Heringsfischer sehen jetzt ihre Existenzen gefährdet. 30 Kutterbesatzungen allein in Mecklenburg-Vorpommern bangen um ihre Zukunft.

Freest/Heiligendamm. Nach der Senkung der Heringsfangquote um weitere 30 Prozent bangen an der Ostsee viele Kutter- und Küstenfischer um ihre Existenz. Die vierte Quotenreduzierung in Folge werde im kommenden Jahr zu einem richtigen Einbruch führen, sagte der Geschäftsführer der Fischereigenossenschaft Freest in Mecklenburg-Vorpommern, Michael Schütt. Für die 30 Kutterbesatzungen in Freest am Peenestrom hätten sich die schlimmsten Befürchtungen erfüllt, die Stimmung sei am Boden, sagte Schütt. Schon die Reduzierung von 39 Prozent vor einem Jahr habe die Betriebe in finanzielle Probleme gestürzt, so dass zum Beispiel Schiffsreparaturen immer wieder verschoben werden mussten.

Die von den EU-Fischereiministern beschlossene Quotensenkung bedeutet für die Erzeugergemeinschaft, zu der auch Besatzungen an der Haffküste und Usedomer Einzelfischer gehörten, dass die Grundquote von 1541 Tonnen Hering in diesem Jahr auf 1078 Tonnen im kommenden Jahr fällt. „Das ist vor allem für jene, die zu 75 Prozent vom Hering leben, nicht mehr verkraftbar“, sagte Schütt. Die geringfügige Erhöhung der Dorschquote federe bei weitem nicht die Verluste aus dem Heringsgeschäft ab.

Erste Fischer geben auf

Unterdessen kündigten in der größten Fischereigenossenschaft von Mecklenburg-Vorpommern die ersten Mitglieder ihren Ausstieg aus der Fischerei an. „3 der 30 Kutterführer werden nach der Frühjahrsaison 2011 ihre Netze an den Nagel hängen und in Seemannsrente gehen“, sagte Schütt. Ihren Besatzungsmitgliedern bleibe nur der Gang zur Arbeitsagentur. Die Kutter würden vermutlich von anderen Betrieben gekauft, um deren Quote zu übernehmen. Aber auch, wenn diese Kutter nur noch im Hafen blieben, fielen Kosten wie Liegegebühren an, sagte Schütt. Bei den Besatzungen mache sich nun eine Ohnmacht breit. „Wir verstehen vor allem nicht, dass gerade die kleine, sogenannte stille Fischerei, die mit Stellnetzen umwelt- und bestandsschonend fischt, immer wieder über Gebühr reglementiert wird.“

Der Geschäftsführer des Landesverbands der Kutter- und Küstenfischer in Mecklenburg-Vorpommern, Norbert Kahlfuss, sagte, den noch verbliebenen 300 hauptberuflichen Fischern bleibe nur noch eine Quote von 4.000 Tonnen Hering. „Wenn seit 2008 die Quote schon halbiert wurde und nun noch mal 30 Prozent Kürzungen kommen, dann kann man sich ausrechnen, dass das nicht gut geht.“

Der Landesfischereiverband Schleswig-Holstein befürchtet finanzielle Einbußen der Ostseefischer, weil sie künftig weniger Hering fangen dürfen. Zudem hätten sich andere Staaten wie Finnland oder das Baltikum in Brüssel besser durchsetzen können, sagte Verbandsgeschäftsführerin Gretel Flindt in Heiligenhafen. Sie fügte hinzu: „Eine deutlich geringere Reduzierung wäre möglich gewesen.“ An der schleswig-holsteinischen Ostseeküste gibt es nach ihren Angaben rund 100 Betriebe, wovon rund ein Fünftel Hering fischt.

Dagegen begrüßte die Umweltstiftung World Wide Fund for Nature (WWF) die Rats-Entscheidung. Der Zustand des westlichen Heringsbestands sei besorgniserregend, sagte WWF-Fischereiexpertin Karoline Schacht. Notwendig sei ein langfristiges Fischereimanagement anstelle des jährlichen Quotengeschachers. So hätten sich die 2007 eingeführten Managementpläne für den Dorschfang als erfolgreich erwiesen. Der Bestand habe sich soweit erholt, dass Wissenschaftler eine Fangerhöhung für die östliche Ostsee um 15 Prozent vorgeschlagen hätten.

Die EU-Fischereiminister hatten am Dienstagabend in Luxemburg die Fangquoten für 2011 festgelegt. Demnach dürfen 2011 nur noch knapp 16.000 Tonnen Hering aus der westlichen Ostsee geholt werden. Für Deutschland sind das 8.763 Tonnen, 30 Prozent weniger als 2010. Beim Dorsch dürfen sechs Prozent mehr ins Netz gehen: 18.800 Tonnen in der westlichen Ostsee und 4.000 Tonnen in deutschen Gewässern. Bei der Sprotte wurde die Quote um knapp ein Viertel gesenkt. Die Minister folgten bei der Festlegung der Quoten der Empfehlung der EU-Kommission. Die Fangquoten für die Nordsee werden im Dezember festgelegt.