Landkreis Harburg. Der Niedersachsen-Monitor 2023 macht zentrale Entwicklungen im Bundesland sichtbar. Wo der Landkreis von diesen Ergebnissen abweicht.
Wenn die Statistiker des Landes Niedersachsen jährlich auf die Zahlen des Vorjahres zurückblicken, liefern sie kurz vor Weihnachten stets einen guten Überblick der jüngsten Veränderungen unserer Lebensverhältnisse.
Ist die Bevölkerung zahlenmäßig gewachsen oder gesunken? Und wenn ja – warum und wie stark? Wie steht es um den Arbeitsmarkt? Und wie viele Elektroautos sind mittlerweile auf unseren Straßen unterwegs? Antworten auf diese und viele weitere Fragen, die aufgrund der Corona-Krise und des russischen Angriffskriegs in der Ukraine umso relevanter sind, liefert der Niedersachsen-Monitor 2023 des Statistischen Landesamtes Niedersachsen (LSN).
Der statistische Überblick führt Veränderungen in den Bereichen Bevölkerung, Soziales, Wirtschaft und Finanzen auf. So zeigt der aktuelle Niedersachsen-Monitor (hier als PDF zum Download) beispielsweise:
- dass die niedersächsische Bevölkerung 2022 besonders stark gewachsen ist,
- dass deutlich mehr Menschen im Bundesland geheiratet haben,
- und dass die Niedersachsen pro Kopf stärker verschuldet sind als der durchschnittliche Bundesbürger.
Landkreis Harburg: Weniger Babys, viele neue Einwohner und Rückgang bei Scheidungen
Was der Bericht nicht bietet, sind Zahlen zur konkreten Entwicklung vor Ort. Der Niedersachsen-Monitor vergleicht die Ergebnisse der Bundesländer untereinander und mit dem bundesweiten Durchschnitt.
Unsere Redaktion hat sich zusätzlich die Daten für den Landkreis Harburg angeschaut. Statistisch besonders auffällig: der Rückgang bei den Geburten, ein starker Anstieg der Einwohnerzahl und ein überdurchschnittlicher Rückgang bei den Scheidungen.
Neuer Höchststand: Bevölkerung im Kreis wächst stark
So zeigt sich mit Blick auf die Zahlen beispielsweise, dass die deutliche Zunahme der Bevölkerung im Landkreis Harburg noch starker ausfällt als im landes- und bundesweiten Schnitt. Denn die Einwohnerzahl vor Ort verzeichnet ein Plus von 1,7 Prozent. Bundesweit stieg die Bevölkerungszahl im Jahr 2022 um 1,3 Prozent, in Niedersachsen um 1,4 Prozent und deutlich stärker als im Vorjahr.
In absoluten Zahlen heißt das: Die Einwohnerzahl im Kreis hat sich um 4.342 Personen erhöht und erreicht 2022 einen vorläufigen Höchststand. Laut LSN lebten Ende 2021 insgesamt 261.890 Menschen im Kreis. Im Jahr zuvor waren es noch knapp 257.500 Einwohner.
Wie die Grafik zeigt, steigt die hiesige Bevölkerungszahl seit 1968 kontinuierlich an. Mit zwei Ausnahmen in den Jahren 1987 und 2011. Von 2021 auf 2022 wuchs die Bevölkerung allerdings besonders stark an. Ein Grund dafür ist die Zuwanderung, die sowohl bei uns vor Ort als auch auf Landes- und Bundesebene ein Geburtendefizit ausglich.
Rekordzuwanderung im Landkreis Harburg und in Niedersachsen
In ganz Niedersachsen nahm die Bevölkerungszahl um 113.200 Menschen zu und erhöhte sich auf 8,1 Millionen Einwohner. Motor war hier eine Rekordzuwanderung. Denn mit einem Plus von über 152.000 Personen verzeichnet Niedersachsen 2022 die höchste registrierte Netto-Zuwanderung seit 1970.
Maßgeblich verantwortlich war der Zuzug von rund 119.300 Schutzsuchenden aus der Ukraine in Folge des russischen Angriffskriegs. Im Jahr der Flüchtlingswelle 2015 sorgte die Zuwanderung für ein Plus von 123.000 Menschen in Niedersachsen.
Im Landkreis Harburg beläuft sich die Netto-Zuwanderung 2022 auf ein Plus von 5300 Personen. Ebenfalls ein Rekordwert, der das Plus von 2015 im Kreis (Netto-Zuwanderung in Höhe von 3300) deutlich übersteigt. Die Zahlen des LSN reichen lediglich bis zum Jahr 2000 zurück. Für 2022 gilt: Der Anteil der Zuwanderer mit ausländischer Staatsangehörigkeit lag im Landkreis bei knapp 50 Prozent.
Natürliche Einwohnerzahl schrumpft um fast 1000
Ohne Zuwanderung aus anderen Landkreisen, Städten, Bundesländern und Staaten hätte sich die Bevölkerungszahl im Landkreis Harburg um fast 1000 Einwohner verkleinert. Das Geburtendefizit fiel 2022 mit 927 deutlich stärker als in den Vorjahren aus. Geburtendefizit heißt, dass in jenem Jahr die Zahl der verstorbenen Menschen die Zahl der Neugeborenen vor Ort um diesen Wert überstieg.
