Bendestorf. Trickfilme als Unterrichtsstoff: Projektarbeit zieht Grundschüler in ihren Bann. Welch kreative Geschichten der Nachwuchs erzählt.
Wo Anfang der 1950er-Jahre noch bekannte Regisseure wie Rolf Meyer hinter der Kamera standen und Schauspieler wie Zarah Leander, Hildegard Knef, Joachim Fuchsberger und Peter Alexander in Szene setzten, ist neues Leben eingekehrt: In Bendestorf, dem einstigen Heide-Hollywood, in dem ein Filmmuseum an die goldene Zeit des deutschen Heimatfilms erinnert, wird wieder gedreht.
Die Regisseure von heute heißen allerdings nicht Rolf, sondern Lasse oder Levi, Elli oder Mira. Sie sind zwischen neun und elf Jahren alt. Das Hamburger Abendblatt war bei einem Dreh im Filmmuseum Bendestorf dabei. Lautes Kinderlachen erfüllt die historischen Räume im 50er-Jahre-Bau am Schierenberg. Eine vierte Grundschulklasse der Bendestorfer Sonnenschule ist mit ihrer Lehrerin Gesa Becker zu Gast.
Grundschüler der Sonnenschule erhalten professionelle Unterstützung
Die Kinder erstellen mit Unterstützung von Mediaprofi Guido Bauhammer vom Mediamobil eigene Trickfilme. Mediamobil ist ein medienpädagogischen Angebot der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM), die Lehrer fortbildet.
Auch Tommy Schmidt, Vorsitzender des Filmmuseums Bendestorf, war mal Lehrer. Vor allem aber ist er Schauspieler. Er hat das Projekt angeschoben und ist stolz darauf, der Schule das Museum als Lernort zur Verfügung stellen zu können.
Die Storyline für ihre Produktionen haben sich die Kinder selbst ausgedacht. Zum Beispiel die Geschichte, wie Deutschland in einem WM-Spiel gegen Italien antritt. Oder wie die Greencaps, zwei Ponys mit grünen Kopfbedeckungen, mitten auf ihrer Weide von einem fiesen Redcap unbekannter Art bedroht werden.
Nachwuchs entwickelt spannende Grundideen – ruft bald Hollywood an?
Oder wie Ron Weasley in sein Brot beißt und darin eine Spinne findet. Panisch rennt Ron in den verbotenen Wald. Und wird dort von finsteren Unholden zu einer gemeinen Version seiner selbst geklont. Der Klon hat den Auftrag, Harry Potter und Hermine zu töten. Was ohne Weiteres als Grundidee für ein hollywoodtaugliches Remake des Kinderbuch-Klassikers taugen könnte, wird hier in einer halben Minute abgehandelt. Und führt – ein Glück – zum Happyend.
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Möglich macht das Ganze eine Trickbox. Eine Kiste, in deren Deckel ein Tabletcomputer mit filmtauglicher Software steckt. In der Kiste positionieren die Kinder Legospielzeug, Bilder und Playmobilfiguren. Für jedes neue Foto werden die winzigen Objekte millimeterweise verschoben.
Die einzelnen Motive werden mit dem Tablet fotografiert und aneinandergereiht. „Stop motions“, so der Fachbegriff für diese Technik, die sehr viel Geduld und Präzision verlangt. Pro Minute Film sind mindestens 20 Fotos erforderlich mindestens 100 für einen Ministreifen.
Für wenige Minuten Film ist ein erheblicher Aufwand erforderlich
Als die Bilder laufen lernten – ein Phänomen, das die Kinder neu und eindrucksvoll erleben. Die Jung-Regisseure sind mit Feuereifer dabei, manche vergessen sogar, eine Frühstückspause einzulegen. Sie diskutieren, proben, verwerfen und machen neu, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden sind. Fähigkeiten, die sie später im Beruf und in der Freizeit brauchen werden, um erfolgreich zu sein.
Der Lohn ihrer Mühe: Sind die Filme fertig, werden sie gemeinsam angeschaut. Und das nicht nur auf dem Laptop, sondern richtig im Kino. Genauer gesagt, in den roten Plüschsesseln des Produzentenkinos, in dem schon die Großen ihrer Zunft Filme für ein Millionenpublikum abnahmen. Ein Aha-Erlebnis in doppeltem Sinne.
Zeichentrickfilmprojekt macht offenbar mehr Spaß als normaler Unterricht
„Ich habe vorher nie geahnt, dass in Zeichentrickfilmen so viel Arbeit steckt“, staunt die zehnjährige Johanna. Sie könnte sich gut vorstellen, später einmal selbst in der Filmproduktion zu arbeiten. Zusammen mit ihren Teamkolleginnen Mira, Pheline und Philippa genießt sie die Freiheit, eigene Ideen zu entwickeln. Das Zeichentrickfilmprojekt mache sehr viel mehr Spaß als normaler Unterricht, bestätigen die Mädchen.
Levi, Lasse und Tim tüfteln derweil noch immer an ihrem Fußballprojekt, haben inzwischen ein realitätsnahes Spielfeld aufgebaut und sind zur Überzeugung gekommen, die Deutschen gegen die „Azzurri“ gewinnen zu lassen. „Das wäre doch mal wieder an der Zeit“, meinen die Grundschüler.
Ziel: Filmproduktion von und mit Kindern in Bendestorf weiter ausbauen
Auch wenn die Bausubstanz des Filmmuseums Bendestorf in die Jahre gekommen ist, die Fenster in Einfachverglasung an diesem kalten Wintertag die Zugluft passieren lassen – die Begeisterung für den Film und seine Möglichkeiten läuft hier heiß und ist offenbar zeitlos.
Wie der Museumschef Tommy Smidt verrät, will er die neu angelaufene Filmproduktion von und mit Kindern in Bendestorf weiter ausbauen. Auch das Fotografieren mit analogen Kameras und das Entwickeln von Schwarz-Weiß-Filmen soll demnächst im Museum erlernt werden können, sagt der umtriebige Mann, der in der Sparkasse Harburg-Buxtehude eine Unterstützerin der Museumsarbeit gefunden hat. Es bleibt also spannend im Filmmuseum Bendestorf. Weitere Informationen unter www.film-bendestorf.de.