Hamburg. Das Internet-Portal FiNiFuchs hilft Eltern und Angehörigen behinderter Kinder bei einer oftmals schwierigen Suche nach speziellem Gerät.

Es gibt Ideen, bei denen man sich fragt, warum eigentlich niemand zuvor darauf gekommen ist. FiNiFuchs ist so eine Idee – hinter dem lustigen Namen versteckt sich ein Portal im Internet, das wie ein Katalog für Kinderhilfsmittel funktioniert. Hätte man das nicht schon viel eher gebraucht?

Hilfsmittel sind Geräte, die Menschen mit Behinderungen benötigen, weil ihnen manche Fähigkeiten im Vergleich zu nicht behinderten Menschen fehlen: Können sie nicht laufen, benötigen sie einen Rollstuhl oder Gehhilfen. Wer nicht allein sitzen kann, braucht bestimmte Vorrichtungen für die Toilette. Dafür haben etliche Hersteller unterschiedliche Lösungen gefunden. Als Eltern hier neben der oft zeitaufwendigen Pflege den Überblick zu behalten? Unmöglich.

FiNiFuchs-Gründerinnen sind zu Gast im Abendblatt-Podcast

So empfanden es auch Constanze Werdermann und Janine Schnelte – sie sind die Gründerinnen von FiNiFuchs. Die beiden Frauen sind zu Gast in der aktuellen Folge des Abendblatt-Podcasts „Von Mensch zu Mensch“ und erzählen darin – abwechselnd, lebhaft und sich perfekt ergänzend – die Geschichte einer Plattform, die für Eltern behinderter Kinder inzwischen zu einem unentbehrlichen Ratgeber geworden ist, auch in Hamburg. Doch es ist nicht nur die Geschichte einer guten Idee, sondern auch eine Geschichte voller berührender Momente.

Es war eben nicht der Zufall, der Constanze Werdermann und Janine Schnelte zusammenbrachte und am Ende FiNiFuchs entwickeln ließ. Es war die schwere Behinderung, mit denen ihre Töchter Finja und Nike auf die Welt gekommen waren: CDKL5, eine seltene genetische Mutation des X-Chromosoms, die in den ersten Lebensmonaten eine schwer einstellbare Epilepsie und gravierende Entwicklungsstörungen hervorruft.

Um anderen Eltern die mühsam zusammengesuchten Informationen über die Krankheit auf Deutsch zur Verfügung zu stellen, baute Constanze Werdermann eine Website. Die 43-Jährige ist Mutter von zwei Kindern, alleinerziehend und Vollzeit berufstätig. „Über die Plattform, die ich damals ins Leben gerufen habe, habe ich Janine kennengelernt. Ihr Mann hatte mich wegen einer Frage kontaktiert“, erzählt Werdermann im Podcast, „und ich stellte fest, dass Janines Tochter supergut versorgt war und meine Tochter eben nicht. Ich fragte mich, warum und habe immer mehr gemeckert. Unsere Gespräche drehten sich fast nur noch ums Thema Hilfsmittel.“

Janina Schnelte weiß um die Probleme aus eigener Erfahrung

So entstand die Idee, über ein Portal möglichst viele Hilfsmittel vorzustellen, aber nicht nur das: durch die Bewertungen der Menschen, die diese Hilfsmittel tatsächlich nutzten, auch Aussagen über deren Alltagstauglichkeit zu treffen. Entstanden ist so eine beeindruckende Internetpräsenz. „Mit Tausenden Höhen und Tiefen mittendrin, aber am Ende steht das Ergebnis, und das steht dort bis heute.“ Mit den zusammengeschmolzenen Anfangsbuchstaben von Finja und Nike im Portalnamen verewigt: FiNiFuchs.

