Bendestorf. Bei einem Besuch im Filmmuseum Bendestorf kommt es zu einem Wiedersehen mit Ottos alten Freunden und Weggefährten.

„Das Modell kenne ich, auf so etwas habe ich meinen ersten Film geschnitten!“ Otto Waalkes, einer der bekanntesten Komiker Deutschlands, der Millionen zum Lachen brachte, als das Wort „comedian“ noch gar nicht erfunden war, freut sich, als er im Bendestorfer Filmmuseum einen alten Schneidetisch entdeckt.

Der gebürtige Ostfriese, der mit seinem Humor, seiner Schlagfertigkeit, seiner wandlungsfähigen Stimme und seinem typischen „Otto-Gang“ ganze Generationen begeisterte und dessen Wortprägungen heute Teil der Umgangssprache sind, besucht seinen früheren Drehort.

Hildegard Knef, Zarah Leander, Hans Albers – sie allen waren hier

Nur wenige wissen, dass er da ist. Noch weniger sind eingeladen, den Künstler, der auch als Comiczeichner, Musiker, Schauspieler, Regisseur und Videoproduzent erfolgreich ist, live zu erleben. „Wenn wir diese Veranstaltung öffentlich machen, wird das Museum total überrannt. Und das wollen wir nicht“, erklärt Tommy Smidt, erster Vorsitzender des 140 Mitglieder zählenden Vereins Freundeskreis Filmmuseum Bendestorf, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, neues Leben in das historische Studio-Areal zu bringen. Smidt ist sichtlich stolz, seinen Mitgliedern den prominenten Gast präsentieren zu können, dessen Film „7 Zwerge – der Wald ist nicht genug“ im Produzentenkino des Museums gezeigt wird.

Mit Udo Lindenbergs Pianist Jean-Jacques Kravetz verbindet Otto seit Jahrzehnten eine musikalische Freundschaft.
Mit Udo Lindenbergs Pianist Jean-Jacques Kravetz verbindet Otto seit Jahrzehnten eine musikalische Freundschaft. © HA | nanette franke

Das Filmmuseum ist der einzige verbliebene Teil der Filmstudios, die Rolf Meyer von 1948 bis 1950 hinter dem Hotel Schlangenbaum am Rande des Klecker Walds bauen ließ. Hildegard Knef, Marika Rökk, Zarah Leander, Heinz Rühmann, Hans Albers – die Filmstars der jungen Republik gaben sich bei der von Meyer gegründeten Junge-Film-Union in Bendestorf die Klinke in die Hand. Später wurden hier bis in die 2000er-Jahre überwiegend Shows und TV-Serien gedreht.

Es war Ottos eigener Wunsch, nach Bendestorf zurückzukehren

Ottos Produktionsgesellschaft Rüssl Film mietete von 1993 bis 94 die Studios, um für RTL Television „Otto – Die Serie“ zu produzieren: Teile aus Edgar-Wallace-Filmen wurden dafür digitalisiert, neu synchronisiert und mit Otto-Szenen zu Sketchen umgebaut.

Otto hat sich in Bendestorf offenbar sehr wohl gefühlt. Denn im Gespräch mit einer Hausangestellten soll er wiederholt den Wunsch geäußert haben, seinen früheren Drehort zu besuchen. Tommy Smidt erfuhr davon, lud den Star sofort in die Heide ein und nach einem Jahr Verhandlungen mit dem Otto-Management war jetzt der Termin gefunden.

Als Otto mit Marius Müller-Westernhagen und Udo Lindenberg in Winterhude lebte

Für Waalkes wurde der Besuch im Filmmuseum zum Wiedersehen mit Freunden und Weggefährten: mit Udo Lindenbergs Pianist Jean-Jacques Kravetz, mit dem Otto seit Jahrzehnten musikalisch verbunden ist, mit NDR-Moderator Lutz Ackermann, mit dem Otto einst eine Plattdeutsch-Sendung moderiert hat. Mit Ohnsorg-Schauspielerin Sandra Keck. Und mit manchem, der dabei war, als Otto gemeinsam mit Marius Müller-Westernhagen und Udo Lindenberg in der Villa Kunterbunt in Hamburg-Winterhude lebte.

