Die meisten Lebensmittelinfektionen lassen sich vermeiden: durch Sauberkeit bei der Zubereitung
Die EHEC-Infektionswelle hat es wieder einmal, gezeigt: Keime auf Lebensmitteln können gesundheitsgefährdend, mitunter sogar tödlich sein. Zum Glück sind ihre Auswirkungen auf den Menschen nicht immer so dramatisch wie im Fall der schweren EHEC-Erkrankungen, aber an Durchfall und Bauchschmerzen leiden vor allem in den Sommermonaten sehr viele Menschen. 2010 wurden dem Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin etwa 100 000 Infektionen mit Campylobacter, Salmonellen, Listerien oder EHEC gemeldet - alles Keime, die durch kontaminierte Lebensmittel übertragen werden. "Wir rechnen aber mit einer sehr hohen Dunkelziffer, denn viele Menschen gehen nicht zum Arzt, wenn sie ,nur' einen Durchfall haben", sagt Susanne Glasmacher, Pressesprecherin des Robert-Koch-Instituts.
Allerdings kann man sich in vielen Fällen schützen, wenn man weiß, was Mikroorganismen lieben - und was sie gar nicht mögen. Angefangen beim Einkauf über die Verarbeitung bis hin zum Verzehr der fertigen Speisen.
Die meisten Keime lieben es warm, aber nicht zu heiß. Bei Temperaturen zwischen 15 und 45 Grad Celsius fühlen sie sich am wohlsten und vermehren sich entsprechend gut. Erst Temperaturen über 70 Grad sind für die meisten Mikroorganismen tödlich. Kälte können sie hingegen besser vertragen: Unter acht Grad Celsius verlangsamen die meisten Keime ihr Wachstum zwar deutlich, zwischen minus zehn und minus 20 Grad stellen sie es ganz ein. Abtöten lassen sie sich durch das Tiefkühlen jedoch nicht. Außerdem lieben sie Feuchtigkeit und ein reichhaltiges Nahrungsangebot, besonders Eiweiß.
Aufmerksamkeit ist deshalb bereits beim Einkauf nötig. Ist die Ware frisch, die Verpackung unbeschädigt? Je länger die Lebensmittel bereits beim Händler liegen, desto mehr Zeit hatten Keime, sich zu vermehren. Ein besonders hohes Risiko stellen leider ausgerechnet Lebensmittel dar, die es dem Verbraucher besonders einfach machen: die fertig geschnittenen Salate. Aber die Bequemlichkeit kann ihren Preis haben. "Bei geschnittenen Salaten vergrößert sich die Oberfläche und damit vermehren sich die Angriffspunkte für Mikroorganismen", sagt Dr. Alexandra Fetsch vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin. Schon 2010 wies das BfR deshalb auf die hohe Keimbelastung in küchenfertigen Salatmischungen hin - und in Sprossen.
Die potenzielle Gefährdung durch vorbereitete Salate zeigt sich auch in Untersuchungen, die 2008 vom Hygieneinstitut Hamburg durchgeführt wurden. Von 24 untersuchten Proben wurden acht bemängelt und sechs beanstandet. Nach Daten des BfR ist es vor allem immer wieder Weißkohl, der in diesen Salatmischungen durch hohe Keimbelastungen auffällt.
Fünf Prozent der Proben enthielten das krank machende Bakterium Listeria monocytogenes, das besonders für Ungeborene gefährlich werden kann. Intakte Salat- und Kohlblätter böten einen gewissen natürlichen Schutz gegen Keime, so die Aussage des BfR. "Beim Zerschneiden der Blätter wird dieser Schutz zerstört, Zellsaft tritt aus, der zusammen mit der warmen, feuchten Atmosphäre in den Verpackungen ein idealer Nährboden für Bakterien ist", ergänzt Alexandra Fetsch. Personen mit einem schwächeren Immunsystem, wie Kinder, Kranke, alte Menschen, aber auch Schwangere sollten solche Salate vorsichtshalber meiden.
