Harburg. Immer mehr Ehrenamtliche reparieren kostenlos Dinge, die sonst weggeworfen würden. Wo dieses Jahr noch Termine stattfinden.
Durchschnittlich etwa 10 Kilogramm Elektroschrott erzeugt jeder Deutsche pro Jahr. Viele Geräte ließen sich eigentlich reparieren. Oft ist ein Neukauf allerdings günstiger als die Reparatur in einer Fachwerkstatt. Das liegt nicht daran, dass Fachwerkstätten Wucherpreise nehmen. Aber Ersatzteile, ein angemessener Lohn für die Handwerker, Energie und diverse weitere Faktoren kosten zusammen eben mehr als die Herstellung des Geräts in einem Billiglohnland.
Ähnliches gilt mittlerweile für Kleidung oder Möbelstücke. Die Müllberge wachsen. Das ist nicht nur schlecht für die Umwelt, es belastet auch die Portemonnaies gerade derer, die darin nicht viel haben. Nicht erst in Zeiten steigender Lebenshaltungskosten hat sich eine Gegenbewegung entwickelt: Repair-Cafés. Hier kommen in regelmäßigen Abständen ehrenamtliche Könner mit Besitzern von Kaputtem zusammen und gucken, was sich da noch machen lässt. Meistens geht da noch was. Auch in Harburg und seinem Umland gibt es regelmäßige Repair-Cafés – und es werden immer mehr.
Repair-Café: Es sieht aus wie im Wartezimmer beim Tierarzt
Im Gemeindehaus der Marmstorfer Auferstehungskirche herrscht an diesem Tag Hochbetrieb. Im Foyer sieht es ein wenig aus wie beim Tierarzt, allerdings sind die „Patienten“ auf dem Schoß der Wartenden keine Tiere, sondern Dinge, zweitens gibt es hinterher keine Rechnung und drittens dafür im „Wartezimmer“ Kaffee und Kuchen. Lange warten muss auch niemand: Repair-Café-Organisatorin Barbara Dittmer hat heute genügend kundige Helfer vor Ort und Voranmeldungen für Reparaturen entgegengenommen und damit zeitlich etwas organisiert.
Das Harburger Repair-Café ist zum ersten Mal in Marmstorf. Bislang war es in der freikirchlichen Vineyard-Gemeinde beheimatet, zu der auch Barbara Dittmer gehört. Trotz konfessioneller Konkurrenz fand die evangelische Marmstorfer Kirche die Idee des Repair-Cafés so gut, dass es jetzt hier unterkommt.
Die Mikrowelle hat 13 Jahre lang funktioniert, es ist ein Markengerät
Im eigentlichen Gemeindesaal herrscht konzentrierte Atmosphäre. An sechs Tischen wird geschraubt, geguckt, geklebt, gelötet und geölt. Ein Mann hat einen Wasserkocher mitgebracht. Der Wippschalter ist gebrochen. Ihn zu reparieren, wird gleich mehrere Helfer lange beschäftigen. An einem anderen Tisch kümmert sich Benjamin Bürgel um Wolfgang Dünklers Mikrowelle. Das Markengerät hat 13 Jahre lang funktioniert. Jetzt geht auf Knopfdruck zwar noch das Licht an, der Gargutteller dreht sich und die Uhr zählt rückwärts, aber warm wird nichts. Systematisch beginnt der ehrenamtliche Reparateur mit der Fehlersuche und dringt dabei immer tiefer ins Gerät vor. „Manchmal sind Dinge auch einfach kaputt“, sagt der promovierte Ingenieur, „aber bis ich diese Aussage mache, versuche ich alles!“
Am Nebentisch sind gleich zwei Reparateure mit Nähmaschinen beschäftigt. Auch das zeugt von einer Trendwende weg von der Wegwerfgesellschaft: Zumindest Kleidungsstücke werden wieder vermehrt zu Hause repariert. „Leider ist aber auch das Wissen um Maschinen verloren gegangen“, sagt Bürgel. „Bei vielen Maschinen ist einfach das Schmieröl mit dem alter hart geworden. Rechtzeitiges Reinigen und Nachölen hätte geholfen. Mehr ist jetzt meistens auch nicht zu tun, aber es ist viel aufwändiger.“
