Altendorf/Löningen. „L'Amour Toujours“-Eklat und kein Ende? Weiterer Fall aus Niedersachsen. Steinwürfe auf Flüchtlingsheim. Innenministerin reagiert.
Nach dem Skandal um Videoaufnahmen von rassistischen Gesängen bei Pfingstpartys in den Nobelclubs „Pony“ und „Rotes Kliff“ in Kampen auf Sylt sind inzwischen weitere Fälle aus Norddeutschland bekanntgeworden, in denen es in den vergangenen Tagen zu einer rechtsextremen Verunglimpfung des Techno-Hits „L'Amour Tourjours“ gekommen sein soll.
Während die Leitung des Elite-Internats Louisenlund bei Schleswig bereits entsprechende Gesänge einzelner Schüler zur Melodie des Songs von DJ Gigi D'Agostino bestätigte, sucht die Polizei Hamburg nach Teilnehmern einer größeren Gruppe, die im Rahmen des Schlagermoves am Wochenende auf einem Truck die Parolen „Deutschland den Deutschland, Ausländer raus!“ gesungen und dabei den Hitlergruß gezeigt haben sollen.
Rassistische Gesänge auf Schützenfesten
In Niedersachsen beschäftigen derweil zwei ähnliche Vorfälle auf Schützenfesten Justiz und Politik. Nachdem am Wochenende bereits ein entsprechender Eklat aus Löningen westlich von Cloppenburg an die Öffentlichkeit kam, folgten am Montag Berichte über rassistische Vorgänge in Altendorf.
Bei der mehrtägigen Veranstaltung nördlich von Wolfsburg sollen in der Nacht zum Sonntag mehrere Personen rechtsextreme Parolen zu dem Lied „L’amour toujours“ gesungen haben, wie die Polizei mitteilte. Der Staatsschutz ermittelt und sucht nun nach Zeugen. Zuvor hatte die „Braunschweiger Zeitung“ berichtet.
Demnach habe sich der Vorstand des Schützenvereins Altendorf bereits von dem dortigen Ereignis distanziert. „Leider gab es einen Vorfall, welchen wir nicht so im Raum stehen lassen können und wollen“, schrieb er dem Blatt zufolge im sozialen Netzwerk Facebook. „Der Schützenverein Altendorf distanziert sich von jeglichem rechten und ausländerfeindlichem Gedankengut! Wir werden uns zeitnah beraten und unsere Schlüsse daraus ziehen.“
D'Agostino-Hit umgedichtet: Staatsschutz ermittelt
Am Freitag war schon ein ähnlicher Vorfall auf dem Schützenfest in Löningen (Landkreis Cloppenburg) bekanntgeworden, der sich an Pfingstmontag ereignet hatte. Zeugen, die das Geschehene gefilmt hatten, zeigten den Vorfall bei der Polizei an. Der Vorstand des dortigen Schützenvereins will über Konsequenzen beraten. Auch ein Ausschluss der an den Gesängen beteiligten Mitglieder steht zur Diskussion.
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Der Staatsschutz ermittelt in diesem Fall ebenso wie zuvor bereits wegen der Gesänge auf Sylt. Von den Gesängen im dortigen Nacht- und Tanzclub „Pony“ war am Donnerstag ein Video viral gegangen, das Nazi-Parolen grölende junge Menschen zeigt. Das Lokal distanzierte sich davon und kündigte rechtliche Schritte an. Mindestens zwei der Identifizierten verloren ihren Job. In den vergangenen Monaten wurden immer wieder vergleichbare Fälle bekannt.
„Deutschland den Deutschen“: Video via Snapchat
Zu dem Vorfall in Löningen berichete das Bremer Portal „buten un binnen“ online, dass unter anderem im Messenger Snapchat ein Video kursiere, auf dem junge Menschen zu sehen sind, wie sie die rassistischen Parolen auf dem Schützenfest singen. Auch sie sollen unter anderem „Ausländer raus“ und „Deutschland den Deutschen“ gegrölt haben.
Der Schützenverein Bunnen distanzierte sich in einem Beitrag auf der Plattform Instagram von dem Vorfall. Erst am folgenden Dienstag habe der Vorstand davon erfahren und daraufhin gegenüber Besuchern des Schützenfests die Parolen verurteilt. Der Verein sei vielfältig und heiße jeden willkommen. Der Vorfall solle noch weiter aufgearbeitet werden.
