Winsen. Brian Bo Lakämper hat im Land Niedersachsen die mögliche Höchstpunktzahl beim Abitur erreicht. Nun will er in Cambridge studieren
Die Umstände waren eigentlich alles andere als gut. Die meiste Zeit vor seinen Abiturprüfungen verbrachte Brian Bo Lakämper zu Hause – klar, es herrschte ja Corona, sogar das Fußballtraining fand während der vergangenen zwei Jahre streckenweise virtuell statt.
Viel Ausgleich zum Lernen gab es also nicht, Schule war noch mehr als sonst Dreh- und Angelpunkt. Trotzdem hat es der Winsener geschafft, sich die Zeit gut einzuteilen, eben nicht zu büffeln, sondern in Maßen zu lernen, wie er sagt.
Niedersachsens Kultusminister gratuliert persönlich
Und damit hatte er Erfolg, und was für einen! Lakämper, Schüler des Luhe-Gymnasiums, ist der beste Abiturient Niedersachsens, die mögliche Höchstpunktzahl von 900 erreichte der 17-Jährige, also einen Durchschnitt von 1,0, theoretisch liegt er sogar noch darunter. Vorige Woche hat ihm Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) persönlich gratuliert.
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Auch die drei Abiturienten, die die Plätze hinter Lakämper belegen, ehrte der Politiker. Das Land belohnt sie mit insgesamt 2000 Euro. Ein junger Mann aus Seesen uns zwei junge Frauen, aus Oldenburg und Alfeld, erreichten ebenfalls Punktzahlen über 890. Der Notendurchschnitt, landesweit, liegt bei 2,38. Wie der Durchschnitt in den Landkreisen Lüneburg, Stade und Harburg an den insgesamt 36 Schulen ausgefallen ist, stand vor Redaktionsschluss noch nicht fest.
Niedersächsische Abiturienten sind besser als vor Corona
„Natürlich habe ich darauf hingearbeitet, ich wollte das Bestmögliche rausholen, nichts liegenlassen“, sagt Lakämper. Dass dann alles so reibungslos funktionierte, hätte er aber auch nicht gedacht. So viele Punkte wie er erreichten im vergangenen Jahr schon einmal zwei Abiturientinnen. Und das alles trotz Pandemie – insgesamt schnitten die 28.805 niedersächsischen Abiturienten, in der Mehrzahl weiblich, 2022 besser ab als vor Corona, was bemerkenswert ist.
Lakämper hatte die Leistungskurse Latein, Englisch und Mathe belegt, Geschichte und Deutsch waren die Fächer, in denen er auf grundlegendem Niveau geprüft wurde. Während der dreiwöchigen Prüfungsvorbereitungszeit lernte Lakämper nur vormittags, nach dem Mittagessen sei seine Konzentrationsfähigkeit meistens weg, besonders dann, wenn er den ganzen Tag zu Hause verbringt, gesteht er. Hier sei seine Sehnsucht gewachsen, wegzugehen, ins Ausland zu ziehen. Hilfestellung beim Lernen erhielt er von seinen Eltern, er bereitete Lernzettel vor, sie fragten ihn ab. Sein Vater kennt den Schulalltag, er ist Leiter des Gymnasiums Meckelfeld und hat erst gerade, nach seinem ersten Jahr im Amt, die beste Abiturientin in der Schulgeschichte verabschiedet.
Faszination von Latein und Griechisch
„Die alten Sprachen sind mein Spezialgebiet“, sagt sein Sohn. In der sechsten Klasse hatte er sich bereits so viel an Grammatik nebenbei selbst beigebracht, dass er seinen Mitschülern um Meilen voraus war. Ihn faszinierte von Anfang an die Vielfalt an Formen: „Mit weniger Zeichen oder Lauten kann man sich viel präziser ausdrücken.“
Dass der Winsener den präzisen Ausdruck schätzt, bemerkt man als sein Gegenüber schon nach einem kurzen Austausch. Lakämper wählt seine Worte mit Bedacht und er weiß, was er will: nämlich keine Zeit verlieren und möglichst an der besten Uni lernen. Bereits vor rund einem Jahr formte er einen Plan für sich, als feststand, dass seine Noten tadellos werden würden, sagt er. An keiner Geringeren als der Cambridge University will er im Oktober anfangen zu studieren.
Die Reputation war entscheidend
Wie kann man am höchsten hinaus, habe er sich gefragt, die Reputation sollte den Ausschlag geben. In die USA ziehen wollte er nicht, dann hätte er zu selten die Chance gehabt, nach Hause zu kommen. Es blieben Oxford und Cambridge übrig – und sein Bauch entschied sich für die ostenglische Stadt. Im Fach Classics wird er sein Studium beginnen, was einer Mischung aus Altertumswissenschaften und Klassischer Philologie nahe kommt, jedoch mehr Möglichkeiten eröffnet.
Nur Sprache und Literatur – das wäre ihm zu engstirnig, sagt der Winsener. Ihn interessiert auch die Kultur, die sich hinter der Sprache verbirgt, die Denk- und Lebensweise der Menschen, nicht zuletzt die Staatsphilosophie, das Verhältnis des Einzelnen zum Ganzen. Altgriechisch hat er sich neben der Schule angeeignet, sein Lehrer Max Medenus unterstützte ihn, Lakämper nennt den Lehrer des Luhe-Gymnasiums „seinen Mentor“.
Druck durch hohe Studienkosten
Schon im vergangenen Oktober bewarb er sich in Cambridge – ohne jemals dort gewesen zu sein, wohlbemerkt. Während der virtuellen Tage der offenen Tür konnte er zum ersten Mal einen Blick auf den Campus werfen. Auch das Bewerbungsgespräch fand per Videokonferenz statt. Er sei aber auch froh gewesen, dass er sich den langen Weg ersparen konnte, sagt er rückblickend.
Es folgte die große Erleichterung im Januar: die Bestätigung, dass er sein Studium beginnen kann, sofern sein Abschlusszeugnis entsprechend gut ist. Den Tag werde er nie vergessen, sagt er. Es fehlen aktuell also nur noch Formalitäten, eine Finanzerklärung etwa. Mit Kosten in Höhe von 150.000 Euro für drei Studienjahre rechnet die Familie. „Das ist horrend viel Geld, aber das ist halt meine Leidenschaft“, sagt Lakämper. Er habe sich dafür entschieden, die Widrigkeiten in Kauf zu nehmen, die unifreie Zeit will er in einem Winsener Hofladen arbeiten. Eine Förderung kann er nicht beantragen, schließlich liegt sein Studienort außerhalb der EU.
Auf der Überholspur
Nach dem Studium will Lakämper forschen oder lehren. Sein Studienfach bietet ihm aber auch die Chance, sich nach dem Bachelor umzuorientieren, mit Jura weiterzumachen, Völkerrecht oder Politik. Fragt man ihn, was er denn in seiner Freizeit mache, um sich zu entspannen, antwortet er, dass es ja die alten Sprachen seien, die ihm Freude bereiten. Und dann wäre da noch der Sport, neben seiner Begeisterung für Fußball läuft Lakämper. Gerade erst wurde er Schnellster im Stadtwerke-Familienlauf – auch beim Laufen befindet er sich also öfter auf der Überholspur. In Cambridge will Lakämper weiter laufen und sich auch eine Fußballmannschaft am Campus suchen. Sein Zuhause werde er dennoch sehr vermissen.