Seevetal. An der freien Grund- und Oberschule bestimmen Kinder selbst, wie sie lernen wollen. Welche Rolle digitale Hilfsmittel dabei spielen.
Einen freien Ort zum Lernen, der dennoch Orientierung bietet. Das wollen die Initiatoren hinter der freien Schule „Fuxs“ in Seevetal schaffen. Von Sommer 2024 an sollen etwa 30 Kinder die neue Grund- und Oberschule besuchen – rund zwei Jahre nach Beginn der Planungen. Beheimatet ist sie in einem früheren Bürogebäude in Fleestedt, das für den Schulbetrieb noch umgebaut wird.
Entstehen soll eine Schule, in der Kinder selbstbestimmt lernen und sich ihren Stärken entsprechend entfalten können. Die Buchstaben in „Fuxs“ stehen für Freiheit, Weltoffentheit, Vielfalt und Selbstorganisation. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem digitalen Lernen, so nutzt die Schule eine eigens konzipierte Plattform, um die Lernfortschritte der Kinder zu dokumentieren.
Freie Schule in Seevetal arbeitet ohne Noten und mit Lernbegleitern
Das Konzept ist ein wichtiger Baustein, um die Genehmigung der Schulbehörde für die neue Schule, die einige Ähnlichkeiten zur freien Heureka-Schule Seevetal aufweist, zu erhalten. Dies sei weitgehend abgestimmt, sagt Nadine Taeger, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des 2021 gegründeten Vereins. Ebenso sei die Finanzierung und mit sechs Lehrkräften auch das Personal gesichert. Der Bauantrag für den Umbau des Gebäudes sei beim Landkreis Harburg in Bearbeitung.
Die Suche nach einem passenden Standort sei „der größte Knackpunkt“ gewesen, sagt Nadine Taeger. Zunächst hatte der Verein ein Gebäude in Helmstorf in Aussicht, entschied sich jedoch wieder um, als sich die Möglichkeit in Fleestedt ergab. Das frühere Bürogebäude nahe dem Hittfelder Bahnhof, das der Verein seit vergangenem Sommer gemietet hat, ist etwa 625 Quadratmeter groß.
Gebäude in Fleestedt hat Platz für bis zu 100 Kinder in Grund- und Oberschule
Es hat einen offenen Eingangsbereich und auf einer Ebene mehrere große Räume. Darin entstehen zwei Lernateliers – jeweils eines für die Grundschüler und die Oberschüler – sowie sechs Funktionsräume, wie eine Kreativwerkstatt. Das bisherige Lager wird zum Bewegungsraum umgebaut und soll künftig auch als Aula, Musik- oder Theaterraum dienen. Zudem gibt es eine kleine Küche, einen Ruheraum und ein Außengelände.
Starten wird die „Fuxs“-Schule mit etwa 30 Kindern, sie kommen unter anderem aus Seevetal, Stelle, Winsen, Hamburg und auch aus Schleswig-Holstein. Noch gibt es einige freie Plätze. Künftig sollen hier bis zu 100 Schüler von der 1. bis zur 10. Klassenstufe lernen. Feste Klassen gibt es jedoch ebenso wenig wie Noten. Jedes Kind kann weitgehend selbst entscheiden, was es wie lernen möchte.
Freie Lernzeit und feste Angebote: An der neuen Schule gibt es beides
Eine gewisse Struktur gibt es dennoch: Jeder Tag beginnt im Lernatelier, gefolgt von einer Lernangebotszeit. In dieser können die Schüler aus festen Kursen einen auswählen, in dem sie Anregungen zu einem bestimmten Thema erhalten, zum Beispiel in Form einer Buchvorstellung. Anschließend tauchen sie in der Projektzeit tiefer in ihr gewähltes Thema ein.
„Die Kinder haben hier die Chance, ihre eigenen Stärken herauszuarbeiten und selbst herauszufinden, in welche Richtung sie gehen wollen“, sagt der erste Vereinsvorsitzende Daniel Zimmermann. Unterstützt werden die Schüler von den Lehrkräften, die hier Lernbegleiter heißen, und insbesondere durch ihren jeweiligen Mentor. Vorbild ist der Fuchs, der sich trotz wandelnder Umstände gut zurecht findet.
Digitalisierung soll fest in den Schulalltag integriert werden
„Das selbstbestimmte Lernen ist uns ganz wichtig“, betont Nadine Taeger. „Aber wir wollen auch die Vorteile einer Regelschule mit gewissen Strukturen nutzen.“ Eine tragende Rolle spielt dabei eine digitale Lernplattform, auf der die Grundschüler sogenannte Fuxs-Pfade verfolgen. Nach und nach können sie ihre Lernschritte hier ausfüllen, mit ihren Mentoren Arbeitspläne für den jeweiligen Tag erstellen oder später auch direkt am Tablet Lernangebote nutzen.
Das digitale Lernen soll fester Bestandteil des Schulalltags sein, sagt Nadine Taeger. „Wir sind überzeugt, dass Medienkompetenz von Anfang an wichtig ist, nicht erst in der 7. Klasse.“ Ziel ist es, die Kinder für eine digitale Zukunft fit zu machen, kritisches Denken und Kreativität zu fördern. Gerade die Grundschüler werden daher auch mit Stift und Papier arbeiten.
Die Schule organisiert sich nach dem Prinzip der Soziokratie
Organisatorisch setzt der Trägerverein Über:Morgen auf das Prinzip der Soziokratie. Eltern und auch Schüler können sich mit ihren jeweiligen Fähigkeiten in verschiedene Arbeitskreise einbringen und so Verantwortung für die Entwicklung der Schule mit übernehmen. Die derzeit 28 Vereinsmitglieder, darunter Lehrerinnen, IT-Fachleute, Pädagogen, Betriebswirte und Eltern, bereiten den Schulstart ebenfalls in Arbeitskreisen vor. In wöchentlichen Treffen tauschen sie sich aus und treffen Entscheidungen.
- Teure neue Superschule – aber die Eltern sind frustriert
- Tostedts neue Kita: Die größte und teuerste in der Gemeinde
- Leseschwäche bei Grundschulkindern – wie Tanzen hilft
Finanziert wird die entstehende Schule bisher vor allem duch die Vereinsmitglieder. Darüber hinaus hat sich ein Großspender eingebracht, der namentlich nicht genannt werden möchte, sich dem Verein zufolge jedoch deutschlandweit für nachhaltige Bildung einsetzt. Er sei daran interessiert, das in Seevetal erarbeitete Konzept in andere Regionen weiterzutragen, sagt Nadine Taeger.
Freie „Fuxs“-Schule in Seevetal: Eltern zahlen 200 Euro pro Monat
Bedenken, dass dahinter ein Mensch mit extremen Ansichten stehe, müsse man nicht haben. „Wir distanzieren uns ausdrücklich von rechten Strömungen“, betont die zweite Vorsitzende. Dies sei auch über Vereinssatzung, Arbeitsverträge und Schulverträge abgesichert. Wer sich nicht zum Wertekanon der Schule bekenne, habe dort keinen Platz.
In Zukunft wird auch das Schulgeld zur Finanzierung beitragen. Die Eltern der künftigen Schüler zahlen in der Regel monatlich 200 Euro. Reicht das Einkommen dafür nicht aus, kann eine Ermäßigung beantragt werden. In den ersten drei Jahren müssen sich Schulen in freier Trägerschaft aus eigenen Mitteln finanzieren. Erst danach gibt es finanzielle Unterstützung durch den Staat.