Innerhalb von drei Jahren hat sich der Dorsch-Bestand in der Ostsee mehr als verdoppelt - und so könnte auch die Fangquote wieder drastisch erhöht werden. Ein Wunder für die deutschen Fischer.
Sassnitz. „Es gleicht einem Wunder“, bringt es der Verbandschef der Kutter- und Küstenfischer in Mecklenburg-Vorpommern, Norbert Kahlfuß, in der für seine Zunft typisch knappen Art auf den Punkt. Noch vor einem Jahr galt der Ostsee-Dorsch als völlig überfischt. Nun empfehlen die Experten des Internationalen Rats für Meeresforschung (ICES) eine Erhöhung der Fangmengen für die Bestände in der östlichen Ostsee.
„Verstehen kann ich den schnellen Wandel nicht“, bekennt Kahlfuß. Doch begrüßt er die Empfehlung des ICES für eine Erhöhung der Fangmenge um 15 Prozent. Nach jahrelang drastischen Kürzungen der Dorsch-Fangquoten – und zuletzt auch für Hering – gebe es nun einen leichten Hoffnungsschimmer. „Die Richtung stimmt“, betont Kahlfuß zwei Tage vor dem Landesfischereitag am Freitag in Negast. In welchem Maße allerdings die Fischer in Mecklenburg- Vorpommern profitieren werden, sei noch ungewiss.
Nach Erkentnissen der ICES-Forscher ist der Bestand an geschlechtsreifen Dorschen in der Ostsee östlich Bornholms deutlich angewachsen. Er stieg demnach von 66.000 Tonnen im Jahr 2005 auf etwa 140.000 Tonnen Ende 2008. Wird die Entwicklung anhalten, so prognostizieren Experten wie der Rostocker Fischereibiologe Christopher Zimmermann, kann 2011 mit einer Biomasse von rund 405.000 Tonnen gerechnet werden.
Eindämmung der illegalen Fischerei
Damit hätte sich der Bestand innerhalb von sechs Jahren versechsfacht. Als Ursache für diese Entwicklung vermuten die Biologen mehrere Faktoren. Zum einen habe der „Fischereidruck“ durch die Fangmengenreduzierungen deutlich abgenommen. „Unter der neuen Regierung in Polen ist es zudem zu einer deutlichen Eindämmung der illegalen Fischerei gekommen“, fügt Zimmermann hinzu.
Zum anderen spielten Umweltfaktoren eine größere Rolle. Salzwasser-Einströmungen aus der Nordsee in den Jahren 2003 und 2005 hätten dazu geführt, dass sich die Laichbedingungen in der Ostsee verbesserten. „Der Dorsch lebt in der vergleichsweise salzarmen Ostsee am Rande seines Verbreitungsgebietes und reagiert auf Veränderungen sehr empfindlich.“ Wenn sich die Bedingungen in einem solchen Terrain verbesserten, könne der Bestand schnell explodieren. „Der Dorsch hat ein ungeheures Potenzial“, erklärt Zimmermann.
In der Tendenz folgte die Europäische Kommission in den zurückliegenden Jahren jeweils den Empfehlungen des ICES. In die Hoffnung auf höhere Fangmengen für den Dorsch mischt sich aber auch die für Fischer typische Skepsis. Zum einen beklagen sie einen drastischen Preisverfall beim Dorsch. Um 40 Prozent seien die Preise gegenüber dem Vorjahr geschrumpft.
Umweltverbände sollen Absatz ankurbeln
Zum anderen erhalten die Kutter- und Küstenfischer in Mecklenburg-Vorpommern nur rund 30 Prozent von der deutschen Quote für den östlichen Dorsch. Hinzu kommt, dass die hiesigen Fischer mit ihren eher kleinen Kuttern nicht die Fanggebiete östlich Bornholms erreichen können und auf einen Tausch der Quoten für den westlichen Dorsch angewiesen sind. „Das wird schwierig werden“, ahnt Kahlfuß. Denn der westliche Dorsch werde wohl nicht die Zuwächse verzeichnen wie der weitaus größere Bestand im Osten.
Die Fischer fordern nun zunächst, dass Umweltverbände ihre Informationen an Verbraucher korrigieren. Damit könne bei Supermarktketten und umweltbewussten Käufern der Absatz wieder angekurbelt werden. „Der Dorsch kann nach den vorliegenden Daten nicht mehr als gefährdet gelten“, betont Kahlfuß. Auch die Fischereibiologen des Instituts für Ostseefischerei halten diese Einschätzung der Fischer für gerechtfertigt. „Die Umweltverbände müssen einsehen, dass sich die Bestände positiv entwickeln und es den Einkäufern und Käufern mitteilen“, sagt Zimmermann. Selten waren sich Biologen und Fischer so einig.
Allerdings droht bereits der nächste Konflikt. Am 19. Juni will der ICES die Fangempfehlungen für den Ostseehering festlegen. Nach der Kürzung in diesem Jahr rechnen Experten auch für 2010 mit weiteren Einschnitten. „Ich erwarte eine hitzige Diskussion auf dem Fischereitag“, sagt Kahlfuß. Erstmals seit mehreren Jahren hat sich Agrarminister Till Backhaus (SPD) angekündigt.