritär. Oft gibt es Schläge. In der Schule schimpfen in die Lehrer wegen seiner Linkshändigkeit als Teufel.
Dieser „Teufel“ verlässt mit 14 die Schule und macht sich auf den Weg, Feuer und Eisen zu bezwingen. Er beginnt eine Lehre bei Schmiedemeister Wilhelm Frommann senior in Jesteburg. Kahnenbley erinnert sich noch gut an die ersten Monate. An die Angst, zu versagen. „Ich wog damals kaum 55 Kilogramm. Als mein Lehrmeister mir den 15 Kilo schweren Hammer in die Hand drückte, dachte ich, das halte ich niemals durch.“ Doch er hält durch, lernt, dass ein Mensch viel mehr aushalten kann, als er glaubt. Eine Erfahrung, die ihn prägt.
Lehre mit Note 1, Meisterschule in Lüneburg, schließlich ein eigener Betrieb
Er hat hohe Ansprüche an seine Mitmenschen und an sich selbst. Auch nach 66 Jahren als Schmied, sei er noch lange nicht am Ziel, sagt er. Versucht sich an immer neuen Herausforderungen, schaut anderen Meistern seiner Zunft über die Schulter und lernt dazu. „Ich bin sehr ehrgeizig“, sagt er. „Das muss ich auch sein, da meine Auffassungsgabe und mein Geschick nur durchschnittlich sind.“
Doch weil er zu den Besten gehören will, leistet er mehr als die anderen, beendet seine Lehrzeit mit einer 1, besucht die Meisterschule in Lüneburg und gründet schließlich seinen eigenen Betrieb. Auch an die eigenen Auszubildenden stellt er hohe Ansprüche. „Die meisten haben mit Auszeichnung bestanden“, sagt er stolz. „Nicht, weil sie das wollten, sondern weil ich das wollte.“
Auch heute noch kann Schmied Arnold es nicht lassen, mindestens zweimal in der Woche zuzuschlagen. Jeden Dienstag und Donnerstag heizt er in der Schmiede des Museumsdorfs Seppensen ein. Dem Museumsverein hatte Kahnenbley nach der Aufgabe seiner Werkstatt im Jahr 2011 Hammer, Amboss, Esse und Werkzeuge vermacht. Nicht ohne Eigennutz. „Im Gegenzug haben sie mir eine Schmiede gebaut, in der ich arbeiten und das Schmiedehandwerk zeigen darf.“
Jeder, der an seinen Schmiedekursen teilnimmt, nimmt ein selbstgeschmiedeten Stück mit
Er mag es, wenn ihm die Besucher über die Schulter schauen, gibt regelmäßig Schulungen für Laien und zeigt ihnen, wie sie das Eisen zum Schmelzen bringen. Jeder, der an einem der vierstündigen Schmiedekurse teilnimmt, geht mit einem selbstgeschmiedeten Stück nach Hause. „Ich möchte den Menschen ein Gefühl für den Wert handgemachter Dinge vermitteln“, so Kahnenbley.
„Die Wertschätzung für das Handwerk geht immer mehr verloren. Das ist tragisch.“ Dabei mache kaum etwas glücklicher, als mit den eigenen Händen etwas Einmaliges zu erschaffen. „Die Freude an der Arbeit ist ein Teil der Bezahlung“, sagt er. „Jeder ist seines Glückes Schmied, heißt es ja. Aber nicht jeder Glückliche kann schmieden.“
Das Motorrad ist seine zweite große Leidenschaft, die er mit Sohn Jan teilt
Er ist einer von jenen, die glücklich sind. Und die schmieden können. „Wenn ich am Amboss stehe, vergesse ich, dass ich alt bin. Dann geht es mir gut.“ Mindestens 20 Jahre wolle er noch weiter schmieden, weil er noch vieles lernen müsse, noch nicht am Ziel sei. „Ich hoffe, dass ich solange durchhalte“, sagt er. Auch wenn er im Herzen weiß, dass es im Leben nicht um das Ziel, sondern um den Weg geht. Oder, wie er als eingefleischter Motorradfan sagen würde: „Ums Fahren, nicht ums Ankommen.“ Das Motorrad ist seine zweite große Leidenschaft, die er mit Sohn Jan teilt. Und dieses Hobby begleitet ihn fast so lange wie das Schmieden.
Was er sich zum runden Geburtstag wünscht? „Dass sein Handwerk nicht in Vergessenheit gerät. Und er die Zeit hat, noch möglichst vielen Menschen sein Wissen weitergeben zu können. „Ich kann ja nicht ins Grab steigen, bevor ich weiß, dass es zwei, drei Menschen gibt, die diesen Schatz bewahren.“