Buxtehude. Er war „die runde Kugel des Louis C. Jacob“, heute kocht Thomas Kupfer mit Vorliebe vegan. Die Geschichte einer erstaunlichen Wandlung.
Thomas Kupfer war mal ein ausgesprochener Fleisch-Liebhaber – damals mit 160 Kilogramm auf 170 Zentimeter Körpergröße. „Ich war die runde Kugel in der Küche des Louis C. Jacob“, erinnert sich der heute schlanke Chefkoch des Restaurant Seabreeze in Buxtehude.
Kupfer hat im „Jacobs“, dem Spitzenrestaurant an der Elbchaussee, bei Sternekoch Thomas Martin das Kochen gelernt – eine harte Schule, die er sich im Alter von 40 Jahren und nach einer erfolgreichen Karriere als selbstständiger Versicherungskaufmann antat. Seine Entscheidung, sich noch einmal als Lehrling in eine Küche zu stellen, war nach einem schweren Unfall gefallen. „Damals wollte ich nicht mehr so weiterleben wie bisher und endlich das tun, was ich schon als Kind liebte: kochen“, sagt Kupfer.
Seabreeze Buxtehude: Der Chefkoch schwärmt von Artischocken und Roter Beete
Kaufmann sei er eigentlich nur geworden, weil seine Eltern „etwas Besseres“ für ihn gewollt hätten. „Etwas, bei dem man sich nicht die Hände schmutzig macht“, wie Kupfer in der gemütlichen Bar im Gewölbekeller des Hotel Navigare erzählt, in dem das Seabreeze liegt. Dabei schaut er auf seine Finger, die dunkel eingefärbt sind von der Arbeit mit Artischocken und Roter Beete.
Das diestelartige Gewächs und die Rübenart gehören inzwischen zu den Lieblingsprodukten des Chefkochs. Denn nach einer Magenoperation und der Halbierung seines Gewichts ist für Kupfer nicht mehr Fleisch, sondern Gemüse sein Gemüse. „Ich esse immer noch gern ab und zu ein Steak oder Fisch, aber viel seltener als früher. Im Alltag ernähre ich mich überwiegend vegetarisch“, sagt Kupfer.
An Silvester verwöhnte er seine Gäste mit Sechs-Gänge-Menüs – eines davon komplett vegan
Die eigene Ernährungsweise ist aber nicht der Hauptgrund, warum der Koch im Restaurant Seabreeze zunehmend auf vegane Gerichte setzt und auch bei „normaler“ Zubereitung oftmals tierische Produkte durch pflanzliche austauscht. Kupfer macht das, weil die pflanzliche Ernährung im Trend liegt. Und weil er es kann: „Die Nachfrage nach Speisen ohne tierische Lebensmittel steigt kontinuierlich an. Und der Schritt vom vegetarischen zum veganen Kochen ist nicht mehr allzu groß, wenn man weiß, wie es geht“, sagt der Chefkoch.
An Silvester verwöhnte er seine Gäste mit Sechs-Gänge-Menüs – eines davon war komplett vegan. Das kam gut an, die Plätze waren schnell ausgebucht.
Kupfer und seine Crew tischten groß auf: Die vegane Variante bot unter anderem sautierte Streifen von Teriyaki-Seitan in einer Essence von Wildpilzen, Kürbisvariationen, gefüllte Sellerie-Taschen auf geschmorter Artischocke, Kartoffel-Cashewnuss-Ravioli, fermentierte und geflämmte Karotten und Zucchini mit Buchweizen, ein veganes Filet Wellington und als süße Überraschung ein gefülltes Meringue, ein veganes Baiser.
Gelernt im Louis C. Jacob: Kupfers Kochkunst basiert auf der klassischen französischen Küche
„Im neuen Jahr werden wir noch mehr vegane Gerichte auf die Karte nehmen und auch vegane Kochkurse und Themenabende anbieten, denn die veganen Gerichte laufen inzwischen sehr, sehr gut“, sagt Kupfer. Die Themen fleischlose Küche und Kochen ohne tierische Produkte sollen deshalb 2024 forciert werden und dem Restaurant Seabreeze in der Region ein weiteres Alleinstellungsmerkmal verschaffen, kündigt der Küchenchef an.
Kupfers Stil basiert auf der klassischen französischen Küche. Die Auszubildenden lernen noch das Tournieren von Gemüse. Zum Konzept des Seabreeze gehören zudem Regionalität und Saisonalität sowie Nachhaltigkeit. „Und außerdem legen wir den Fokus auf diejenigen, die dem Fleischkonsum eine Absage erteilt haben“, so Kupfer.
