Nenndorf. Kommende Woche soll die Schlüsselübergabe sein. Doch bislang konnten nur zwei der drei Gruppen an den Start gehen.

Auf diesen Tag haben viele Eltern und Kinder in der Gemeinde Rosengarten sehnsüchtig gewartet. Im März eröffnet die seit Januar im Betrieb befindliche neue Kindertagesstätte der AWO in Nenndorf. Damit schafft die Gemeinde 55 neue Betreuungsplätze für Kinder unter sechs Jahren. Der Bau der Kita war notwendig geworden, weil der Bedarf an Kitaplätzen auch im Landkreis Harburg im Zuge der Kita-Gebührenbefreiung rasant angestiegen ist. Im März 2019 begannen die Bauarbeiten für das 1,6 Millionen teure Objekt. Kommende Woche soll die Schlüsselübergabe sein.

Doch anders als geplant, konnten bislang nur zwei der drei Gruppen an den Start gehen. Während die Elementargruppe für Kinder von drei bis sechs Jahren sowie eine Krippengruppe für die Kleineren bereits mit der Eingewöhnung begonnen hat, musste die Eröffnung der zweiten Krippengruppe vorerst in den März verschoben werden, weil Fachpersonal für die Betreuung der Kinder fehlt. Kitaleiterin Claudia Lorenz sucht händeringend Erzieher für die neue Einrichtung.

Es gibt keine einzige Bewerbung

Vier Stellen möchte sie besetzen. Doch es gibt keine einzige Bewerbung. „Wenn wir in den kommenden Wochen nicht weitere neue Mitarbeiter einstellen können, werden wir erstmal nur eine der beiden Krippengruppen anbieten können“, sagt Claudia Lorenz, die neben der neuen Kita in Nenndorf auch eine Einrichtung der AWO in Klecken leitet. Die Eröffnung der zweiten Gruppe für 15 Kinder im Alter von eins bis drei Jahren, die für März geplant gewesen sei, müsse dann auf unbekannte Zeit verschoben werden. Die Eltern seien informiert, aber natürlich nicht erfreut.

Das neue Kitagebäude der Gemeinde Rosengarten steht in Nenndorf zwischen Friedhof und Gewerbegebiet Ohepark.
Das neue Kitagebäude der Gemeinde Rosengarten steht in Nenndorf zwischen Friedhof und Gewerbegebiet Ohepark. © HA | Hanna Kastendieck

Wie knapp das Personal ist, erlebt die Kitaleitung auch in der Kleckener Einrichtung. „Sobald eine Kollegin wegen Krankheit oder Schwangerschaft ausfällt, wird es eng“, sagt sie. In der Vergangenheit mussten Eltern mehrfach mit ihren Kindern wieder nach Hause geschickt werden, weil nicht ausreichend Erzieher im Haus waren und kein Ersatz aufzutreiben war. „Es ist ein Balanceakt, den Betrieb am Laufen zu halten“, so Lorenz. Das sei auch für die Mitarbeiter eine große Belastung.

Neun von zehn Kindertagesstätten haben zu wenig Fachkräfte

So wie ihr geht es fast allen Kitas – und zwar bundesweit. Neun von zehn Kindertagesstätten in Deutschland haben zu wenig Fachkräfte, um eine hohe Betreuungsqualität aufrecht zu erhalten. Das ergab eine repräsentative Befragung des Verbands Bildung und Erziehung unter 2600 Kitaleitern. Selbst Zeitarbeitsfirmen haben so gut wie keine Kapazitäten mehr. Und laut Umfrage braucht es mindestens drei Monate bis Kitaleitungen offene Stellen nachbesetzen können.


Claudia Lorenz hat bereits im vergangenen Jahr alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Mitarbeiter zu finden. Über den Träger, die AWO Soziale Dienste Bezirk Hannover gGmbH, wurden die Stellen ausgeschrieben, es gab Zeitungsinserate und Plakate, die in der Region aufgehängt wurden. Jetzt hat die Leiterin sogar Flyer verteilt und über die sozialen Medien zur Bewerbung aufgerufen. Vergebens. „Es gibt einfach zu wenig Fachkräfte“, sagt die ausgebildete Erzieherin und studierte Heilpädagogin. „Und diejenigen, die es gibt, sind nicht unbedingt bereit, ihren sicheren Arbeitsplatz zu wechseln. Dabei sei gerade die Mitarbeit in einer neuen Einrichtung spannend, findet sie. „Bei uns können die Erzieher vieles noch mitgestalten, weil es ja erst im Entstehen ist.“ Planerisch und konzeptionell sei vieles noch zu entwickeln.

Alle Räume sind multifunktional

So ist mittelfristig vorgesehen, die Kita um eine zweite Elementargruppe zu erweitern. Das Gebäude ist so ausgerichtet, dass auf dem 5000 Quadratmeter großen Grundstück zwischen Friedhof und Gewerbegebiet Ohepark, das bislang als Friedhofserweiterungsfläche ausgewiesen war, ein Ausbau möglich ist. „Die Einrichtung kann sehr flexibel auf Bedürfnisse, die in der Kinderbetreuung noch auf uns zukommen, reagieren“, sagt Gemeindebürgermeister Dirk Seidler.

„Alle Räume sind multifunktional, sind also für Krippengruppen und Elementargruppen nutzbar und können leicht in Therapieräume umgebaut werden, um auch die Inklusion von Kindern mit Behinderung zu ermöglichen.“ Doch an so etwas ist aus Sicht von Claudia Lorenz momentan überhaupt nicht zu denken. Denn das würde einen weiteren Anstieg von Personal bedeuten. Personal, das es auf dem Arbeitsmarkt einfach nicht gibt.

Bürgermeister Seidler weiß um die angespannte Personalsituation. Doch ihm sind die Hände gebunden. „Es gibt klare Vorgaben, wie Erzieher ausgebildet werden“, sagt er. „Die Kommunen plädieren für eine duale Ausbildung, die Landesregierung aber ist dagegen.“ Um neue Fachkräfte zu gewinnen, müsse es Verbesserungen im Ausbildungssystem für Erzieherinnen und Erzieher geben, so Seidler weiter. Das bedeute auch eine bundesweit kostenfreie Ausbildung sowie eine angemessene Ausbildungsvergütung.

Trotz der schwierigen Situation plant die Gemeinde Rosengarten bereits den Bau einer weiteren Kita im Bereich Leversen/Sieversen. Das Projekt soll ähnlich wie die neue Kita in Nenndorf aufgestellt sein. „Die Gemeinde wächst, immer mehr junge Familien ziehen in den Landkreis“, so Seidler. „Unsere Aufgabe ist es, für die entsprechende Infrastruktur zu sorgen. Wie die Rahmenbedingungen dafür allerdings aussehen, bestimmt die Landesregierung – auch, wenn uns das nicht gefällt.“