Winsen. Jugendliche posten kurze Beiträge zu komplexen Themen. Erstes Video zählt mehr als eine Million Klicks. Was die Follower fasziniert.
- Kleine, schnell geschnittene Videobeiträge sind aktuell der Star auf Instagram
- Das soziale Netzwerk hat sich von einer reinen Foto-Plattform zu einem Bewegtbild-Kanal entwickelt
- Doch nicht nur mit seichten Themen haben Influencer hier Erfolg, wie das Beispiel aus Winsen zeigt
Das Video auf Instagram beginnt wie viele dieser kurzen Social-Media-Beiträge: Zwei Jugendliche treten schwungvoll vor die Kamera, begrüßen ihre Zuschauer, stellen sich vor – und kündigen ein spannendes Thema an. „Hi! Wir sind Leona und Sina. Und wir erzählen euch heute, was im US-amerikanischen Parlament alles so abgeht.“
Spätestens an dieser Stelle ist klar: Dies ist kein gewöhnlicher Instagram-Auftritt. Hier geht es um Politik, von jungen Menschen für junge Menschen. Gründlich recherchiert, verständlich zusammengefasst, im Instagram-Format aufbereitet. Das kommt an, der Account „politik.informiert“ hat aktuell 33.300 Follower.
Kleine Videos zu großen Themen: Diese Schüler haben den Insta-Dreh raus
Dahinter stehen Schüler des Luhe-Gymnasiums in Winsen. Im Politik-Leistungskurs des zwölften Jahrgangs haben sie sich seit Beginn des Schuljahres damit befasst, wie politische Themen jungen Menschen näher gebracht werden können.
Schon das erste Video war ein Riesenerfolg, es zählt mittlerweile mehr als eine Million Aufrufe. Dabei befasste es sich noch nicht einmal mit Politik, es war nur eine Ankündigung, was an dieser Stelle folgen sollte. „Die große Resonanz darauf hat schon etwas Druck aufgebaut“, sagt Lehrerin Julia Titze, die das Projekt an der Schule betreut. Mit kurzen Beiträgen, die sie immer sonntags auf Instagram veröffentlichen, greifen die Schüler seitdem jede Woche zwei aktuelle Themen auf.
Für „politik.informiert“ gehen die Schüler tief in die Recherche
Wer wählt die AfD? Was hilft gegen Kinderarmut? Warum spaltet der Konflikt in Israel die Gesellschaft? Wie verteidigt sich die Ukraine im Krieg? Und was ist eigentlich die Schuldenbremse? Am Anfang der Recherche steht immer eine Frage zur Innen- oder Außenpolitik, dann geht es in die intensive Recherche. Dafür nutzen die Jugendlichen verschiedene seriöse Quellen, wie zum Beispiel die Internetseiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
„Wir haben teilweise sehr viel Zeit investiert“, sagt Jasper Frühwirth, einer der Schüler, der an dem Account mitarbeitet. Für einen Beitrag habe er sechs Stunden recherchiert – um am Ende vier Folien zu erstellen. Genau diese Verdichtung sei aber notwendig für ein solches Format. Deshalb wird die Anfangsfrage bestenfalls zu einer sehr konkreten Fragestellung verdichtet. Für den Beitrag achten die Schüler zudem darauf, einem klar erkennbaren Roten Faden zu folgen.
Kurzformat ist Herausforderung, um politische Hintergründe zu erklären
Dass es gar nicht so einfach ist, komplexe politische Themen in weniger als einer Minute abzubilden, merkten die Jugendlichen schnell. Auch wenn es auf Instagram Pflicht ist, sich kurz zu halten – mit 15 Sekunden kommen sie nie aus. Oft haben die Videos auch eine Länge von mehreren Minuten. Der Beitrag zur Schuldenbremse ist der bislang längste, er bringt es auf fünf Minuten und 56 Sekunden. Das nähmen sie aber in Kauf, meint Marc Popp, ebenfalls ein Kursteilnehmer. „Die seriöse Information ist uns wichtiger, als ein möglichst kurzes Video.“
Der Erfolg gibt den Schülern aus Winsen Recht. Mit ihrem Instagram-Account politik.informiert erreichen sie vor allem junge Menschen, die meisten sind 18 bis 24 Jahre alt. Doch es gibt auch noch Luft nach oben, wie die Analysen zeigen: Im Durchschnitt bleiben die Nutzer nur für 18 Sekunden auf einem Video.
- Gymnasium Hamburg: Wie ein AfD-Projekt Eppendorfer Schülerinnen politisiert
- TikTok: Russland mit gefährlicher Masche gegen deutsche Jugendliche
- Ohne Noten: Das läuft anders an der neuen Schule in Seevetal
„Wir haben in den vergangenen Monaten viel gelernt“, sagt Schülerin Leona Gerdt, die sich unter anderem mit dem US-amerikanischen Repräsentantenhaus befasst hat. Für den Inhalt sei es wichtig, sich trotz langer Recherche auf die wichtigsten Punkte zu konzentrieren. Mit Blick auf das Format wollten sie in Zukunft noch mehr Bilder und farbigen Text in die Beiträge einbauen.
politik.informiert auf Instagram: Ein Projekt, um Filterblasen aufzubrechen
Viele hilfreiche Tipps kommen direkt von den Nutzern, ebenso Kritik. In den Kommentaren spiegelten sich unterschiedliche politische Haltungen wider, sagt Lehrerin Julia Titze. Wenn die Videos aus Winsen Menschen erreichen, die den Medien eher skeptisch gegenüberstehen, ist aus ihrer Sicht viel erreicht. „Damit brechen wir die Filterblase auf, in der sie sich befinden.“
Mit dem Halbjahr endet auch das Projekt im Leistungskurs Politik des Luhe-Gymnasiums. Der Account auf Instagram wird weitergeführt, zehn der Kursteilnehmer haben sich für eine freiwillige Arbeitsgemeinschaft angemeldet. So wollen sie auch in Zukunft ihre Altersgenossen kurz und konkret über die Politik im In- und Ausland informieren.