Der Präsident der Polizeidirektion Oldenburg, Andreas Sagehorn, sagte: „In einer weltoffenen und toleranten Gesellschaft, die gerade erst das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes gemeinsam gefeiert hat, ist ein solches Verhalten mit unserem Menschenbild nicht vereinbar.“
Rechte Parolen bei Schütztenfest: Verein prüft Ausschlüsse
Der Schützenverein prüft nun einen Ausschluss der beteiligten Mitglieder. Am Montagabend werde der erweiterte Vorstand des Schützenvereins Bunnen zusammenkommen und über Konsequenzen aus dem Vorfall beraten, sagte Vereinspräsident Gregor Meyer am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Auch ein Ausschluss der an den Gesängen beteiligten Mitglieder stehe zur Diskussion. Zuvor hatte der NDR berichtet.
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Laut Satzung sei ein Ausschluss der Mitglieder bei vereinsschädigendem Verhalten möglich, sagte Meyer. „Unsere Satzung gibt das her.“ Beschließen müsse das aber der gesamte Vorstand und nicht er allein als Vorsitzender. Der Entscheidung wolle er daher nicht vorgreifen. „Wenn das die Beschlusslage des Vorstands sein wird, dann werden wir so verfahren.“
Steinwürfe auf Flüchtlingsunterkunft – Zeugenaufruf
Derweil sucht die Polizei nach Steinwürfen auf eine Flüchtlingsunterkunft in Braunschweig mit einem Zeugenaufruf nach den Tätern. Bisher gebe es keine Spur zu den Steinewerfern, wie ein Polizeisprecher am Montag sagte. Der ermittelnde Staatsschutz habe daher bereits am Sonntagabend einen Zeugenaufruf gestartet.
Unbekannte warfen die Steine in der Nacht auf Sonntag. Die Täter sollen sich dabei auch rassistisch geäußert haben, wie die Polizei am Sonntag mitteilte. Sie seien anschließend unerkannt geflohen. Nach bisherigen Ermittlungserkenntnissen handelt es sich um mindestens fünf Täter, die sich auch ein Wortgefecht mit den Bewohnern der Unterkunft geleistet haben sollen. Verletzte gab es demnach nicht.
Polizisten hätten unmittelbar nach der Tat nach den Tätern gefahndet, jedoch ohne Erfolg. Die Beamten hoffen nun unter anderem auf Hinweise von Besuchern eines Schützenfestes, dass gleichzeitig in der Nähe stattfand.
Rassistische Vorfälle: Innenministerin reagiert
Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) verurteilte die jüngsten Vorfälle in ihrem Bundesland scharf. „Wir müssen bundesweit und leider auch in Niedersachsen feststellen, dass auf Schützenfesten und anderen Feiern rassistische Parolen zu einem eigentlich harmlosen Song gegrölt werden, ohne dass in der unmittelbaren Umgebung jemand einschreitet und diesem Treiben ein Ende setzt“, sagte die Politikerin am Montag im Anschluss an eine Konferenz der SPD-geführten Innenministerien in Tühringen (A-IMK).
„Dass die Verbreitung dieses widerlichen Gedankengutes nicht nur ein harmloser Partyspaß ist, zeigte sich am Wochenende in Braunschweig, wo mutmaßlich Besuchende eines Schützenfestes Steine auf eine Unterkunft für Geflüchtete geworfen und dabei ebenfalls rassistische Parolen skandiert haben“, so Behrens weiter.
Innenminister fassen „wichtige“ Beschlüsse
Vor diesem Hintergrund habe die sogenannte A-IMK gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser wichtig Beschlüsse gefasst, um ein „klares Zeichen“ zu senden: „Wir nehmen diese Entwicklung nicht länger hin und lassen die Gegner unserer Demokratie und unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung nicht einfach gewähren!“
Dazu seien laut Behrens „gut aufgestellte und bestmöglich ausgestattete Sicherheitsbehörden“ vonnöten. „Denn sie stehen bei der Verteidigung unseres Rechtsstaates in der allerersten Reihe“, so Behrens: „Überall dort, wo wir Täterinnen und Täter ermitteln können, muss dann allerdings auch die Strafe auf dem Fuße folgen. Für uns hat es darüber hinaus höchste Priorität, auch die Verfassungsfeinde in den eigenen Reihen, also im Staatsdienst, frühzeitig zu erkennen und disziplinarrechtlich zu belangen.“ Aus diesem Grund werde derzeit das niedersächsische Disziplinarrecht reformiert. Behrens: „Wir bezwecken damit eine deutliche Beschleunigung des Verfahrens, sodass Verfassungsfeinde künftig schneller aus dem Dienst entfernt werden können.“