Die Keime wurden auf der Haut von 18 Frühgeborenen entdeckt, die Station daraufhin gesperrt. Bekannt wurde der Fall aber erst jetzt.
Hamburg/Bremen. Die Intensiv-Station für Frühchen in der Asklepios-Klinik Hamburg ist im September nach dem Fund multiresistenter Keime für zwei Wochen geschlossen worden. Die Keime seien auf der Haut von 18 Frühgeborenen entdeckt worden, sagte ein Sprecher der Klinik am Donnerstag. Zwei der Kinder zeigten Infektionszeichen, die sich durch spezielle Antibiotikabehandlung besserten. Kein Kind ist daran gestorben.
Die Station wurde daraufhin vom 7. bis 22. September gesperrt und desinfiziert, ohne dass die Quelle der Keime gefunden wurde. Das Gesundheitsamt hattee den Vorfall am 17. Oktober schließlich für beendet erklärt. Bekannt wurde er aber erst jetzt.
Senatorin Jürgen-Pieper kritisiert das Gesundheitsamt
Nach dem Tod dreier Babys in Bremen hat Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) ihrem Gesundheitsamt eine zu späte Information über die Erkrankungen vorgeworfen. Das Amt habe ihrem Ressort erst vor zwei Tagen von den Infektionen berichtet, sagte die Senatorin am Donnerstag. „Spätestens Mitte Oktober, seit die Erkrankungen besorgniserregend waren, hätte meine Behörde informiert werden müssen“, betonte sie. Man prüfe nun, ob Vorschriften zu ändern seien oder ob es Fehleinschätzungen von Mitarbeitern gegeben habe.
Die Suche nach der Quelle der tödlichen Infektionen im Klinikum Bremen-Mitte ist nach Angaben der Senatorin sehr schwierig. „Es ist durchaus möglich, dass die Infektionsquelle nie gefunden wird“, sagte sie. Nur in jedem dritten Fall sei eine Suche nach solchen Infektionsquellen erfolgreich. Einen Bericht über die Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts in der Klinik erwarte man erst Mitte oder Ende November. Vordringlich wolle man jetzt weitere Infektionen verhindern. Die aktuelle Lage sei stabil. Es würden zehn infizierte Kinder auf drei Stationen der Klinik behandelt.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen der gestorbenen und erkrankten Babys wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung in drei Fällen und der fahrlässigen Körperverletzung gegen Unbekannt. Die Behörde wolle bei der Suche nach möglichen Verantwortlichen für die Todesfälle zunächst Krankenakten auswerten, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Frank Passade.
Die Akten sollten durch einen medizinischen Sachverständigen untersucht werden. „Wir wollen zunächst sehen, ob tatsächlich eine Infektion die Todesursache war“, sagte der Staatsanwalt. Wenn sich die tödlichen Keime als Todesursache bestätigten, werde geprüft, ob es Anhaltspunkte dafür gebe, „dass die Infektionen fahrlässig verursacht worden sind“.
Der Bremer CDU-Gesundheitsexperte Rainer Bensch kritisierte, das Krisenmanagement der Gesundheitsbehörde wirke chaotisch. Er verlangte Aufklärung, weshalb die Gesundheitspolitiker der Stadt nicht früher über die Fälle informiert wurden. Zudem müsse geklärt werden, welche Verantwortung Jürgens-Pieper als Senatorin und Aufsichtsratschefin des Klinikverbundes Gesundheit Nord trage. „Möglicherweise liegt hier ein Rollenkonflikt in der Wahrnehmung beider Aufgaben vor“, sagte Bensch.
Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene warnt unterdessen vor Personalmangel auf Frühgeborenen-Stationen. Studien hätten gezeigt, dass die Infektionsrate „rapide“ steige, wenn nicht genügend Krankenschwestern vorhanden seien, sagte Sprecher Klaus-Dieter Zastrow im ZDF. Die Pflege von Frühchen sei „Filigranarbeit“, eine Schwester solle nicht mehr als zwei Kinder betreuen. Ob in der betroffenen Bremer Klinik Personalmangel herrschte, konnte Zastrow aber nicht sagen.
Der Gesundheitsexperte der Unionsfraktion im Bundestag, Jens Spahn, sagte, der Bund habe in diesem Jahr seine Hausaufgaben gemacht und gesetzlich die Zügel für eine bessere Hygiene im Krankenhaus angezogen. Nun seien die Länder in der Pflicht, die Vorgaben umzusetzen. „Es gibt in diesem Bereich immer noch viel zu viele vermeidbare Todesfälle in Deutschland“, kritisierte Spahn.
Die niedersächsische Gesundheitsministerin Aygül Özkan (CDU) sprach unterdessen den Eltern der drei Babys öffentlich ihr Beileid aus. Als Mutter könne sie nachempfinden, was die Ereignisse für die Eltern bedeuten müsse, sagte sie.
Im Klinikum Bremen-Mitte waren im August und im Oktober drei Frühchen an Bakterien der Gattung Klebsiella gestorben. Insgesamt infizierten sich 15 Kinder seit Ende Juli mit dem besonders resistenten Darmkeim. Zehn werden noch im Klinikum behandelt, zwei konnten geheilt entlassen werden. (dapd)
ESBL – wenn Bakterien Antibiotika ausschalten
Keime, die gegen Antibiotika resistent sind, stellen für die Medizin ein zunehmendes Problem dar. Gerade abwehrgeschwächte Menschen in Krankenhäusern und Arztpraxen seien gefährdet, warnen Fachleute. Darmbakterien, die Antibiotika wie Penicillin durch genetische Veränderungen mit Hilfe von Enzymen ausschalten, sind eine ständige Bedrohung.
Sie werden auch ESBL-Bildner genannt – die Abkürzung für Extended-Spectrum-Beta-Laktamasen. ESBL bezeichnet also keinen bestimmten Keim, sondern die Eigenschaft unterschiedlicher Keime, Antibiotika zu inaktivieren. Obwohl ESBL nicht so leicht übertragbar ist wie der Krankenhauskeim MRSA, nehmen die Infektionen damit stark zu.
Hauptursache für die Entstehung multiresistenter Bakterien sind der unkritische Einsatz von Antibiotika und unzureichende Hygiene, warnen Mediziner. Der Nachweis von ESBL ist aufwendig und dauert mehrere Tage. Die Übertragung erfolgt meist über kontaminierte Hände. Gefahr droht vor allem bei Harnwegs- und Hautinfektionen sowie bei Sepsis – im Volksmund oft „Blutvergiftung“ genannt.
Fachleute schätzen die Zahl der Infektionen durch multiresistente Erreger in Deutschland auf insgesamt 400.000, die der Todesfälle auf 10.000 im Jahr.
Insbesondere bei den ESBL-bildenden Darmbakterien sei die Zunahme gefährlich. Denn für diese Erreger gebe es in absehbarer Zeit keine neuen Antibiotika. Manche Darmbakterien sind bereits gegen alle bekannten Antibiotika resistent. Ärzte fordern daher einen sparsameren Umgang damit.