Lüneburg. Bundesligist dreht mit 4:1-Heimsieg gegen Izmir die Hinspiel-Niederlage. 3200 Zuschauer feiern. Wie Trainer Hübner sein Team belohnt.
Unglaublich, kaum zu glauben, unerwartet. „Hochemotional“, beschrieb Trainer Stefan Hübner seine Gefühle. Die wunderbare Reise der Lüneburger Volleyballer durch den Europapokal geht weiter. Und wie: In einem spektakulären Halbfinal-Rückspiel des CEV-Cups machte der Bundesliga-Vierte tatsächlich die 0:3-Niederlage aus dem Hinspiel vor einer Woche wett. Das Rückspiel gegen Arkas Izmir aus der Türkei gewann die SVG Lüneburg nach dem verlorenen ersten Satz zunächst mit 3:1 (17:25, 25:23, 30:28, 25:18), um dann nachzulegen.
Europacup: SVG Lüneburg kämpft Arkas Izmir in fünf langen Sätzen nieder
Anschließend musste der sogenannte „Golden Set“ über den Finalteilnehmer im CEV-Cup, dem zweithöchsten europäischen Vereinswettbewerb, entscheiden. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich die LüneHünen allerdings derart in einen Rausch gespielt, dass sie auch den Entscheidungssatz mit 15:8 gewannen.
Nationalspieler Erik Röhrs verwandelte den Matchball, stürmte völlig losgelöst zu den euphorisierten Fans und ließ sich in deren Armen auf der Tribüne feiern. Zusammen mit dem als „Man of the Match“ ausgezeichneten SVG-Kapitän Jesse Elser und Georg Grozer, dem deutschen Star in Reihen der Türken, bildete Röhrs mit jeweils 23 Punkten das Trio der Top-Scorer.
3200 enthusiastische Zuschauer in der LKH-Arena sorgten von Anfang an für Gänsehaut-Atmosphäre. Die Sporthalle an der Lüner Rennbahn war innerhalb von 90 Minuten nach Beginn des Vorverkaufs ausverkauft gewesen. Natürlich wollten die Fans die Chance nicht verpassen, Deutschlands besten Volleyballer, Georg Grozer junior, live in Aktion erleben. Der 39-Jährige nutzte das Gastspiel in der Heimat auch dazu, seine beiden Töchter Leana (16) und Loreen (13) wiederzusehen. Vor der Partie überreichte die SVG ihm ein Gastgeschenk, danach nicht mehr.
„Der Glaube an das Weiterkommen war von Anfang an“, sagte Stefan Hübner nach der Partie. „Wir wussten, dass zu Hause mit diesen Zuschauern im Rücken etwas möglich ist.“ An diesem Glauben konnte der verlorene erste Satz nichts ändern. Im dritten Satz waren die Lüneburg dreimal nur einen Punkt vom Ausscheiden entfernt.
Doch sie behielten die Nerven, spielten sich förmlich in einen Rausch. „Wir haben Wille und Herz gezeigt, sind in der Feldabwehr immer besser geworden und haben die langen Ballwechsel für uns entschieden. Und wir hatten das Glück auf unserer Seite“, schwärmte Hübner.
Nach dem ersten Satz drohte den Gastgebern das befürchtete Aus
Die Gastgeber erwischten einen guten Start und führten im ersten Satz schnell mit 5:2. Die Nervosität hatten sie aber nicht abgeschüttelt. Da waren die Gäste schneller komplett im Spiel, agierten mit unglaublicher Wucht im Aufschlag und in den Angriffsschlägen und brachten die Lüneburger mehrfach in Verlegenheit. Über 8:13, 11:16 und 13:20 ging der erste Durchgang mit 25:17 an Izmir. Die LüneHünen konnten immerhin Nadelstiche setzen. Auffälligster Mann war Georg Grozer, der diagonal von links wie rechts punktete, ebenso wie aus dem Aufschlag und im Block.
Danach entwickelte sich eine Partie auf absolutem Top-Niveau. Das Team von Stefan Hübner bot den Türken die Stirn, lag mehrfach mit vier Punkten in Führung, um dann wieder den Ausgleich hinnehmen zu müssen. Bei 20:21 schien der Satz sogar zu kippen. Doch eine Auszeit von Hübner stellte die Mannschaft in der Endphase neu ein. Ein Aufschlagfehler von Arkas und der Punkt von Matthew Knigge zum umjubelten 25:23-Satzgewinn ließen die Fans in der LKH-Arena endgültig an die Überraschung glauben.
