Heftige Schneefälle und Glatteis haben am Donnerstag den Verkehr im Norden massiv behindert und zu Unfällen geführt.

Hamburg/Kiel/Neuruppin/Braunschweig. Auf der wichtigsten Ost-West-Trasse A2 ist der Verkehr nahezu zum Erliegen gekommen. Zwischen Hannover und der Landesgrenze zu Sachsen-Anhalt staut sich der Verkehr in beiden Richtungen auf 25 Kilometer Länge. „Seit Stunden geht hier fast gar nichts mehr. Nur Schritttempo ist möglich“, sagte Holger Heuer von der Verkehrsmanagementzentrale Niedersachsen am Abend. Der Eisregen sorge für kritische Straßenverhältnisse. Zudem kämen die Streufahrzeuge kaum durch. „Wir raten, gar nicht erst loszufahren“, betonte Heuer. Ein Beamter der Autobahnpolizei Braunschweig sprach von einer bis zu fünf Zentimeter dicken Eisschicht auf der Fahrbahn. Die stark befahrene A2 ist die wichtigste Verbindung vom Ruhrgebiet über Berlin Richtung Osten

Einen Tag vor Heiligabend stoppten Schneeverwehungen auch im Norden und Osten Schleswig-Holsteins den Verkehr. Auf den Autobahnen stellten sich immer wieder Lastwagen quer, Autos rutschten von vereisten Fahrbahnen. Auf der teils vereisten A1 zwischen Hamburg und Lübeck gab es mehrere Glätteunfälle mit Verletzten.„Die Leute sollten zu Hause bleiben oder vorsichtiger fahren“, riet eine Sprecherin der Polizeidirektion Ratzeburg. Von der A7 Hamburg-Flensburg wurden keine schweren Unfälle gemeldet, der Verkehr rollte langsam durch das Schneetreiben. Am Abend musste die A7 in Richtung Norden bei Flensburg rund eineinhalb Stunden lang gesperrt werden; ein Wagen war gegen die Mittelleitplanke geprallt, ein Insasse kam mit leichten Verletzungen davon. Es bildete sich ein Stau von bis zu zwölf Kilometern Länge. „Die Lage ist weiterhin angespannt“, hieß es am Abend beim Lagedienst der Polizei in Kiel. Schneeverwehungen hätten vor allem auf Nebenstrecken – besonders in den Kreisen Schleswig-Flensburg, Rendsburg-Eckernförde und Plön – den Verkehr gestoppt. Auch die Bundesstraße zwischen Kappeln und Eckernförde war nicht befahrbar. In Kiel wurde das Hindenburgufer gesperrt, das durch überschwappende Ostseewellen vereist war.

In Flensburg kamen Lastwagen und Gelenkbusse an Steigungen nicht mehr voran. Lkws sollten die Innenstadt meiden, empfahl die Polizei. Einige Buslinien stellten den Verkehr ein. Die Unfälle in Hamburg und Schleswig-Holstein endeten überwiegend nur mit Blechschäden. Kurz vor Weihnachten waren allerdings auch weniger Autofahrer unterwegs als in den vergangenen Tagen. Zudem seien die meisten langsam unterwegs gewesen.

In Hamburg und im Süden Schleswig-Holsteins sollen nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes bis Freitagnachmittag 10 bis 15 Zentimeter Neuschnee fallen, in Ostholstein sogar bis zu 20 Zentimeter, im nördlichen Landesteil nur bis zu fünf Zentimeter. "Für weiße Weihnacht ist aber in jedem Fall gesorgt, der Schnee bleibt liegen“, sagte die Meteorologin Julia Fruntke. Denn die Gesamtschneehöhe betrage an Heiligabend etwa 20 Zentimeter in Hamburg und um 30 Zentimeter an der Ostseeküste. An der Westküste sorgten heftige Windböen immer wieder für Schneeverwehungen. Bei Verwehungen von bis zu einem halben Meter Höhe gab es auch für Krankenwagen in Nordfriesland vielerorts kein Durchkommen mehr. Feuerwehr und Bundeswehr halfen dem Rettungsdienst mit ihren geländegängigen Fahrzeugen. Auch auf der Ostseeinsel Fehmarn kamen Rettungswagen nur noch ans Ziel, wenn ihnen mit Schneeketten ausgerüstete Feuerwehrfahrzeuge den Weg bahnten. Nach stundenlangem Schneefall und kräftigem Wind aus Nordost wurden auf der Insel mehrere Straßen gesperrt. Die Schleifähre Missunde stellte den Verkehr ein. Die Fähren der Wyker Dampfschiffs-Reederei hatten am Donnerstag nur geringe Verspätungen. Da Meteorologen aber mit mehr Eis rechnen, sollten Besucher etwa der Halligen ihre Autos auf dem Festland parken.