Er entwickelt in dieser Richtung neue Kombinationen, probiert viel aus. Die veganen Varianten sollen den „klassischen“ im Aufwand in nichts nachstehen. Kupfer ist ständig auf der Suche nach neuen Aroma-Kombinationen, er ist ein Freund des „Flavour Pairing“, bei dem zwei, auf den ersten Blick unterschiedliche und eher ungewöhnliche Geschmackskomponenten miteinander kombiniert werden.
Das beste Mittel gegen Giersch? Einfach aufessen!
In der veganen Küche sei dies besonders wichtig, sagt der Chefkoch: „Um Tiefe und viel, viel Geschmack in die Gerichte zu bekommen.“ Kupfer arbeitet zudem viel mit Wildkräutern, die er oftmals selbst sammelt: „Knoblauchrauke, Mädesüß oder Giersch, das ja als schlimmes Unkraut gilt. Das beste Mittel gegen seine Verbreitung ist das Aufessen. Ich verfeinere damit jede Suppe“, sagt Kupfer.
Auch Brennnesselsamen oder schwarze „Johanninüsse“ aus selbst angesetzten grünen Walnüssen kommen in der Küche des Seabreeze zum Einsatz. Und Kupfer macht sogar Nudeln aus Eichelmehl.
Weitere „Geschmacksbooster“ der veganen Kupfer-Küche sind das Trocken und Fermentieren von Gemüse. „Außerdem ist diese Methoden nachhaltig, weil auch Gemüse verwendet werden kann, das übrig geblieben ist“, sagt der Koch. Dass grundsätzlich eine Gemüsebrühe auf dem Herd vor sich hin simmert, ist für Thomas Kupfer selbstverständlich.
Zero Food Waste: Der beim Entsaften entstandene Trester geht in unseren Karottenkuchen
Um seinem Gemüse den letzten Kick zu geben, greift Kupfer zum Sous-Vide-Verfahren, obwohl das Vakuumgaren ihm wegen des dafür nötigen Kunststoffbeutels eigentlich nicht behagt. „Wir wollen so wenig Müll produzieren wie möglich. Aber ich habe noch keine 100-prozentig funktionierende Alternative zum Plastikbeutel gefunden“, sagt Kupfer.
Er vakuumiert zum Beispiel Urkarotte darin, zusammen mit frischgepresstem Möhrensaft. So bleiben Vitaminen und Geschmack am besten erhalten, meint Kupfer. Verschwendet wird nichts: „Der beim Entsaften entstandene Trester geht in unseren Karottenkuchen“, sagt Kupfer.
Er verteufelt nicht jedes inzwischen käuflich zu erwerbendes vegane Ersatzprodukt, doch sie dürfen „keine Chemie enthalten“, betont er: „Keine Farbstoffe oder Geschmacksverstärker.“ Insgesamt solle im Seabreeze aber möglichst wenig auf dem Teller landen, was nicht in der eigenen Küche produziert worden sei.
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„Ich finde nicht, dass jedes vegane Gericht eine Komponente haben muss, die nach Fleisch schmeckt. Aber wenn, dann erreichen wir das zum Beispiel mit Grünkern und getrockneten und fermentierten Shiitake-Pilzen“, sagt Kupfer. „Und das die dazugehörige Jus vegan ist, schmeckt man nicht. Sie ist genauso aromatisch wie die aus Fleischfond.“
Vegan essen in Buxtehude: Der Chefkoch hat schon pflanzlichen Lachs hergestellt
Der Chefkoch experimentiert viel herum, wie er berichtet. Er hat bereits veganen Lachs hergestellt. Das geht zum Beispiel mit Tofu oder Karotten. Parmesan – wegen des bei der Herstellung verwendeten Labs nicht einmal vegetarisch – wird in der veganen Variante im Seabreeze aus Cashewkernen gemacht.
Kupfer bindet auch seine Auszubildenenden gern in die Rezeptentwicklung ein. So stammt die Idee zum veganen Baiser von Jule Frische, die ihr filigrane Machwerk stolz präsentiert. „Auch in der Berufsschule erhält das fleischlose Kochen zunehmend mehr Raum“, berichtet die Auszubildende.
Künftig solle die pflanzlichen Küche während der Kochausbildung noch stärker im Lehrplänen verankert werden. Thomas Kupfer findet das gut: „Je öfter wir auf Fleisch verzichten, desto besser ist das für unsere Gesundheit, die CO2-Bilanz, das Tierwohl und den Wasserverbrauch“, meint der Chefkoch.