Achtsamkeit und sauberes Arbeiten in der Küche können Lebensmittelinfektionen besonders wirkungsvoll verhindern. "Doch das Bewusstsein für die Gefahren einer mangelhaften Küchenhygiene könnte durchaus noch geschärft werden", drückt sich Alexandra Fetsch vorsichtig aus.
Das fängt bereits beim Arbeitsplatz an. Prof. Wolfgang Streit vom Biozentrum Klein Flottbek hat Arbeitsgeräte in der Küche mikrobiologisch untersucht und in Spüllappen beeindruckende Keimzahlen gefunden: "Einige 10 000 Mikroorganismen kommen da pro Milliliter schon zusammen", sagt er. Da kann man nachvollziehen, dass Forscher laut TÜV Süd aus den feuchten Keimschleudern bis zu vier Millionen Keime pressten und in den Ablaufrinnen von Kühlschränken in jedem Quadratzentimeter Millionen von Keimen fanden. Da hilft nur peinliche Sauberkeit: Der Kühlschrank sollte wöchentlich mit heißem Essigwasser ausgewaschen werden. Spüllappen sollte man täglich wechseln und bei mindestens 60 Grad Celsius waschen - oder die nassen Lappen vier Minuten bei voller Leistung in die Mikrowelle stecken. Amerikanische Forscher haben nachgewiesen, dass 98 Prozent der vorhandenen Keime bei dieser Behandlung abgetötet werden.
Trotz der empfohlenen Maßnahmen warnen die Experten vor voreiliger Panik: "Die meisten Keime, die wir im Spüllappen fanden, waren ungefährliche Wasserkeime wie Pseudomonaden", so Streit. Aber natürlich können auch Krankheitskeime über Spüllappen und Küchenbretter übertragen werden, wie der Experte betont. Vor allem dann, wenn die einzelnen Arbeitsschritte nicht sauber getrennt werden. Auf einer Arbeitsplatte, auf der Fleisch vorbereitet wurde, sollte danach kein Salat geschnitten werden - sondern man sollte immer mit Salat oder Rohkost beginnen, dann die Arbeitsgeräte säubern und dann das Fleisch schneiden.
Generell sollten die Arbeitsplatte gereinigt und die Hände gewaschen sein, bevor man sich an die Zubereitung von Speisen macht. Doch auch beim eigentlichen Kochen lassen sich Keime reduzieren - oder eine Vermehrung fördern. Ganz wichtig ist Hitze: Produkte sollten bei mindestens 70 Grad Celsius für zwei Minuten im Kernbereich des Lebensmittels erhitzt werden, das überleben die meisten Keime nicht. Auch warm gehaltene oder aufgewärmte Speisen sollten einmal komplett durcherhitzt werden, um mögliche Erreger abzutöten. Gefahr besteht diesbezüglich besonders beim Aufwärmen in der Mikrowelle. Häufig wird nicht lange genug erhitzt, sodass die Temperatur in der Mitte der Nahrung noch kühl ist.
Auch wenn unbehandelte Lebensmittel oft als besonders gesund angesehen werden: die Vorliebe für Rohmilch, Rohkäse, halb gares oder rohes Fleisch oder rohen Fisch teilt Alexandra Fetsch nicht. "Die Verbraucher müssen wissen, dass das riskante Lebensmittel sind, weil sie keinem weiteren Prozess unterzogen wurden, um die Keimzahl zu reduzieren", sagt sie. Denn alles, was direkt vom Tier oder vom Acker kommt, kann mikrobiell belastet sein.
Und so teilt die Expertin auch nicht die Risikowahrnehmung eines Großteils der Bevölkerung, der bei Gefahren durch Lebensmittel zuerst an Dioxin, BSE oder Gentechnik denkt. "Die größten Gefahren", sagt Alexandra Fetsch, "gehen heutzutage von den klassischen Infektionserregern aus."