18-Jähriger stirbt bei Autounfall in Reinbek

Ein 18-Jähriger ist am Donnerstag nach einem Autounfall bei Reinbek (Kreis Stormarn) gestorben. Der junge Fahrer hatte nach Angaben der Polizei auf schneeglatter Straße die Kontrolle über seinen Wagen verloren und war gegen einen Baum geprallt. Die Polizei vermutet, dass er angesichts der Straßenverhältnisse zu schnell unterwegs war. Der 18-Jährige wurde bei dem Aufprall lebensgefährlich verletzt. Er starb kurze Zeit später in einem Krankenhaus. Sein 15 Jahre alter Beifahrer musste von der Feuerwehr aus dem Wrack befreit werden. Er kam mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus. Es bestehe keine Lebensgefahr.

Zugstrecke zwischen Oldenburg und Puttgarden wieder frei

Nach mehr als sechs Stunden Vollsperrung wegen massiver Schneeverwehungen läuft der Zugverkehr zwischen Oldenburg und Puttgarden wieder. Eine Schneefräse habe die Strecke geräumt, berichtete eine Sprecherin der Bahn am Donnerstag. Für die Züge hatte es dort von 10.00 Uhr bis 16.15 Uhr kein Durchkommen gegeben. Auch Ersatzbusse konnten nicht fahren. Ein ICE in Richtung Kopenhagen hatte bei Oldenburg umkehren müssen, in Puttgarden steckten zwei Züge fest.

Kräftiger Schneefall in Hamburg

Kräftiger Schneefall beeinträchtigt auch am Donnerstag den Straßenverkehr in Hamburg und Umgebung stark. Rund 70 Mal krachte es seit Mittwochabend auf den Straßen der Hansestadt, sagte ein Sprecher der Verkehrsleitzentrale. Zumeist sei es bei Blechschäden geblieben, teilweise habe es aber auch Verletzte gegeben. Seit dem Morgen seien im Großraum Hamburg drei bis sechs Zentimeter Neuschnee gefallen, sagte ein Sprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD). Und die Aussichten werden nicht besser. Für den späteren Tagesverlauf sind weitere zehn bis zwanzig Zentimeter möglich. Mehrere Schneefallgebiete ziehen von der Ostsee her über Schleswig-Holstein Richtung Hamburg und Niedersachsen. ADAC-Sprecher Matthias Schmitting sagte im NDR: "Autofahrer sollen heute die doppelte Fahrzeit einplanen."

Mit 120 Streufahrzeugen ist der Winterdienst der Stadtreinigung Hamburg seit 3.30 Uhr auf den Hauptverkehrsstraßen im Einsatz. Etwa 800 weitere Einsatzkräfte werden darüber hinaus eingesetzt, um Kreuzungsbereiche, Fußgängerüberwege, Bushaltestellen sowie verkehrswichtige Gehwege ohne Anlieger und Radwege zu streuen.

Auf der Autobahn A1 zwischen Hamburg und Lübeck spitzte sich die Situation seit dem Vormittag zu, es gab mehrere Glätteunfälle mit Verletzten.„Die Autobahn vereist zunehmend. Die Leute sollten zuhause bleiben oder vorsichtiger fahren“, warnte eine Sprecherin der Polizeidirektion Ratzeburg.

Hamburger Hadag-Fähren vom Eis behindert

Das Winterwetter sorgt für zunehmenden Eisgang im Hamburger Hafen und bringt so auch den Fahrplan der HADAG-Fähren durcheinander. „Fahrgäste müssen aufgrund des starken Eisganges auf der Elbe mit längeren Fahrtzeiten rechnen, da die Anlegemanöver mehr Zeit benötigen“, teilte das Unternehmen am Donnerstag mit. Die Pontons müssten vor dem Anlegen von den Schiffen zuerst freigeschwemmt werden. Die Linie Cranz-Blankenese fährt nur noch zwischen Blankenese und Finkenwerder. Von dort geht es mit dem Bus (HVV-Linie 150) weiter bis Neuenfelde und Cranz. Für Heiligabend gilt bei der HADAG ein Sonderfahrplan.