Den höchsten Wert hatte das Geburtendefizit im Kreis bisher im Jahr 2020 mit einem Minus von 610 erreicht. Seit 2002 ist die sogenannte natürliche Bevölkerungsentwicklung (ohne Zuwanderung) im Landkreis Harburg durchgehend negativ, wie die Grafik zeigt. Insbesondere in den 1960er- und 1990er-Jahren ist ein Geburtenüberschuss deutlich zu erkennen.
Dieser Trend gilt grob auch für Niedersachsen und das gesamte Bundesgebiet. Die Höhe des Geburtendefizits nahm zuletzt wieder zu. Erstmalig seit zehn Jahren kam es 2022 in allen Bundesländern zu weniger Geburten als Sterbefällen.
Bei Geburtenrückgang: Besonders viele Kinder je Frau im Kreis
Grund für das besonders hohe Geburtendefizit im Landkreis Harburg ist auch ein überdurchschnittlich hoher Geburtenrückgang im Landkreis Harburg. Denn 2022 kamen laut Statistischem Landesamt 2177 Babys im Kreis zur Welt. Im Vorjahr waren es noch 2499 Neugeborene. Ein Minus von 12,9 Prozent, was deutlich über dem deutschlandweiten Rückgang (7,1 Prozent) und dem Minus in Niedersachsen (6,7 Prozent) liegt.
Für den Nachwuchs im Landkreis sorgte derweil ein vergleichsweise kleiner Teil der weiblichen Bevölkerung. Die Zahl der Geburten pro Frau war also besonders hoch. So kamen vor Ort 1,61 Kinder pro Frau zur Welt. Im Vorjahr waren es sogar 1,89. In Niedersachsen lag die zusammengefasste Geburtenziffer 2022 bei 1,52 Kindern je Frau. Höchstwert im diesjährigen Ländervergleich zusammen mit Rheinland-Pfalz. Im Bundesdurchschnitt lag sie bei 1,46 Kindern.
Die Geburtenziffer ist 2022 in allen Ländern gegenüber dem Vorjahr gesunken. Im Bundesdurchschnitt um 0,12, in Niedersachsen um 0,14 und im Landkreis Harburg stärker um 0,28.
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Ehe im Aufwind: Mehr Eheschließungen, weniger Scheidungen im Landkreis
Insgesamt heirateten 2022 mehr Menschen als im noch deutlicher von der Pandemie geprägten Vorjahr. Mit 11,8 Prozent mehr Eheschließungen liegt der Kreis Harburg knapp über dem Niedersachsen-Plus von 11,1 Prozent und beide über dem Bundesdurchschnitt von 9,2 Prozent.
Außerdem ließen sich weniger Paare im Landkreis Harburg scheiden. 2021 waren es 513 Ehescheidungen, 2022 lediglich 490. Mit einem Minus von 4,5 Prozent sank die Scheidungszahl deutlich stärker als in Niedersachsen, wo die Statistiker ein Minus von 0,7 Prozent verzeichnen.
Schlechte Werte in Sachen Elektromobilität
Der Anteil von Elektroautos im niedersächsischen Straßenverkehr ist weiter gering – das gilt auch für den Landkreis Harburg. Niedersachsen lag Ende 2022 mit 2,2 Prozent knapp über dem bundesweiten Schnitt von 2,1 Prozent. Der Landkreis liegt mit 2,1 Prozent nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes exakt im Bundesschnitt.
Auch um das E-Ladenetz vor Ort ist es nicht gut bestellt. Im Sommer 2022 berichtete unsere Redaktion, dass der Landkreis Harburg bei der Ausstattung mit Zapfsäulen für E-Autos hinterherhinkt. Er belegt weiter einen der unteren Plätze von 399 Kommunen. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung teilten sich mehr als 38 E-Autos einen öffentlich zugänglichen Ladepunkt. Mittlerweile hat sich der Wert leicht verbessert und liegt bei 30 E-Pkw je Zapfsäule.
Mehr als 700.000 Übernachtungen: Tourismus erholt sich auch im Landkreis
Im vergangenen Jahr erholte sich der niedersächsische Tourismus von den pandemiegeprägten Jahren 2020 und 2021. Insgesamt wurden 2022 in Niedersachsen knapp 43,3 Millionen Übernachtungen gebucht und damit 35 Prozent mehr als 2021. Damit wurde das Niveau der Jahre vor Corona nahezu erreicht. Deutschlandweit lag das Plus bei 45,3 Prozent.
Auch im Landkreis Harburg erhöhte sich die Zahl der Übernachtungen deutlich – von 554.049 im Jahr 2021 auf 733.108. Mit einem Anstieg um 32,2 Prozent entwickelte sich der Tourismus etwas weniger stark zum Positiven als im Landes- und Bundesdurchschnitt.
Weniger Arbeitslose und bessere Arbeitslosenquote als im Landesschnitt
Die Zahl der Arbeitslosen entwickelte sich 2022 sowohl auf ganz Niedersachsen bezogen als auch im Landkreis Harburg positiv gegenüber dem Jahr 2021. Die Arbeitslosenquote sank jeweils um 0,2 Prozentpunkte. Das ist dem Arbeitsmarktmonitor der Bundesagentur für Arbeit zu entnehmen.
Mit einer Verbesserung der Quote von 4,4 auf 4,2 Prozent steht der Kreis für das Jahr 2022 besser dar als Niedersachsen und der Bund, wo es in beiden Fällen mit 5,3 Prozent anteilig mehr Arbeitslose gibt.