Wer wird SPD-Herausforderer von Ministerpräsident McAllister bei der Landtagswahl? Weil und Lies stellten sich erstmals der Basis.
Lüneburg. In der Analyse waren sich Olaf Lies und Stephan Weil weitgehend einig: Die SPD hat gute Chancen, die niedersächsische Landtagswahl am 20. Januar 2013 zu gewinnen. Eben deshalb standen sich die beiden Männer gestern Abend in der Vamos-Kulturhalle in Lüneburg erstmals als Kontrahenten gegenüber. Beide möchten gerne Spitzenkandidat der SPD werden, und auf sieben Regionalkonferenzen hat die Basis Gelegenheit , sich ein Bild zu machen von den beiden Männern, die sich den Job selbst zutrauen. Am 27. November entscheiden dann 65.000 SPD-Mitglieder in einer Urabstimmung.
Freundlichen Beifall von rund 300 Mitgliedern gab es für beide Kandidaten: den 44 Jahre alten Landesvorsitzenden und Landtagsabgeordneten Olaf Lies sowie für den 52-jährigen Stephan Weil, Oberbürgermeister der Stadt Hannover. Und weil Lies nach gängiger Lesart der Außenseiter ist, ging er gleich in die Vollen, erinnerte an die nicht einfache Situation seiner alleinerziehenden Mutter und reklamierte dann für die SPD unter dem Kanzler Willy Brandt, die habe die Voraussetzungen geschaffen, dass er habe studieren können: "Ich habe gelernt zu kämpfen." Lies setzt auf frühkindliche Bildung, echte Ganztagsschulen, neue Gesamtschulen, die Abschaffung der Studiengebühren und einen Mindestlohn von 8,50 Euro. Wichtiger aber war der Ton: Lies gab sich kämpferisch, er sprach kräftig, er teilte aus, er machte Mut: "Die sozialdemokratische Partei in Niedersachsen kann und wird die nächste Landtagswahl gewinnen."
Davon zeigte sich gleich anschließend auch Weil überzeugt, sieht in der Sache wenig Differenzen mit dem Kontrahenten: "Aber wir sind zwei unterschiedliche Typen." Gefragt nach dem Rivalen, bestätigte er Lies, der sei ein "großes politisches Talent". Das ist, vornehm umschrieben, die zentrale Kritik derer, die sich seit Wochen hinter der Bühne starkmachen für Weil und gegen Lies: Dem Mann fehle jede politische Leitungserfahrung. Weil überging diese Kritik, aber er legte in Lüneburg die Latte für den richtigen Kandidaten gekonnt noch höher.
+++Weil oder Lies - Basis bestimmt SPD-Kandidaten+++
Aus seiner Sicht geht es nicht nur um den Wahlsieg in Niedersachsen, sondern genau dieser Sieg sei ein "wichtiges Signal" für einen Machtwechsel auch auf Bundesebene im Herbst 2013. Weils Analyse, was für ein Kandidat gebraucht wird, der gegen Ministerpräsident David McAllister (CDU) gewinnen kann: "Er muss attraktiv sein für Wähler über das SPD-Spektrum hinaus."
Und dann kam noch so eine Profilanforderung, die kaum anders zu verstehen ist denn als Kritik an Lies. Die Wähler, so Weil, müssten am Ende sagen: "Da ist jemand, der ist kompetent und dem kann ich ein wichtiges Amt anvertrauen." Lies wiederum beschwor den Schulterschluss in der Partei: "Es geht nur im Team." Für ihn sind die Ortsvereine "das Herz der Partei" und der Ausgang der Landtagswahl klar: "McAllister und die CDU sind fällig, der nächste Ministerpräsident wird ein Sozialdemokrat."
Praktisch alles in Lüneburg drehte sich um klassische Fragen der Landespolitik, um die Schuldenbremse, Kreisreformen, immer neue Hähnchen-Megaställe. Aber niemand interessierte sich in Lüneburg dafür, ob denn der gesuchte Spitzenkandidat auch eine Meinung hat zum Afghanistan-Einsatz, zum Atomausstieg oder zum Euro-Rettungsschirm. Dabei geht es ja nicht nur um die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl, sondern auch um die Führungsfigur der Landespartei - also auch um Einfluss auf die Bundespartei.
Schließlich hat Lies angekündigt, dass er auch als Landeschef zurücktritt, wenn er nicht Spitzenkandidat wird. Und Weil hat bereits seinen Anspruch angemeldet, auch Landeschef zu werden, wenn er denn Spitzenkandidat wird. Weil hat sich im Vorfeld lange bedeckt gehalten, die Vorzüge des Amtes eines Oberbürgermeisters im schönen Hannover gepriesen und gehofft, die Partei werde ihn einmütig bitten. Als aber klar war, dass es mit Olaf Lies einen anderen Bewerber geben würde, hat Weil sofort auch seinen Hut in den Ring geworfen: Zumindest nach gegenwärtigem Stand der Umfragen stehen die Chancen gut, dass der SPD-Spitzenkandidat auch Amtsinhaber David McAllister beerben kann.
Ein Gewinner steht jetzt schon fest: Die Landespartei hat in den vergangenen Wochen 500 Neueintritte registriert. Die SPD findet also wegen der Kandidatenkür nicht nur in den Medien wieder größeres Interesse, sondern die Eintrittswelle spült auch Geld in die chronisch leere Kasse der SPD in Niedersachsen. Die Neueintritte zeigen zudem, dass beide Kandidaten ihre Heimatregionen für den eigenen Sieg mobilisieren. Damit ist die Gefahr verbunden, dass die ohnehin zerstrittenen vier Bezirke wieder gegeneinander agieren und am Ende die Unterlegenen nur lustlos in den Wahlkampf ziehen.
Weil der Landesvorstand diese Gefahr ernst nimmt, werden am 27. November die Wahlurnen nicht etwa an Ort und Stelle gezählt, sondern bezirksübergreifend zu Sammelpunkten gebracht, an denen dann nur die Gesamtstimmenzahl ermittelt wird: Nur keine neuen Gräben aufreißen. Schließlich scheint, das hat der gestrige Abend gezeigt, mindestens aus der Sicht der Genossen nach knapp neun Jahren Opposition ein Wahlsieg greifbar nahe.