Stillstand auf der A24

Für Autofahrer auf der A24 Berlin-Hamburg reichte das nicht aus. Am frühen Donnertsagmorgen hat "Blitzeis" die Autobahn vollständig lahmgelegt. Bei Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) musste sie nach mehreren Unfällen komplett gesperrt werden. Bei den Unfällen wurden zwei Menschen, darunter eine Polizistin, verletzt. In ganz Brandenburg hatte Regen in der Nacht zu Donnertstag zu überfrierender Nässe geführt. Die Warnung an alle Autofahrer hieß, möglichst vorsichtig oder am besten gar nicht zu fahren. Weitere Regenfälle erwartet der Deutsche Wetterdienst (DWD) in Potsdam und damit auch vor allem im Norden Brandenburgs Glatteis.

Winterlust oder Winterfrust - wie ist es bei Ihnen?

Auch in Schleswig-Holstein gab es diverse Glätteunfälle, auch hier blieb es aber überwiegend bei Blechschäden und nur wenigen Leichtverletzten, da die Autofahrer sich zumeist umsichtig verhielten und ihre Fahrweise den Straßenverhältnissen anpassten. Insgesamt registrierten die Lagedienste ein deutlich geringeres Verkehrsaufkommen. Speziell der Bereich Nordfriesland und die Ostseeküste im Bereich Rendsburg-Eckernförde waren von den Schneeverwehungen betroffen. Auf der B 202 zwischen Norderstapel und Erfte (Kreis Schleswig-Flensburg) mussten rund ein Dutzend festgefahrene Autos befreit werden.

Winter auf den Schienen und in der Luft

Auch der Deutschen Bahn machte das Winterwetter weiter zu schaffen. „Im Fernverkehr kam es am Morgen zu Verspätungen von bis zu 30 Minuten“, betonte eine Bahn-Sprecherin. Bereits ab Mittag rechne die Bahn mit einem ersten Ansturm von Reisenden. „Heute ist Großkampftag. Spätestens am Nachmittag, wenn die Leute von der Arbeit kommen, dürften die Züge voll werden“, sagte die Sprecherin. Neuer Schneefall in Norddeutschland könnte dann Probleme bereiten: „Wir rechnen an den Weihnachtstagen mit Verspätungen, wenn das Wetter sich weiter verschlechtert.“

Am Hamburger Flughafen hielten sich die Beeinträchtigungen am Rekordreisetag vor Heiligabend bisher in Grenzen. Lediglich einzelne Flüge nach Paris und Brüssel wurden gestrichen. Das liege aber, wie in den Tagen zuvor, an den Zielflughäfen, sagte eine Sprecherin. „Die Landebahnen sind frei, hier läuft alles normal.“ Am Donnerstag rechnete der Airport mit dem verkehrsreichsten Reisetag - rund 14.500 Passagiere werden erwartet. Am Flughafen Hannover gab es nach Angaben eines Sprechers am Morgen geringe Behinderungen. „Wegen der Enteisung der Start- und Landebahnen kommt es nur zu geringfügigen Verspätungen von bis zu 20 Minuten“, sagte ein Flughafensprecher.

Elbe-Seitenkanal seit Mittwochabend gesperrt

Der Winter bringt jetzt auch die Schifffahrt ins Stocken: Am Mittwochabend ist der Elbe-Seitenkanal auf unbestimmte Zeit gesperrt worden. Durch den Dauerfrost ist der Kanal nach Angaben eines Sprechers des Wasser-und Schifffahrtsamts Uelzen an vielen Stellen unpassierbar. Auch diverse Schleusen seien stark vereist. Drei Eisbrecher, die bislang auf dem Elbe-Seitenkanal im Einsatz waren, seien nach Hamburg-Finkenwerder verlegt worden. Von dort aus sollen sie das Wehr in Geesthacht freihalten und den Abfluss des Eises vom Hamburger Hafen sicherstellen.

