Landkreis Harburg. Politiker setzen Rotstift überall an, wo es nur geht. Dann verkündet die Kämmerin Überraschendes. Die Folgen für Städte und Gemeinden.

Vorsichtig optimistische Nachrichten für alle Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Harburg: Offenbar werden sie die Einschnitte aufgrund der angespannten Haushaltslage öffentlicher Kassen nicht ganz so kräftig zu spüren bekommen wie befürchtet. Der Grund: im neuesten Haushaltsplan des Landkreises Harburg fällt das Defizit 2024 um acht Millionen Euro geringer aus als noch Ende Oktober angenommen.

Die Folge: Der Landkreis Harburg muss die Kreisumlage nicht ganz so kräftig erhöhen. Statt der angedachten vier Prozentpunkte sollen es jetzt drei oder vielleicht zwei werden. Dadurch fallen die zusätzlichen Belastungen für Städte, Samtgemeinden und Gemeinden im Landkreis Harburg geringer aus.

Die Kommunen müssten wohl weniger kräftig auf die Kostenbremse treten als in ihren ersten Haushaltsentwürfen. Fakt bleibt allerdings, dass alle Kommunen im Kreis Harburg durch die Erhöhung der Kreisumlage künftig mehr Lasten zu tragen haben als im zu Ende gehenden Kalenderjahr.

André Wiese: „Vorgeschlagene Abmilderung ist ein erster wichtiger Schritt“

Für die Stadt Winsen beispielsweise bedeutet ein Prozentpunkt mehr oder weniger Kreisumlage einen Unterschied von etwa 530.000 Euro im städtischen Haushalt. „Das sind Mehrausgaben, die wir nicht ein einfach wegstecken können, sondern mühsam über Mehreinnahmen und Ausgabensenkungen zusammensuchen müssen. Deshalb kommt es für uns auf jeden Prozentpunkt an“, sagte Winsens Bürgermeister André Wiese dem Abendblatt.

„Die jetzt vorgeschlagene Abmilderung um einen Prozentpunkt ist deshalb aus meiner Sicht ein erster wichtiger Schritt. Es wäre wichtig und sehr wünschenswert, dass der Kreispolitik noch eine weitere Reduzierung der Mehrbelastung gelingt, damit die Handlungsmöglichkeiten auf der Gemeindeebene in eh schon sehr angespannten Zeiten wenigstens noch ein klein wenig erhalten bleiben“, so Wiese weiter.

Gemeinde Seevetal: Keine Steuererhöhungen, freiwillige Leistungen unverändert

„Das ist mehr als nichts. Gucken wir mal, was dabei herauskommt“, sagte Bürgermeisterin Emily Weede. Für die Gemeinde Seevetal bedeutet jeder Punkt Kreisumlage einen Betrag von 700.000 Euro. Sie verwies auf die Kürze der Zeit, innerhalb derer mögliche Entscheidungen auf Kreisebene in den Seevetaler Haushaltsentwurf zu integrieren seien. Am 17. Dezember tagt der Verwaltungsausschuss, am 20. Dezember soll der Haushalt 2024 im Gemeinderat abgesegnet werden.

Wichtig für alle Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde Seevetal: „Uns war es wichtig, die Bürger nicht mit etwaigen Steuererhöhungen zu belasten. Wir werden die Hebesätze nicht anheben. Auch die freiwilligen Leistungen der Gemeinde werden wir nicht einschränken“, sagte Emily Weede. Dieser Beschluss wurde vor den aktuellen Nachrichten aus dem Kreishaus gefasst und gelte unverändert.

Kreisverwaltung hatte Erhöhung der Kreisumlage um vier Punkte vorgeschlagen

In den ersten Entwurf des Doppelhaushalts 2024/25 hatte die Kreisverwaltung eine Erhöhung der Kreisumlage um vier Prozentpunkte eingepreist. Stattdessen stehen derzeit drei (im Idealfall nur zwei) Punkte mehr im Raum. So jedenfalls die Empfehlung der Mitglieder des Kreis-Ausschusses für Finanzen, Haushalt und Controlling von Mittwochnachmittag. Zwei weitere Gremien haben abschließend über diese Empfehlung zu befinden: der Kreisausschuss am 13. Dezember (in nicht-öffentlicher Sitzung) und der Kreistag am 20. Dezember in der Burg Seevetal in Hittfeld.

Christine Kaminski (Leiterin Bereich Finanzen, von links) und Annerose Tiedt (Kämmerin und Erste Kreisrätin) sind für die Aufstellung des Haushaltsplans verantwortlich.
Christine Kaminski (Leiterin Bereich Finanzen, von links) und Annerose Tiedt (Kämmerin und Erste Kreisrätin) sind für die Aufstellung des Haushaltsplans verantwortlich. © HA | Markus Steinbrück

Die Haushaltslage des Landkreises Harburg ist alles andere als rosig. So war es eine willkommene Überraschung, als Annerose Tiedt den Ausschussmitgliedern von einem um acht Millionen Euro geringeren Defizit für 2024 berichtete. Hatte die Kämmerin Anfang November mit einem Minus von 34,57 Millionen Euro im Ergebnishaushalt gerechnet, kalkulierte sie nun mit 26,48 Millionen Euro – jeweils inklusive Erhöhung der Kreisumlage um vier Punkte. Jeder Punkt bedeutet für den Landkreis Harburg Mehreinnahmen von 3,771 Millionen Euro pro Jahr.

