Dr. Angela Bernhardt, Ärztliche Leiterin des Brustzentrums an der Helios Mariahilf Klinik, setzt auf einen ganzheitlichen Therapieansatz.

Als sie den Knoten in der eigenen Brust spürte, begann sich das ganze Gedankenkarussell in ihr zu drehen. Und für einen Moment stieg die Angst in ihr hoch, weil alle Türen des Schicksals offen standen. „Bin ich krank, habe ich einen Tumor, ist er gut- oder bösartig? Und werde ich meine Brust behalten?“ Angela Bernhardt spürte die Angst, die sie bis dahin nur von ihren Patienten kannte. Gefühle, die sie als Ärztin mit Fachwissen, Zuwendung und Optimismus aufzufangen wusste. Normalerweise gab sie anderen Sicherheit. Jetzt war sie es, die Halt suchte. Als ihr Kollege die Diagnose fällte, fiel ihr ein Stein vom Herzen. Sie war gesund.

Über 20 Jahre liegt dieser Eingriff zurück. Und vielleicht hat auch er dazu beigetragen, dass Dr. Angela Bernhardt ihren Beruf mit einer unbeschreiblichen Leidenschaft ausübt. Die 62-Jahre alte Gynäkologin ist Ärztliche Leiterin des Brustzentrums an der Helios Mariahilf Klinik. Etwa 200 Patienten, zumeist Frauen, werden hier jährlich behandelt. 130 der rund 70.000 Neuerkrankungen bundesweit landen hier durchschnittlich pro Jahr. Die Betroffenen kommen gezielt ins Brustzentrum nach Harburg, weil sie wissen, dass dort ein ganzes Team an Spezialisten unter einem Dach zusammenarbeiten: Krankenschwestern und Gynäkologen, Plastischen Chirurgen, Onkologen, Strahlentherapeuten, Radiologen und Nuklearmediziner, Psychoonkologen, Pathologen, Sozialarbeiter, Palliativmediziner und Physiotherapeuten. Erste Kontaktpersonen sind Dr. Bernhardt, ihre Stellvertreterin Dr. Anna Vogt und die Breast-Care-Nurse Heidi Schönheit.

„Heilung gelingt, wenn alle Kräfte mobilisiert werden“, sagt Angela Bernhardt, „bei den Betroffenen und bei uns, den Therapeuten.“ Die Ärztin, Mutter von zwei Söhnen und fünffache Großmutter weiß, wie eng Kopf und Körper zusammengehören, warum Menschen, die sich selbst vernachlässigen, nicht mehr in der Liebe zu sich selbst sind, eher erkranken und dass der Weg zur Heilung nur dann erfolgreich ist, wenn auch die Seele mitspielt. Oft müssen die Betroffenen erst lernen, ihr Leben neu zu ordnen. Sie müssen Ballast abwerfen und hineinhorchen in sich selbst. „Die Erkrankung kann auch eine Chance sein, das eigene Leben zu hinterfragen und Dinge zu ändern, die einem nicht gut tun“, sagt Angela Bernhardt. „Was das ist, finden die meisten nach und nach im Gespräch heraus.“

Angela Bernhardt tut daher zunächst erstmal nichts anderes als zuzuhören und Ängste zu nehmen. Sie sagt Sätze wie: „86 Prozent der Erkrankungen werden geheilt“ und „machen Sie das, was an Leben da ist, künftig so gut wie möglich“. Und sie hilft ihren Patientinnen, sich selbst zu verstehen. „Wenn die Brust erkrankt, erkrankt meist auch die Psyche“, sagt die Ärztin. „Dann muss geredet werden. Das geht nur unter einer schützenden Hülle, und die kriegen sie bei uns.“ Es sind die niedrigen Hierarchien, ein kleines Team, die enge Zusammenarbeit der Kollegen, die zum Erfolg des Brustzentrums beitragen. Wenn Bernhardt in der Brustsprechstunde am Montag mit den Patienten über die OP sowie weitere Behandlungsschritte spricht, sitzt gleich nebenan Kollege Thomas Hartmann, plastischer Chirurg, und beantwortet alle kosmetischen Fragen.

Dienstags wird in zwei nebeneinander liegenden Sälen operiert. Dabei verzichten die Anästhesisten auf eine Vollnarkose, sondern wenden ein modernes risiko- und schmerzarmes Verfahren zur gezielten Schmerzausschaltung des Operationsgebietes an: die sogenannte thorakale Paravertebral-Blockade. Bei diesem Verfahren injizieren Ärzte unter Ultraschall-Kontrolle ein Mittel zur örtlichen Betäubung an die Nerven, die das Operationsgebiet versorgen. Dieses lange wirksame Lokalanästhetikum schaltet Schmerzen während der Operation und bis zu 48 Stunden danach aus. „Die Patientinnen sind nach der Operation nahezu schmerzlos und profitieren von einer schnelleren Genesung“, sagt Angela Bernhardt. „Nach ein bis zwei Tagen können sie bereits nach Hause.“

Seit 30 Jahren ist die Vahrendorferin in der Mariahilf-Klinik tätig, 25 Jahre davon als leitende Oberärztin der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe. 2009 übernimmt sie die Leitung des Brustzentrums. Sie liebt ihren Beruf, weil er genau das vereint, was ihr liegt: die Arbeit mit Menschen und das handwerkliche Geschick im OP. Sie, die eigentlich Lehrerin werden will, aber nach dem Studium der Germanistik und Anglistik aufgrund der Lehrerschwemme keine Anstellung findet, beginnt notgedrungen ein zweites Studium, das der Medizin. Nebenbei arbeitet sie als Kundalini-Yogalehrerin mit Schwangeren und finanziert sich als Servicekraft das Studium. Sie ist 30, als sie beim Mariahilf als Assistenzärztin beginnt. Sie arbeitet in der Geburtshilfe, Gynäkologie, aber immer ist es die Brust, die sie besonders interessiert. „Sie steht für so vieles: für das Nährende, die Sinnlichkeit und Weiblichkeit.“ Also macht sie nebenbei eine Ausbildung zur Still- und Laktationsberaterin, referiert auf Kongressen, leitet Seminare und veranstaltet zweimal im Jahr einen Workshop für Betroffene und Behandelnde so wie an diesem Wochenende im Hotel Lindtner (siehe Infokasten).

Was Angela Bernhardt besonders am Herzen liegt, ist, dass die Frauen ihre Erkrankung als Zeichen verstehen, besser auf sich acht zu geben. „Viele müssen erst lernen, einen Gang runterzuschalten und Dinge, die ihnen Kraft geben, mal nur für sich zu tun“, so Bernhardt. Sie selbst hat solche kleinen Auftankrituale in ihr Leben eingebaut. Geht morgens nach dem Aufstehen raus in die Natur, schnappt sich die Hunde und läuft durch den Wald. Sie nimmt sich auch während der Arbeit mal fünf Minuten für die innere Einkehr. Und sie bedankt sich am Abend für jeden Tag, den sie erleben darf. Weil sie weiß, dass dies nicht selbstverständlich ist.