Harburg/Lüneburg. Terroristen-Verstecke, Knochenfunde und furchtbare Straftaten beschäftigten die Ermittler 2021. Doch es gab auch kuriose Momente.
Es waren zwei Wochen im neuen Jahr vergangen, da machten Arbeiter im Seevetaler Ortsteil Helmstorf einen Fund, der es bis in die Tagesschau schaffte. Eigentlich wollten sie am Freitagnachmittag nur in einem kleinen Waldstück am Helmstorfer Kirchweg die Bäume zurückschneiden, doch die Männer entdeckten im Waldboden ein vergrabenes Kunststofffass.
In dem Behälter befanden sich in Klarsichtfolien verpackte Schriftstücke und Flaschen mit unbekannten Flüssigkeiten. Nach einem ersten Blick auf die mit Schreibmaschinen verfassten Texte wurde das Landeskriminalamt Niedersachsen eingeschaltet. Denn in den jahrzehntealten Dokumenten wurde unter anderem beschrieben, wie bei Bombenanschlägen besonders viele Menschen getötet werden können.
Hundertschaft der Bereitschaftspolizei bewacht Waldstück
Die Beamten nahmen den Fund so Ernst, dass das Waldstück über Nacht von einer Hundertschaft der Bereitschaftspolizei bewacht wurde. Am nächsten Tag folgte ein Großeinsatz: Ermittler des LKA und Spezialkräfte für sogenannte CBRN-Stoffe (chemisch, biologisch, radiologisch und nuklear) fuhren nach Seevetal. In Schutzanzügen gruben die Beamten das Erddepot aus. Nach einer ersten Bewertung des aufgefundenen Schriftmaterials stand ein Bezug zu der ehemalig bundesweit agierenden terroristischen Gruppierung der Roten Armee Fraktion (RAF) im Raum. Dieser Verdacht bestätigte sich in den langwierigen Ermittlungen des LKA nicht.
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Der Fund wurde im Juli von den Experten der linksextremistischen Terrorgruppe „Revolutionäre Zellen“ zugeordnet. Vermutlich war das Depot in den 1980-Jahren angelegt worden. Die Extremisten verübten 1975 unter anderem einen Bombenanschlag auf das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. In den 1990-Jahren löste sich die Gruppierung auf. Das Kunststofffass und dessen Inhalt stehen seit dem Ende der Ermittlungen im Polizeimuseum Nienburg.
Auch ein weiterer Fund des vergangenen Jahres im Landkreis Harburg führte nicht zu dringend erhofften neuen Ermittlungsergebnissen, sondern landete als einzigartiges Ausstellungsstück in einem Museum. Ein Spaziergänger war im April am Stover Elbstrand in der Elbmarsch unterwegs, als er einen angespülte Kieferknochen auf dem Sandstrand fand. Da es sich bei dem Fundort um den letzten bekannten Aufenthaltsort der in Drage vermissten Sylvia Schulze und ihrer Tochter Miriam handelte, keimte die Hoffnung auf, neue Erkenntnisse zu dem spektakulären Kriminalfall zu gelangen. Sie waren 2015 vermutlich von Sylvias Ehemann Marco Schulze ermordet worden, der Selbstmord beging.
Gefundener Kieferknochen am Elbstrand ist 2800 Jahre alt
Einsatzkräfte der DLRG suchten am nächsten Tag bei Niedrigwasser den kompletten Strandabschnitt Meter für Meter ab. Doch weitere Funde gab die Elbe nicht preis. Nach einer ersten Analyse in der Rechtsmedizin wurde der Knochen zu Experten nach Mannheim weitergeschickt. Mit der Radiocarbonmethode bestimmten sie das Alter des Knochens auf etwa 2800 Jahre. Der Kiefer gehört vermutlich zu einem Jugendlichen aus der Bronzezeit. Eine Hypothese der Archäologen ist, dass er bei einem Unfall in die Elbe gefallen war. Der Fund wird seit dem Sommer im Archäologischen Museum Harburg ausgestellt. Neue Spuren im Vermisstenfall Schulze gibt es dagegen nicht.