Teatime mit Otto: Der Ostfriese trinkt Kamillentee!
Teatime mit Otto: Der Ostfriese trinkt Kamillentee! © HA | nanette franke

Erinnerungen wurden ausgetauscht – etwa daran, wie die Filmteams aus der Großstadt über den legendären Nachtclub Schlangenkeller gleich neben den Bendestorfer Studios staunten, der damals als der Gipfel der Verruchtheit galt. Oder an die Nacht, als Otto für eine Filmszene ein Trampolin brauchte und in dem schlafenden Nordheidedorf zunächst keines aufzutreiben war. Gemeinsam spazierten die Freunde von damals unter Smidts Führung durch die Ausstellung, in der Otto seinem jungen Selbst begegnete: Auf den Bildschirmen der ausgestellten TV-Geräte springt, spielt, lacht, keckert und singt der damals noch langhaarige Star, als ob Müdigkeit für ihn ein Fremdwort sei.

Am Ende des Rundgangs ist Zeit für einen Kamillentee

Der private Otto, mittlerweile 74 Jahre alt, wirkt deutlich ruhiger. Er gibt sich bescheiden, zurückhaltend, sehr höflich und hoch interessiert an der Geschichte des Filmmuseums, die sich vor ihm auftut. Am Ende des Rundgangs ist Zeit für einen Tee. Der Künstler zieht sich für einen Moment zurück. Vor ihm eine Silberkanne mit: Kamillentee!, den der in Emden aufgewachsene Waalkes mit Akazienhonig, nicht mit Kluntjes süßt. „Das tut mir gut“, verrät er, während er geduldig die Fragen junger Leute beantwortet, die unbedingt ein Video mit ihm drehen wollen.

So also sieht das Gesicht zur Stimme von Sid aus „Ice Age“ aus: Die jungen Mädchen staunen.
So also sieht das Gesicht zur Stimme von Sid aus „Ice Age“ aus: Die jungen Mädchen staunen. © HA | nanette franke

Draußen auf dem Parkplatz des Museums und vor dem Eingang bilden sich unterdessen erste Schlangen. Das Produzentenkino, in dem früher Regisseure die Filmproduktionen sichteten, ist pickepacke voll. In den roten Plüschsesseln fiebern die Zuschauer dem Auftritt entgegen, den Otto den Bendestorfern versprochen hat. Unter den ungeduldigen Fans die elfjährige Jara Schewe aus Hamburg, die Otto aus Spotify-Clips kennt und besonders seine Musik liebt. „Mein neunjähriger Bruder ist ganz vernarrt in Otto, der kann alles von ihm auswendig und sogar die Stimme perfekt nachmachen“, schwärmt das Mädchen.

Er zelebriert mit der Gitarre den „Schwamm-Drüber-Blues“

Dann geht die Tür auf: Otto kommt. Und ist wie verwandelt. Die Arme eng am Körper, die Hände pfötchenartig hängend, hüpft er in bekannter Otto-Manier zum Mikro. Gemeinsam mit Tommy Smidt rekonstruiert er seine Biografie, trägt mit treuherzigem Augenaufschlag ein Gedicht vor, das er als Sechsjähriger in der Kirche aufgesagt haben will, stimmt den Babysitter Boogie an, den er als Elfjähriger in einem Emdener Kaufhaus sang, zelebriert mit der Gitarre den Schwamm-Drüber-Blues und verzückt die Kinder mit den von ihm synchronisierten Stimmen von Sid aus „Ice Age“ und dem Grinch die Kinder.

Das legendäre Wort zum Sonntag: „Theo, wir fahren nach Lodz“, dann „Wir haben Grund zum Feiern“. Das Publikum applaudiert noch begeistert, da ist Otto schon längst wieder unterwegs. Dieses Multitalent ist auch heute noch kein Fall fürs Museum.