SPD, Grüne und SSW winken Koalitionsvertrag auf Parteitagen einhellig durch. Trotz harscher Kritik hält Ampel an Verkehrspolitik fest.
Neumünster/Flensburg. Die Dänen-Ampel hält trotz harscher Kritik an ihrer Verkehrspolitik fest. Parteitage von SPD, Grünen und SSW billigten am Wochenende einhellig den Koalitionsvertrag. Nur ein Nachwuchsgrüner enthielt sich. Damit steht morgen der Wahl Torsten Albigs (SPD) zum Ministerpräsidenten im Kieler Landtag nichts mehr im Weg.
"Wer den Koalitionsvertrag richtig liest, findet ihn auch gut", sagte Albig. Der Beschluss, die A 20 in den nächsten fünf Jahren nur bis zur A 7 zu bauen, sei angesichts der knappen Bundesmittel reell. Die SPD werde sich aber dafür einsetzen, "dass die A 20 bis nach Niedersachsen kommt". SPD-Chef Ralf Stegner, stellte klar, dass die A 20 jetzt "von Ost nach West" gebaut werde und nach 2017 der nächste Abschnitt von der A 7 bis zur A 23 anstehe. "Ich glaube nicht dass wir uns von den Grünen haben über den Tisch ziehen lassen."
Die Öko-Partei, bei der die frühere Abendblatt-Redakteurin Ruth Kastner die bisherige Landesvorsitzende Eka von Kalben (neue Fraktionschefin) ablöste, feierte keine zehn Autominuten entfernt in Neumünster auch ihren unerwarteten A-20-Erfolg. Die Grünen hatten bisher in allen rot-grünen Koalitionsverträgen (1996, 2000, 2005) der SPD zugestehen müssen, die gesamte A 20 zu bauen. Am Rande des Parteitags erinnerte ein A-20-Gegner daran, dass die neue Strategie, die Trasse von Ost nach West zu bauen, nur schwer aufgehen werde. Grund: Die Abschnitte zwischen A 7 und A 23 sind so verkehrsarm, dass sie vermutlich nur als "Lückenschluss" realisierbar sind. Dafür müsste aber zunächst die Trasse von der A 23 zur Elbe fertig sein.
Unterdessen läuft die Wirtschaft Sturm. Nach Unternehmensverbänden und Handwerkskammer geißelte die IHK Kiel den A-20-Beschluss. "Maßnahmen dieser Größenordnung können nicht in einzelnen Legislaturperioden geplant und umgesetzt werden", sagte IHK-Präsident Klaus-Hinrich Vater. Die Entscheidung sei ein Rückschritt für die norddeutsche Zusammenarbeit.
+++ SPD, Grüne und SSW billigen Koalitionsvertrag +++
Befürworter der A 20 fürchten bereits, dass in den nächsten Wochen verstärkt über eine Alternativtrasse diskutiert wird - den Ausbau der A 21 mit Elbquerung bei Geesthacht. Eine solche östliche Elbquerung käme Hamburg gelegen, weil sie die Metropole vor einem Verkehrsinfarkt retten könnte.
Ehrlicher als die SPD ging der SSW mit dem A-20-Beschluss um. Der Partei der dänischen Minderheit wäre ein Bekenntnis zur gesamten A 20 samt Elbquerung nach Niedersachsen "lieber" gewesen, sagte Frontfrau Anke Spoorendonk auf dem Parteitag in Flensburg. Auch beim SSW überwog allerdings die Freude darüber, dass die Dänen-Ampel steht und damit erstmals eine Minderheit mitregiert. SPD, Grüne und SSW betonten immer wieder, dass ihr Bündnis in vielen Bereichen ähnlich tickt. Damit verbunden war die Hoffnung, dass die Dreierkoalition hält und als erste in Deutschland eine volle Legislaturperiode regiert.
Die „Dänen-Ampel“ in Schleswig-Holstein steht. Die Landesparteitage von SPD, Grünen und Südschleswigschem Wählerverband (SSW) billigten am Sonnabend den Koalitionsvertrag jeweils ohne Gegenstimme. Lediglich eine Lübecker Delegierte der Grünen enthielt sich bei der Abstimmung wegen der Beschlüsse zum Fortbau der Küstenautobahn A 20 bis zur A 7. Am Montag soll der Vertrag offiziell unterzeichnet werden. Einen Tag später will sich Torsten Albig (SPD) im Landtag zum Nachfolger von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) wählen lassen.
