Neu Wulmstorf. Betreiber bietet barrierefreies Senioren-Wohnen und stationäre Pflegeplätze in Neu Wulmstorf. Soll das Angebot die Hamburger locken?
- In Neu Wulmstorf im Süden von Hamburg leben rund 20.000 Menschen
- Und doch hat die Gemeinde im Landkreis Harburg derzeit kein einziges Pflegeheim
- Umso größer war die Hoffnung, als nun ein neuer Betreiber mit dem Bau eines Wohnparks begann
Hoffnungsschimmer in der Pflegekrise? Jetzt steht fest, ab wann der Seniorenwohnpark, der im Verlauf der Bahnhofstraße in Neu Wulmstorf entsteht und sich kurz vor der Fertigstellung befindet, bezogen werden kann: „Wir werden definitiv am 1. Juni eröffnen“, bestätigte Christina Brandt vom neuen Betreiber Renafan dem Abendblatt auf Nachfrage.
Der bundesweit tätige Pflegedienstleister hat das Projekt in Nachfolge der Anfang 2023 in Insolvenz gegangene Convivo-Gruppe übernommen, die den Wohnpark ursprünglich gemeinsam mit dem Immobilienentwickler Hesse + Partner aus Bremen geplant hatte. Nach der Convivo-Pleite baute Hesse + Partner das Projekt allein weiter. In Neu Wulmstorf gibt es derzeit kein Altersheim oder Senioren-Wohnen mit Pflege-Möglichkeiten.
Neues Pflegeheim im Süden von Hamburg: An wen richtet sich das Angebot?
Neuer Eigentümer der Immobilie ist seit Kurzem das Investmentunternehmen Hamburg Team Investment Management (HTIM), von der Renafan den Gebäudekomplex mieten wird. Der langjährige Mietvertrag sei vorletzte Woche geschlossen worden, teilte HTIM mit.
Unter dem neuen Titel „ServiceWohnen Apfelgarten“ entsteht in Neu Wulmstorf in Bahnhofsnähe eine auf Seniorenwohnen ausgerichtete Immobilie mit rund 6.500 Quadratmetern Mietfläche. Verteilt sind diese auf 62 barrierefreie „Service-Wohneinheiten“, zwei Wohngemeinschaften mit je zwölf Plätzen, ein Restaurant, eine ambulante Pflegeeinrichtung sowie eine Tagespflege.
Die Fertigstellung ist bis Ende April geplant. In einer hauseigenen Küche soll täglich frisch für die Mieterinnen und Mieter gekocht und perspektivisch auch ein öffentliches Mittagstisch- oder Caféangebot aufgebaut werden, wie Renafan mitteilt.
„Dem selbstbestimmten Seniorenwohnen gehört die Zukunft“
Die inhabergeführte Pflegegruppe ist nach eigenen Angaben bundesweit an mehr als 90 Standorten in fast allen Pflegesegmenten aktiv, darüber hinaus in Österreich und China. In der Hansestadt und Umgebung betreibt das Pflegeunternehmen insgesamt acht Niederlassungen, davon sechs ambulante Pflegestationen, einen Intensivpflegedienst und ein Pflegeheim. Renafan wurde 1995 gegründet und beschäftigt allein in Deutschland mehr als 3.700 Mitarbeitende.
Shaodong Fan, Gründer und Geschäftsführer der Renafan-Gruppe, blickt sehr zuversichtlich auf den Standort vor den Toren Hamburgs: „Der Individualität und Flexibilität des selbstbestimmten Seniorenwohnens mit viel Komfort, Service und kompetenter Pflege gehört die Zukunft. Das setzen wir seit mehreren Jahren stringent in unserer Expansionsstrategie um. Wir freuen uns sehr, dass wir mit diesem großen neuen Standort unser Portfolio in der Metropolregion Hamburg weiter ausbauen können.“
In der allgemeinen Pflegekrise mit zahlreichen Insolvenzen in dem Sektor setzt Fans Unternehmensgruppe auf Wachstum: Allein im vergangenen Jahr kamen nach Angaben von Unternehmenssprecherin Brandt sechs Standorte hinzu, seit Jahreswechsel bereits drei weitere.