Janine Schnelte ist Mutter von drei Töchtern, Finja war die zweitgeborene. Mit fünf Jahren verstarb sie im Jahr 2019. Auch darüber spricht die 39-Jährige offen und ehrlich im „Von Mensch zu Mensch“-Podcast. Erzählt von der großen Leere, die der Tod ihrer Tochter hinterließ, und von ihrem Weg, damit umzugehen. „Für mich war da der Punkt: Kind ist weg, Aufgabe ist weg – Krankenschwester für meine Tochter musste ich auch nicht mehr sein“, erzählt Janine Schnelte. „Ich habe mich dann einfach in die Arbeit gestürzt.“

Die Finifuchs-Gründerinnen Constanze Werdermann (l.) und Janine Schnelte (r.) mit Peer-Beraterin Claudia Schröder-Josifovic.
Die Finifuchs-Gründerinnen Constanze Werdermann (l.) und Janine Schnelte (r.) mit Peer-Beraterin Claudia Schröder-Josifovic. © HA | Finifuchs

Zunächst waren es die eigenen Hilfsmittel, die die 39-Jährige auf die Plattform hochlud, und so habe es auch ausgesehen, erzählt sie lachend: „Nach do it yourself halt.“ Doch die Seite wuchs beständig, und auch das gehört bis heute zur Geschichte von FiNiFuchs: die unterschiedlichen Geschwindigkeiten, mit denen beide Frauen beim gemeinsamen Projekt dabei sind und in der Gründungsphase waren: Janine Schnelte im (trauererschöpften) Vollsprint, Constanze Werdermann neben Vollzeitjob, Familie und Pflege. „FiNiFuchs ist für mich das, was andere Leute ein Fitnessstudio nennen, im Endeffekt ist es ein Hobby“, sagt Constanze Werdermann. Wobei die beiden Mütter nicht mehr allein sind. Inzwischen arbeitet ein ganzes Team am Erfolg der Plattform mit – zum Beispiel auch Janine Schneltes Zwillingsschwester und Nikes Patentante.

„Meckern“ über die Hilfsmittelversorgung – das tun viele Eltern behinderter Kinder. Für Außenstehende ist das nicht immer nachvollziehbar – man solle doch dankbar sein, dass man all die Hilfsmittel kostenlos bekomme. Doch die Hilfsmittelverordnung eines Kinderarztes ist meist erst der Anfang einer anstrengenden Reise, die nicht gleich beim ersehnten Hilfsmittel endet. Zuvor müssen Genehmigungen der Krankenkasse eingeholt oder, bei einer Ablehnung der Kasse, Widerspruchsverfahren geführt werden. Dann wiederum kommt es immer wieder vor, dass bestimmte Hilfsmittel in einem Sanitätshaus noch gar nicht bekannt sind – oder unbeliebt. Bei FiNiFuchs können Eltern die Hilfsmittel selbst entdecken und die Bewertungen anderer Nutzer lesen.

Um die 1200 Hilfsmittel sind schon in der FiNiFuchs-Datenbank

Rund 1200 Hilfsmittel finden sich inzwischen in der FiNiFuchs-Datenbank, farblich sortiert und übersichtlich gegliedert in die verschiedenen Pflegekontexte – zum Beispiel Schlafen, Duschen, Essen und Trinken. Orchestriert wird das ganze Projekt im Übrigen komplett aus der Ferne: Constanze Werdermann wohnt am Bodensee, Janine Schnelte in Bremen. Im echten Leben gesehen haben sie sich erst wenige Male.

Ihrem Projekt hat es nicht geschadet. FiNiFuchs ist zum Knotenpunkt geworden, bei dem alle Akteure zusammenkommen, die es für eine sinnvolle Hilfsmittelversorgung braucht: die pflegenden Eltern, die versorgenden Sanitätshäuser, Therapeuten – und die Hersteller selbst. Wer nicht die Möglichkeit hat, zu den Hilfsmittelmessen zu reisen, kann die neuesten Innovationen auch in der „Online-Messe“ entdecken. Und: Im Bereich „Hacks“ verraten pflegende Eltern, wie sie das Fehlen eines Hilfsmittels oder die lange Wartezeit darauf überbrückt haben. Inspirierend!