Vier Tötungsdelikte beschäftigten im vergangenen Jahr die Ermittler der Polizei im nördlichen Niedersachsen. In einer regnerischen Nacht im Januar fand ein Vater seine 19-jährige Tochter auf einem Hinterhofparkplatz nahe des Lüneburger Bahnhofs leblos in einem Pkw sitzend. Notärzte und Sanitäter kämpften eine Stunde um das Leben der jungen Frau. Doch alle Rettungsversuche blieben erfolglos. Hinweise auf den Täter gab es schnell: Am Nachmittag nahmen Polizisten einen ebenfalls 19-Jährigen fest. Täter und Opfer hätten eine Beziehung gehabt, hieß es von den Ermittlern. Im folgenden Gerichtsverfahren gestand der Angeklagte die Tat. Er bereue es jeden Tag, sagte er.
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Unmenschlich sei es für die Angehörigen, dass auch während des Gerichtsverfahrens die Motive des Täters nicht erkennbar gewesen seien, sagte der Vorsitzende Richter. Der 19-Jährige wurde nach Erwachsenenstrafrecht zu einer Gefängnisstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Verteidigung hat Revision eingelegt.
Der furchtbare Dreifachmord von Bispingen
Anfang Februar wurde ein Ehepaar tot in seinem Wohnhaus am Elbdeich in Drennhausen gefunden. Nach Auswertung der Spurenlage stand für die Ermittler fest, dass der 57-jährige Mann zuerst seine ein Jahr jüngere Ehefrau ermordete und sich danach selbst das Leben nahm. Nur einen Tag vor der Tat hatten die Beiden noch vor dem Winsener Amtsgericht versucht, jeweils das Recht durchzusetzen, alleine in der gemeinsamen genutzten Wohnung zu leben. Das Familiengericht hatte einen Termin zur Entscheidung angekündigt. Hinweise auf eine mögliche Gewalttat gab es vor Gericht nicht.
Deutschlandweit für Aufsehen sorgte ein Dreifachmord in Bispingen (Landkreis Heidekreis) im Mai des vergangenen Jahres. Ein Schneverdinger habe seine 35-jährige Lebensgefährtin und ihre beiden Kinder (4, 11) ermordet, wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. Die Leichen der Ehefrau und des Vierjährigen lagen im Wohnhaus, die Elfjährige galt zunächst als vermisst. Drohnen, Spürhunde und ein Aufklärungsjet der Bundeswehr suchten den Bereich um die Wohngegend nach Spuren zu der Elfjährigen ab. Zwei Tage später wurde sie von einem Förster tot in einem Waldstück nahe der B 3 in Schneverdingen gefunden.
Dreifachmord: Verfahren läuft vorm Landgericht Lüneburg
Derzeit läuft das Verfahren vor dem Landgericht Lüneburg gegen den Tatverdächtigen. Die Anklage wirft ihm in Tateinheit mit dem Dreifachmord auch schweren sexuellen Missbrauch von Kindern mit Todesfolge und Vergewaltigung mit Todesfolge vor. Bisher schwieg der mutmaßliche Täter. Ein Geständnisbrief, der während der Untersuchungshaft von einem Mithäftling im Spind des Angeklagten gefunden worden war, wurde unter Protest der Verteidigung im November vor Gericht öffentlich verlesen. Der letzte Verhandlungstag ist im Frühjahr 2022 angesetzt. Im Falle einer Verurteilung ist die Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe zu erwarten. gegebenenfalls mit Sicherungsverwahrung.
Ein 37 Jahre alter Mann sitzt nach dem gewaltsamen Tod seiner Lebensgefährtin und ihrem ungeborenen Kind aktuell in Untersuchungshaft. Der Mann wird verdächtigt, die 36-Jährige im Oktober in einer Wohnung in Lüneburg getötet zu haben. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und Polizei zu den Hintergründen sind noch nicht abgeschlossen.