Die „Dänen-Ampel“ stellt im neuen Kieler Landtag 35 der 69 Abgeordneten. Albig betonte vor gut 200 Delegierten in Neumünster, sei sei „stolz, ab Dienstag euer Ministerpräsident zu sein“. Nach 88 Monaten stelle die SPD wieder die stärkste Regierungsfraktion im Land. „Unsere Mehrheit hat Ideen für 20 Jahre Regierung, wir beginnen mit den ersten fünf.“ Die schwarz-gelbe Vorgängerregierung habe das Land lediglich verwaltet. Albig fügte hinzu, das neue Bündnis wolle die erste Dreierkonstellation in Deutschland werden, die eine Legislaturperiode von fünf Jahren überlebe.
Zwischen SPD, Grünen und SSW bestehe eine Deckungsgleichheit von 80 Prozent, sagte Albig. Das Land werde gerechter, aber auch wirtschaftlich stärker werden. Die künftige Regierung wolle niemanden zurücklassen und „Bildung besser machen“. „Es wird ein solides, ein kräftiges Schleswig-Holstein sein.“ Der Wirtschaft strecke die Koalition ihre „ausgestreckte Hand“ entgegen.
Die Koalition wolle ein Bündnis mit den Kommunen schmieden, sagte Albig weiter. Der Koalitionsvertrag sehe 80 Millionen Euro Landesmittel als Unterstützung für den Ausbau der Kinderbetreuung vor. Weitere 40 Millionen Euro, wie sie die SPD den Kommunen im Wahlkampf versprochen hatte, werde die Regierung noch erarbeiten müssen.
+++ Frust bei der SPD über Beschlüsse der Dänen-Ampel +++
Mit jeder Zeile des Vertrages könne die SPD leben. Er verteidigte zugleich den Beschluss zur Küstenautobahn A 20. Die Pläne, bis 2017 den Anschluss an die A 7 anzustellen, sei eine realistische Einschätzung. „Sozialdemokratische Politik hält die Elbquerung für richtig.“ Aber bis 2017 sei die westliche Elbquerung der A 20 nicht zu realisieren.
Als erste Partei hatte am Sonnabendmittag der SSW ein einstimmiges Votum für den Koalitionsvertrag abgegeben. Der SSW-Vorsitzende Flemming Meyer sprach in einem Grußwort an die SPD von „einem historischen Ereignis“. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik werde eine Minderheitspartei an einer Regierung beteiligt. SPD-Landeschef Ralf Stegner sagte, die „Politik des Egoismus“ von CDU und FDP sei am 6. Mai abgewählt worden.
Nach Ansicht der designierten Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) zeige der Koalitionsvertrag, „das Schleswig-Holstein wieder eine Zukunft hat und ich sage: endlich“. Die Koalition wolle sich vom Lobbyismus verabschieden. „Vorsorgende Sozialpolitik ist die beste Finanzpolitik“, sagte Heinold. Grünen-Landeschefin Marlene Löhr betonte, der SSW habe sich in den Verhandlungen „in schwierigen Situationen immer wieder als Brückenbauer erwiesen“. Die Partei der Minderheit sei ein Gewinn für das Bündnis.
Die SPD besetzt im Kabinett vier Ministerien, die Grünen zwei und die Partei der dänischen Minderheit ein Ressort.
Beim Landesparteitag der Grünen wurde am Sonnabend Ruth Kastner als weitere neue Landeschefin gewählt. Die Historikerin und Germanistin setzte sich in Neumünster gegen Daniela Meyer und Michelle Akyurt durch. Kastner erhielt 58 von 102 gültigen Stimmen. Für Meyer votierten zehn, für Akyurt 34 Delegierte.
Kastner war fast 20 Jahre lange politische Redakteurin beim "Hamburger Abendblatt". Sie hat an der Universität Hamburg promoviert und lehrte dort als Dozentin. Weil ihre Vorgängerin Eka von Kalben bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 6. Mai ein Mandat errang und im Parlament nun als Fraktionschefin fungiert, hatte sie ihren Vorstandsposten aufgeben müssen.