LüneHünen steigern sich in einen Rausch: Satz drei, vier und fünf immer besser
Der dritte Satz war einer der besten, den diese Mannschaft je abgeliefert hat. Endgültig auf Augenhöhe mit dem Spitzenteam aus der Türkei präsentierten sich die LüneHünen nun. Auch drei Satzbälle gegen sich konnten sie nicht aus der Fassung bringen, der dritte Durchgang ging in eine lange Verlängerung. Mehrfach sorgten Challenges der Trainer für kaum auszuhaltende Spannung.
Nach dem 28:28 segelte schließlich eine Angabe von Izmir ins Aus – natürlich überprüft durch den Videobeweis – und Erik Röhrs machte den Sack zum 30:28 zu. Sollte hier tatsächlich die große Überraschung möglich sein? Sollte Lüneburg in das Endspiel des CEV-Cups einziehen können?
Selbst Deutschlands Bester kann am Ende nur noch den Kopf schütteln
Beide Fragen mussten schließlich mit einem klaren „Ja“ beantwortet werden. Izmir war angeknockt und von der Stärke und Beharrlichkeit Lüneburgs überrascht. Immer häufiger schüttelte Georg Grozer den Kopf. Als sich abzeichnete (18:13, 20:14, 23:18), dass Izmir auch den vierten Satz verlieren würde, nahm der kanadische Cheftrainer der Gäste seine besten Spieler vom Feld, um Kräfte für den Golden Set, den fünften Durchgang, zu sparen.
Allerdings fanden weder Grozer noch seine Mitspieler an diesem Abend zurück in das Spiel. Die SVG Lüneburg ging im Golden Set schnell mit 5:1, 9:3 und 11:4 in Führung. „Dieser gute Start in den Golden Set war nochmal wichtig“, so Stefan Hübner. Seine Mannschaft ließ sich unter dem ohrenbetäubenden Jubel der Fans nicht mehr vom Erfolgsweg abbringen. Ein neues Kapitel Vereinsgeschichte ist geschrieben.
Die Belohnung ließ nicht lange auf sich warten: Stefan Hübner gab seiner Mannschaft vier Tage frei, erst am Montag trifft man sich zum nächsten Training. „Das ist ein sehr spezieller Moment, den muss man einfach genießen“, so Hübner, einst einer der weltbesten Mittelblocker. „Momentan ist es mir nicht so wichtig, das Training nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zu planen. Die Jungs sollen einfach die Chance haben, diesen Moment zu genießen und daraus Energie zu ziehen.“
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Schon vor diesem speziellen Moment war klar, dass die Saison 2023/2024 in die Vereinsgeschichte der SVG Lüneburg eingehen wird. Meilensteine waren die erstmalige Teilnahme an der CEV Champions League und der Einzug in das Halbfinale des CEV-Cups. Der zweithöchste europäische Vereinswettbewerb ist vergleichbar mit der UEFA Europa League im Fußball. Auch in der Bundesliga haben die LüneHünen noch alle Karten in der Hand. Eine Partie vor Abschluss der Hauptrunde stehen sie auf dem vierten Tabellenplatz.
Nächste Aufgabe in der Bundesliga wartet am 8. März auswärts in Giesen
Nach einem spielfreien Wochenende – an diesem Sonntag, 3. März, werden in Mannheim die DVV-Pokale der Männer und Frauen vergeben – könnten die Lüneburger am Freitag, 8. März, mit einem Auswärtssieg im Niedersachsenderby bei den Helios Grizzlys Giesen (2. Platz) in der Tabelle vorrücken.
Als Drittplatzierter träfe Lüneburg im Play-off-Viertelfinale auf einen vermeintlich leichteren Gegner und ginge im Halbfinale aller Voraussicht nach dem Titelverteidiger und Favoriten, den Berlin Recycling Volleys, aus dem Weg. Gegen die Hauptstädter gab es in dieser Spielzeit schon drei knappe 2:3-Niederlagen.
Vor den Bundesliga-Play-offs steht das Endspiel im europäischen CEV-Cup auf dem Terminplan. Der Finalgegner wird am Donnerstagsabend im Rückspiel zwischen Fenerbahçe Istanbul (Türkei) und Asseco Resovia Rzeszów ermittelt. Das Hinspiel gewannen die Polen mit 3:1. Egal, wie Lüneburgs Gegner letztlich heißt: fest steht, dass das Final-Hinspiel am Dienstag, 12. März, in der LKH-Arena ausgetragen wird. Weitere Chancen also, die Erfolgsgeschichte des Lüneburger Volleyballs weiterzuschreiben.