Informatiker Christian Riechert dringt ins Innere eine Tablet-Computers vor
Den Wasserkocherschalter hat Reparateur Tobias geklebt. Die Klebestelle hält. Die kleine Plastiknase, mit der der Schalter an seine Achse geklemmt wird, kann die Klebe aber nicht ersetzen. Zwei weitere Helfer kommen hinzu und suchen eine Lösung. Mit einem Modellbaubohrer und einer Feinmechanikerschraube soll der weggebrochene Plastikvorsprung ersetzt werden. „Die gegenseitige Hilfe unter den Reparateuren ist auch etwas, das mich an der Aufgabe reizt“, sagt Benjamin Bürgel, „man lernt selbst ständig dazu.“ Noch einen Tisch weiter sitzt ein neuer Reparateur: Informatiker Christian Riechert dringt gerade ins Innere eine Tablet-Computers vor. „Davon habe ich Ahnung“, sagt er. „Von Fahrrädern aber beispielsweise nicht. Deshalb war ich mit meinem Fahrrad vor zwei Wochen beim Repair-Café der SPD in Heimfeld. Das Konzept hat mir so gefallen, dass ich mich gleich als Fachmann für dieses Repair-Café hier gemeldet habe.“
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Repair-Café: Für die Nachhaltigkeit – und für die Nächstenliebe
Die SPD veranstaltet zweimal im Jahr einen Reparaturtreff, und das seit zehn Jahren. „Das ist gelebte Solidarität“, sagt Michael Dose vom Heimfelder SPD-Distriktsvorstand, „und als Partei mit Arbeitertradition haben wir die Fachleute in den eigenen Reihen. Ganz nebenbei können wir dabei Leute wieder für Politik interessieren, die sonst resigniert wären.“
Für Barbara Dittmer ist es der Nachhaltigkeitsgedanke, der zählt – und das Prinzip der Nächstenliebe. „Ich bin froh, dass wir erst einmal in Marmstorf weitermachen können. Die nächsten Termine kommen.“
Bei dem Wasserkocher müssen die Helfer aufgeben. Der Schalter sitzt zwar wieder, aber zu fest für die Abschaltautomatik. Das Gerät weiter zu betreiben, wäre zu gefährlich, warnen sie den Mann. Er nimmt es trotzdem mit.
Die letzten Termine des Jahres:
Repair Café Winsen: Die Werkstatt findet zum letzten Mal in diesem Jahr am 24. November statt – ab 15 Uhr im Gemeindezentrum der St. Marien-Kirchengemeinde, Kirchstraße 1. Mitgebracht werden können kaputte Kleidung, Möbel, Fahrräder oder auch Elektrokleingeräte. Infos unter T. 04171/69 08 867.
Reparaturtreff Buxtehude: Die ehrenamtlichen Helfer kommen noch einmal am 10. Dezember zwischen 10 und 13 Uhr in der Begegnungsstätte Hoheluft, Stader Str. 15, zusammen. Repariert werden vor allem Elektronikgeräte. Um Voranmeldung wird gebeten, telefonisch bei Jan Kliem unter T. 04163/81 24 10.
Repair Café Schneverdingen: Im Mehrgenerationenhaus am Osterwaldweg 9 findet das letzte Café des Jahres am 9. Dezember zwischen 15 und 17 Uhr statt. Repariert werden Kleidung, Möbel, Elektrogeräte, Spielzeug und Fahrräder. Anmeldungen und Infos unter anti-rost@mgh-schneverdingen.de
Repair Café Reppenstedt: Im Keller der Auferstehungskirche Reppenstedt, Posener Straße 7, können letztmalig in diesem Jahr am 19. November zwischen 14 und 17 Uhr Dinge kostenlos repariert werden, die zum Wegwerfen zu schade sind. Wartezeiten können bei Café und Kuchen zum Klönen genutzt werden.