Aktualisierte Zahlen des Landesamtes für Statistik verbessern die Haushaltslage

In erster Linie für das geringere Defizit verantwortlich ist die erhöhte Schlüsselzuweisung des Landes Niedersachsen. Schlüsselzuweisungen sind das wichtigste Mittel der Gemeindefinanzierung im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs, berechnet werden sie nach einem komplizierten Verfahren.

Landrat Rainer Rempe mit nachdenklichem Blick im Finanzausschuss.
Landrat Rainer Rempe mit nachdenklichem Blick im Finanzausschuss. © HA | Markus Steinbrück

Die erhöhte Zuweisung ergebe sich aus aktualisierten Daten des niedersächsischen Landesamts für Statistik von Ende November und sei bei der ersten Aufstellung des Haushalts nicht ersichtlich gewesen, so Landrat Rainer Rempe. Da sich aufgrund der veränderten Datenbasis die Höhe der Kreisumlage pro Punkt ebenfalls ändert, ergibt sich an dieser Stelle eine Ergebnisverbesserung von etwa 4,5 Millionen Euro.

Fachausschüsse streichen viele kleine Ausgaben, insgesamt 704.000 Euro

Nach intensiven Diskussionen hatten die Fachausschüsse des Kreises in den vergangenen Wochen Einsparungen von insgesamt 704.000 Euro beschlossen. Einige Beispiele: Das Filmmuseum Bendestorf muss mit einem von 10.000 auf 5000 Euro reduzierten Zuschuss zurechtkommen, die Summe (36.000 Euro) für den alle zwei Jahre geplanten Kreiskalender wurde vorläufig auf Eis gelegt und viele kleine Kürzungen im Bereich der Kulturförderung ergeben in Summe 25.000 Euro.

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Ebenfalls einen geringeren Aufwand in der Größenordnung von 700.000 Euro resultiert aus der verkehrserträglichen Abrechnung des ÖPNV, namentlich durch die KVG Stade. Frei übersetzt: weniger Busfahrer, weniger Fahrten, geringere Kosten für den Auftraggeber. Schließlich zieht die geringere Neuverschuldung auch geringeren Zinsaufwand (1,4 Millionen Euro) nach sich. Allein die genannten großen Posten ergeben eine Summe von 7,3 Millionen.

„Dramatische Veränderung der Haushaltssituation gegenüber erstem Ansatz“

„Eine ausgesprochen erfreuliche Entwicklung. Sie ist nicht vom Himmel gefallen, sondern den aktualisierten Zahlen aus Hannover geschuldet“, sagte Landrat Rainer Rempe. „Jetzt müssen wir die Ausgangssituation neu bewerten.“ Arno Reglitzky (FDP) sprach von einer, so wörtlich, „dramatischen Veränderung der Haushaltssituation gegenüber dem ersten Ansatz.“ Zum Glück zum Positiven.

Offensichtlich hinterließen die teils dramatische Stellungnahmen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister bei den Ausschussmitgliedern Wirkung. Bis Mitte November konnten sich die Städte, Samtgemeinden und Gemeinden zur geplanten Erhöhung der Kreisumlage durch die Kreisverwaltung äußern. So rückte dieser Punkt unweigerlich in den Mittelpunkt der Diskussion.

Kreisumlage soll jetzt um drei Punkte steigern, möglicherweise auch um zwei

Nach kurzer Sitzungsunterbrechung brachte die Gruppe CDU/FDP einen Antrag ein, der letztlich mit sechs Ja-Stimmen und sechs Enthaltungen empfohlen wurde. Demnach soll die angedachte Erhöhung der Kreisumlage (von 45,5 auf 49,5 Punkte) geringer ausfallen. Sie soll „nur“ um drei Punkte auf 48,5 erhöht werden. Teil zwei des Antrags stellt die weitere Reduzierung in Aussicht.

Harburgs Landrat Rainer Rempe: „Ein wichtiges Signal für Städte und Gemeinden“

Werden in den anstehenden Beratungen zum Thema „Poolung von Sicherheitsdiensten bei Flüchtlingsunterkünften“ weitere Millionen eingespart, solle die Kreisumlage nur um zwei auf dann 47,5 Prozentpunkte steigen.

Rainer Rempe sprach von einem wichtigen Signal. „Städte und Gemeinden sind in einer schwierigen Lage. Sie müssen weiter in der Lage sein, Investitionen zu tätigen und ihren Verpflichtungen nachkommen zu können“, sagte der Landrat.