Senioren-Wohnungen verfügen unter anderem über Notrufsysteme
Die Vermietung der Wohnungen, die mit Notrufsystemen und anderen speziellen Einrichtungen für die Sicherheit und Pflege von Senioren ausgestattet werden, läuft komplett über den neuen Betreiber. „Die Nachfrage ist irre groß“, sagt Brandt. Ihr liege bereits eine lange Interessentenliste vor. „Wir arbeiten sehr aktiv daran, diese abzuarbeiten“, so Brandt.
Über die Höhe der zu erwartenden Miete und die Kosten für einen Platz in der Pflegewohngemeinschaft, in der rund um die Uhr Personal anwesend sein soll, kann die Unternehmenssprecherin noch keine Angaben machen. „Wir sind dabei, die Preise durchzukalkulieren“, so Brandt. Sie hoffe, im April, spätestens im Mai, die genauen Kosten für die Mieter vorlegen zu können.
In Neu Wulmstorf gibt es derzeit keine einzige stationäre Pflege-Einrichtung
Neu Wulmstorf verfügt derzeit über keine stationäre Pflege-Einrichtung oder über Service-Wohnen, das speziell auf Senioren ausgerichtet ist. Hinter dem Begriff verbirgt sich die Möglichkeit, eigenständig in einer eigenen Wohnung zu leben und bei Bedarf verschiedene Leistungen hinzubuchen zu können – ein „Rundum-Sorglos-Paket“, wie ein HTIM-Sprecher sagt.
Auch der neue Seniorenwohnpark beim Nahversorgungszentrum an der Bahnhofstraße wird kein Heim herkömmlicher Konfiguration. Brandt sagt aber: „Bei uns können die Leute auch bei einem sehr hohen Pflegebedarf adäquat versorgt werden.“ Das bedeute, ein Umzug in ein „klassisches“ Pflegeheim sei auch in der letzten Lebensphase nicht erforderlich.
„Die Leute sollen bei uns wirklich ihren Lebensort für immer finden. Dafür sind wir erfahren genug als Pflegedienstleister und haben ja zum Beispiel auch einen Intensivpflegedienst in Hamburg“, betont die Unternehmenssprecherin.
In der Region leben viele Frauen, die nur über eine kleine Witwenrente verfügen
Die Angst in der älteren Bevölkerung vor Ort ist allerdings groß, dass sich „normale“ Rentner solche Angebote nicht leisten können. In der Region wohnen zahlreiche alte Menschen, die ihr Häuschen bereits länger an die Kinder vererbt haben – darunter viele Frauen, die nur über eine kleine Witwenrente verfügen, weil sie wegen der lange fehlenden Kinderbetreuung im Ort zu Hause bleiben mussten.
Deshalb fürchten Anwohner, dass sie nicht zu jener Klientel gehören, für die das sogenannte Service-Wohnen oder die Aufnahme in eine der beiden Pflegewohngemeinschaften bezahlbar sein wird.
Wenn die Hamburger kommen, wird es für Neu Wulmstorfer Senioren eng
Für sie stellt sich die Frage, ob der neue Seniorenwohnpark für Neu Wulmstorfer gebaut wurde oder doch eher für Hamburger, die aus der Stadt in den Außenbereich ziehen (müssen), weil es in der Hansestadt noch viel teurer ist. In dem Fall stünden Menschen mit Pflegebedarf und Senioren aus Neu Wulmstorf, die auf Service-Wohnen zurückgreifen möchten, aber nicht über die notwendigen Mittel verfügen, vor einem Dilemma: Entweder sie lassen sich zu Hause von Angehörigen versorgen oder sie müssen ihren Heimatort verlassen und weiter hinaus aufs Land in eine bezahlbare Unterkunft ziehen.