Seenotkreuzer "Eugen" kämpft sich ein letztes Mal zur Ostseeinsel Ruden - mit der Weihnachtspute im Gepäck

Das 1700 PS starke Schiff brachte Frischwasser, Post und – was Ulla Toth besonders wichtig war – die Pute für den Weihnachtsbraten. „Das Fest kann jetzt kommen“, sagt die 61-Jährige erleichtert am Telefon. Wann der Seenotkreuzer ein nächstes Mal das Mini-Eiland zwischen Rügen und Usedom ansteuern kann, ist ungewiss. Das Hafenbecken ist zugefroren und das Eis um die Insel wächst und wächst und wächst... Ulla Toth und ihr Lebensgefährte Conrad Marlow leben seit sieben Jahren als einzige Bewohner auf der Ostseeinsel Ruden. „Einen so frühen Winter mit Eis haben wir noch nie erlebt“, erzählt Ulla. An den Bäumen glitzert der Reif, Schnee überzieht den sandigen Boden und die flachen Grasflächen, und statt des permanenten Grundsounds rauschender Wellen herrscht ungewohnte Stille. Ulla Toth und ihr Lebenspartner Conrad Marlow haben sich auf ein dreimonatiges autarkes Leben auf Ruden eingerichtet – mit 2000 Litern Frischwasser, ausreichend Kraftstoff für den Generator und Lebensmitteln. „Bis zum März kommen wir mit unseren Vorräten aus“, zeigen sich die beiden nach den Erfahrungen des letzten Eiswinters zuversichtlich.

Irgendwie hatte der Winter doch gerade erst aufgehört? Seit November hat Ulla Toth gekocht und gebraten: Die Einweckgläser mit Rinder- und Schweinebraten sowie dem geliebten Mecklenburger Rippenbraten stehen in Regalen im Keller neben Kartoffelsäcken, Apfelstiegen und Brotmehl. Strom wird über einen Generator erzeugt. Vor allem am Abend, wenn Conrad Marlow den Generator für den Fernseher anwirft, weiß er sein privilegiertes Leben zu schätzen. Die TV-Bilder von frierenden Bahn- und entnervten Flugreisenden, vom Verkehrschaos auf Deutschlands Straßen sieht Marlow mit entspannter Gelassenheit. „Den Stress haben wir hier nicht“, sagt der 59-Jährige.

Vor sieben Jahren hatte das Paar genau dieser Geschäftigkeit auf dem Festland den Rücken gekehrt. Den Schritt in ihr neues Leben haben sie bis heute nicht bereut. Eine schwere Erkrankung hatte den früheren Gaststättenbetreiber im Jahr 2003 gezwungen, seinen von Hektik geprägten Alltag zu überdenken. Es war ein glücklicher Umstand, dass zu diesem Zeitpunkt der langjährige Insel-Vorbewohner aus Altersgründen aufs Festland zog. Im Jahr 2004 siedelten Ulla Todt und Conrad Marlow vom mecklenburgischen Festland auf die vorpommersche Insel über. Trotz der winterlichen Ruhe ist das Leben auf der Insel keinesfalls eingefroren. „Wir haben keine Langeweile“, weist Conrad jeden Verdacht zurück.

In den turbulenten Sommermonaten mit immerhin rund 14.000 Tagesausflüglern pro Jahr arbeitet das Paar als Naturschutzwarte für die mecklenburg-vorpommerschen Umweltbehörden und führt die Besucher über die ehemalige Lotseninsel. Die Zeit im Winter nutzen die beiden, um ihren Jahresbericht für die Behörden zu schreiben. Zudem wollen sie in den Wintermonaten das kleine Inselmuseum neu gestalten. „Das Leben hier ist ein Traum“, schwärmt Conrad Marlow. Doch das harte Wetter fordert in diesem Jahr auch von den beiden Robinsonen seinen Tribut. Da der Seenotkreuzer die Insel nicht mehr ansteuern kann, können die inzwischen erwachsenen Kinder der Beiden nicht auf die Insel übersetzen, um gemeinsam Weihnachten zu feiern. Doch anders als früher halten sie mit Telefon und E-Mail Kontakt zum Rest der Familie. So einsam ist das Leben auf einer Insel eben doch nicht! (dpa/abendblatt.de)