Rosengarten/Harburg. Startup verkauft Mütter-Wissen in kurzen Videos an interessierte Daddys. Was die Gründer antreibt – und was ihr Angebot kostet.
- Heutige Väter sind oft auf der Suche nach einer neuen Rolle – sie wollen gleichermaßen bei Kinder- und Care Arbeit beteiligt sein
- Schon in der Schwangerschaft fragen sie sich: Wie können sie die werdenden Mütter bestmöglich entlasten?
- Ein Harburger Startup möchte junge Väter auf diesem Weg begleiten
Wochenbett? Schwangerschafts-Screening? Wehen-Phasen? Als Pierce Vaughn zum ersten Mal Vater wurde, hatte ihm seine Frau zwar vieles erklärt. Doch was all die Begriffe und Abläufe wirklich bedeuteten, wurde ihm erst später klar. „Ich hatte keinen Plan“, sagt er heute, rund ein Jahr nach der Geburt. „Es wäre schön gewesen, besser vorbereitet zu sein.“
Da sich übliche Angebote im Internet zur Geburtsvorbereitung vor allem an werdende Mütter richteten, entwickelte der Filmemacher aus Harburg die Idee für einen Online-Videokurs für werdende Väter. Mit ins Boot holte er seinen Freund Frederik Grun, der jede Menge persönliche Erfahrung in das Start-up-Projekt einbringt: Er ist Vater von fünf Söhnen und einer Tochter.
Online-Coaching für werdende Väter: Partnerinnen bringen Expertise ein
„Daddy2be“ stimmt werdende Väter auf ihre neue Rolle, die damit verbundenen Veränderungen und Herausforderungen ein. Experten und Eltern – darunter auch die Frauen der Gründer – liefern in den kurzen Videos wissenswerte Informationen und persönliche Geschichten rund um Schwangerschaft, Geburt und das erste Jahr mit Baby.
Vier Stunden umfasst der gesamte Kurs, der aus 48 Lektionen besteht, die in sieben Modulen aufeinander aufbauen. Die Aufnahmen – insgesamt 25 Stunden Material – sind in einem Wilhelmsburger Filmstudio entstanden.
Die beiden Gründer wollen dazu beitragen, dass junge Väter sich genauso mit dem Elternwerden beschäftigen, wie die Mütter das häufig tun. Selbst als sechsfacher Vater habe er bei der Recherche und dem Drehen der Videos noch viel gelernt, meint Frederik Grun. Vor allem, dass er seiner Frau noch mehr hätte beistehen können.
Filmemacher und Familienvater geben Tipps zu Wochenbett, Sexualität und Babyblues
„Ich habe jetzt erst gemerkt, wie viele Fehler ich gemacht habe“, sagt er. „Im Wochenbett habe ich immer weitergearbeitet. Auch was beim Babyblues genau passiert, wusste ich nicht. Dabei kann man vieles als Paar schaffen, wenn man es gemeinsam angeht.“ Auch Sexualität, Alkohol und Medienkonsum sind Themen, zu denen die beiden Tipps gesammelt haben.
Pierce Vaughn ist der Mann hinter der Kamera. Er hat vor 14 Jahren mit seinem Bruder eine Filmproduktionsfirma in Indonesien gegründet, ihre Dokumentationen sind unter anderem bei der BBC und auf Netflix zu sehen. Bevor sein Sohn geboren wurde, zog der heute 39-Jährige zurück nach Neuwiedenthal, wo er gemeinsam mit seinem heutigen Geschäftspartner zur Schule gegangen ist.
Die Gründer haben zusammen sieben Kinder – und viele gute Tipps für Väter
Frederik Grun ist gelernter Koch, führte ein Restaurant in Hamburg und ist mittlerweile selbstständig im Catering und als Berater tätig. Nach verschiedenen Stationen im Ausland lebt er mit seiner Frau und den gemeinsamen sechs Kindern in der Gemeinde Rosengarten südlich von Hamburg.
Für den Online-Kurs schildert der 38-Jährige neben weiteren Vätern und Müttern in den Filmsequenzen seine Erfahrungen und gibt Tipps, wie Gefühlschaos, Zeitmangel und andere Herausforderungen zu bewältigen sind. Sie bereiten die werdenden Väter darauf vor, dass sich vieles in ihrem Leben und ihrer Partnerschaft verändern wird – und dass es wichtig sei, Verständnis aufzubringen, Interesse zu zeigen und Verantwortung zu übernehmen.
Hebamme und Gynäkologin erklären Details zu Geburt und Kaiserschnitt
Als professionelle Expertinnen kommen darüber hinaus eine Hebamme und eine Ärztin zu Wort. „Die Väter sollten genauso wie ihre Frauen von Anfang an Verantwortung übernehmen“, sagt Hebamme Julia Weber.
Die Begleitung während der Wehen sei nur ein Beispiel von vielen: Wenn die Geburt sich ankündigt, könnten Männer der Frau helfen, die Wartezeit mit etwas Ablenkung zu überbrücken. Entscheidend sei, aufmerksam dafür zu sein, was der werdenden Mutter in dieser Situation guttut, betont die Hebamme. „Eine möchte vielleicht einen Kuchen backen, eine andere spazieren gehen oder einen Film gucken.“
Für die medizinischen Details ist Angela Bernhardt zuständig. Die Gynäkologin und Stillberaterin hat 30 Jahre im Harburger Krankenhaus Mariahilf gearbeitet und hat dort als leitende Oberärztin zahlreiche Geburten und Schwangerschaften begleitet. Sie erklärt in den Videos, welche medizinische Unterstützung bei der Geburt möglich ist, wann ein Kaiserschnitt erforderlich wird und wie der Vater beim Stillen helfen kann.
Der Online-Videokurs für werdende Väter kostet 99 Euro
Der Kurs, der Bildung und Unterhaltung verbindet, kostet derzeit 99 Euro. Er soll werdenden Vätern eine Hilfestellung sein, ihren eigenen Weg als Familienvater zu finden. Niemand müsse alle Tipps gleichermaßen befolgen, betont Frederik Grun. „Es gibt keine Formel für den perfekten Daddy.“
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Für die Zukunft hat das Gründerteam, das den Väterkurs aus eigenen Mitteln finanziert hat, noch viele Ideen für weitere Kurse. Ihr Ziel ist es, eine Online-Plattform für die ganze Familie schaffen. So könnte es auf „Family2be“ künftig Angebote zum Stillen, zum Familienyoga oder zum Leben mit Kindern mit Behinderungen geben. In einer Community können sich die Mitglieder untereinander austauschen.
Nicht nur Väter, auch Großeltern brauchen offenbar Coaching
Konkret ist bereits das Filmprojekt „Liebe Großeltern“: Junge Elternpaare erzählen ihre persönliche Geschichte, dazu gibt es Ratschläge und Hintergrundwissen. Der Kurs soll der älteren Generation helfen zu verstehen, wie und warum ihre erwachsenen Kinder ihre Elternschaft anders gestalten als sie selbst. Als Mini-Anleitung soll er zudem Anstoß geben, die Kommunikation zwischen Eltern und Großeltern zu verbessern und Missverständnisse zu vermeiden.