Landkreis Harburg. Noch studiert Claudia Hillebrecht Medizin. Doch schon jetzt weiß sie, wo der Weg sie hinführt: Aufs Land als echte „Familienärztin“.

Neurochirurgie? Komplizierte Operationen? Röntgenexpertin? Nein! Sagt Claudia Hillebrecht. Sie wird eine Praxis auf dem Lande gründen. Als kleines Mädchen wollte Claudia Hillebrecht noch Zahnärztin werden. „Ich hatte sogar eine Zahnarzt-Barbie“, erinnert sie sich. Durch den Kontakt zu ihrer Hausärztin veränderte sich das Interesse ein wenig, und nun bereitet sich die 28-Jährige mit ihrem Medizinstudium darauf vor, später selbst als Hausärztin im Landkreis Harburg zu arbeiten. Die Kreisverwaltung unterstützt Claudia Hillebrecht, die mit ihrem Mann in Stelle lebt, mit einem monatlichen Stipendium von 500 Euro, ihren Traum wahr werden zu lassen.

Die Kreisverwaltung vergibt das Stipendium im Rahmen ihrer Initiative „stadtlandpraxis“, mit der sich der Landkreis Harburg seit Jahren gegen den Hausarztmangel engagiert. Und das aus guten Gründen: „Eine gute Gesundheitsversorgung ist sehr wichtig für die Lebensqualität der Bürgerinnen und Bürger und ein wichtiger Standortfaktor, wenn es um die Entscheidung für den Wohnort oder den Unternehmensstandort geht“, betont Kreisrätin Ana Cristina Bröcking. „Aber der Ärztemangel nimmt gerade in ländlichen Gebieten zu, auch im Landkreis Harburg“, so Bröcking. „Daher sind wir bereits 2012 aktiv geworden und haben das Programm stadtlandpraxis mit verschiedenen Fördermöglichkeiten ins Leben gerufen.“

Hillebrecht ist bereits die fünfte Stipendiatin, die von dem Programm im Kreis Harburg profitiert

Claudia Hillebrecht, die derzeit im siebten Semester an der Medizinischen Hochschule Hannover Medizin studiert, ist bereits die fünfte Stipendiatin, die von dem Programm profitiert. Die monatliche Unterstützung des Landkreises soll den angehenden Allgemeinmedizinerinnen und -medizinern helfen, sich intensiv auf ihr Studium und einen schnellen und erfolgreichen Abschluss zu konzentrieren. Im Gegenzug verpflichten sie sich, nach Abschluss ihrer Facharztausbildung mindestens fünf Jahre als Hausarzt bzw. Hausärztin im Landkreis Harburg zu arbeiten.

Für die 28-Jährige ist das keine Hürde – im Gegenteil. Sie lebt gern im Landkreis Harburg – und nachdem sie zunächst an eine Karriere als Chirurgin gedacht hat, ist sie längst überzeugt, dass sie einmal als Hausärztin, als „klassische Familienärztin“, tätig sein möchte. In diesem Entschluss hat sie auch ein Praktikum in einer Hausarztpraxis bestärkt.

Klassische Familienärztin: Auf ihren Traumberuf hat Claudia Hillebrecht zielstrebig hingearbeitet

Auf ihren Traumberuf hat Claudia Hillebrecht zielstrebig hingearbeitet. Nach dem Abitur am Luhe-Gymnasium Winsen musste sie leider länger auf den Studienbeginn warten. Sie absolvierte daher zunächst ein Freiwilliges Soziales Jahr im Krankenhaus Winsen – „das hat mir sehr gut gefallen“. Eine Ausbildung als Operationstechnische Assistentin (OTA) in Hamburg-St. Georg schloss sich an. Das bestärkte sie auch in ihrem Wunsch, Medizin zu studieren.

Aus dem geplanten einen Jahr anschließender Berufstätigkeit wurden drei, und 2020 startete die Stellerin ins Studium. Doch noch immer arbeitet sie als OTA im Operationssaal, besonders an den Wochenenden. Ihr gesamtes Arbeitsleben möchte sie gerade als Medizinerin aber nicht im OP verbringen. Man bekomme dabei immer nur einen ganz kleinen Ausschnitt vom Leben der Patientinnen und Patienten mit.

Ohne Geräte viel bewegen. Das geht in einer allgemeinmedizinischen Praxis auf dem Lande

Als Hausärztin sei das anders. „Ich möchte den ganzen Menschen im Blick haben“, so ihre Prämisse. Als Allgemeinmedizinerin habe man mit den unterschiedlichsten Krankheitsbildern und den verschiedenen Generationen zu tun. Man begleite den Menschen über lange Zeit, erlebe, wie eine Behandlung wirke oder könne die Patentinnen und Patienten präventiv beraten, wie sie ihre Gesundheit erhalten. Dabei könne man auch ohne viele spezielle Geräte viel bewegen.

„Wir freuen uns über jede Ärztin und jeden Arzt, den wir unterstützen und für die Tätigkeit im Landkreis Harburg gewinnen können“, sagt Kreisrätin Ana Cristina Bröcking. Denn grundsätzlich gilt: Hausärzte dringend gesucht! Aktuell gibt es 152,5 Hausarztstellen im Landkreis, 25 weitere Hausarztstellen könnten eingerichtet werden.

Hinzu kommt: Ein großer Teil der Mediziner sind älter als 50 Jahre. Um einem Hausärztemangel entgegenzutreten, nimmt sich das Programm stadtlandpraxis gezielt der Förderung und Ansiedlung des Mediziner-Nachwuchses an. Die Initiative stadtlandpraxis als leistungsstarker Verbund aus Kreisverwaltung, Krankenhäusern, Hausärzten und Kassenärztlicher Vereinigung unterstützt dazu junge Allgemeinmediziner, vermittelt beispielsweise Stellen oder Partner für die Niederlassung, und bietet seit 2020 zudem finanzielle Fördermöglichkeiten, beispielsweise für die Niederlassung von Hausärzten, aber eben auch für Studierende sowie für die Absolvierung von Famulaturen und des Praktischen Jahres.

Die Ergebnisse können sich sehen lassen. Über die Initiative wurden bisher 365 grundsätzlich Interessierte für eine hausärztliche Tätigkeit im Kreisgebiet gefunden. 61 Ärztinnen und Ärzte haben sich durch stadtlandpraxis niedergelassen oder sind als Angestellte tätig, 33 Mediziner arbeiten als Assistenten in Weiterbildung in den Krankenhäusern Buchholz und Winsen oder in Praxen. Seit 2020 wurden 20 Niederlassungen und 15 Anstellungen finanziell gefördert sowie fünf Stipendien für Medizinstudenten.