Polizei erschießt Flüchtling im Landkreis Stade
Auch die Ermittlungen nach einem tödlichen Polizeieinsatz in einer Harsefelder Flüchtlingsunterkunft (Landkreis Stade) laufen noch. Im Oktober schoss ein Beamter auf einen 40-Jährigen, der nach Angaben der Staatsanwaltschaft mit einem Messer auf Polizeibeamte losgegangen sei. Der alkoholisierte Sudanese starb im Krankenhaus. Bereits zweimal am gleichen Tag waren Polizisten zu dem Mann gerufen worden, weil er mit einem Messer durch die Unterkunft lief und seine Mitbewohner bedrohte.
Kurzzeitig wurde er in Gewahrsam genommen und in einer Zelle auf der Polizeiwache untergebracht. Obwohl er auf eigenen Wunsch die Nacht gerne auf der Wache verbracht hätte, wurde er am Abend wieder entlassen. Eine Richterin hätte die Erfordernis verneint, erklärte später die Staatsanwaltschaft. Mitbewohner warfen den Behörden vor, sich nicht genug um den psychisch erkrankten 40-Jährigen gekümmert zu haben. Dem widersprachen die Behörden.
- Geldautomat gesprengt: Erneuter Fall in der Nähe von Hamburg
- Bandenkriminalität? Geldautomat in die Luft gesprengt
Im Herbst gab es innerhalb von vier Tagen gleich zwei Explosionen, bei denen Geldautomaten gesprengt wurden. Jeweils tief in der Nacht machten sich Unbekannte an den Automaten zu schaffen. In Stade sprengten sie einen frei stehenden Automaten. Wenige Nächte später einen Bankomat in einer Bank im Seevetaler Ortsteil Ramelsloh. Die Täter flüchteten jeweils unerkannt mit hochmotorisierten Autos über nahe gelegene Autobahnen. Wie viel Bargeld die meist aus den Niederlanden agierenden Banden erbeutet haben, teilte die Polizei nicht mit.
Auch zwei Einsätze aus der Kategorie: „Kurios und einmalig“ brachte das Jahr der Landkreis-Polizei: Die Fahrt eines Wohnhauses, verladen auf einen Schwertransporter, von Tostedt zum Kiekeberg-Museum im Januar forderte auch von der Polizei monatelange Vorplanungen. Nicht eingeplanter Schneefall und Glätte brachten den Zeitplan gleich am Morgen der Abfahrt durcheinander.
Schneebedeckten Bäume hielten die Mindesthöhe nicht ein
Nicht nur, dass die kilometerlange Strecke erst mit Streufahrzeugen freigeräumt werden musste, auch die schneebedeckten Bäume hielten die genehmigte Mindesthöhe nicht mehr ein. Die Äste mussten per Hand gekürzt werden. Mit einer stundenlangen Verspätung kam das Haus mitten in der Nacht an seinem Zielort an. Es wird aktuell in der „Königsberger Straße“, die das Leben in der Nachkriegszeit zeigt, hergerichtet. Eröffnung ist im Mai 2023.
Im Mai sorgten Unmengen an frischen Orangen für spektakuläre Szenen. Abgeladen hatte sie ein Unbekannter unter anderem in einem Neu Wulmstorfer Gewerbegebiet, mitten auf der Straße. Dank der sozialen Netzwerke deckten sich Anwohner und extra Angereiste mit den Früchten ein. Nach wenigen Tagen begannen die Zitrusfrüchte zu faulen und wurden schließlich auf Kosten der Gemeinde entsorgt. Einen Täter konnte die Polizei nicht ermitteln.
Präsent im gesamten Jahr, auch bei der Polizei: Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen. Das ausgearbeitete Konzept mit getrennten Dienstmannschaften ging auf. Es gab einige Infizierte, der Betrieb war aber nie gefährdet. Damit auch die neue Virus-Variante an den Beamten vorbeizieht, gibt es eine FFP2-Masken-Pflicht und es werden so viele Mitarbeiter wie möglich im Homeoffice arbeiten.