Die Menschen fassen wieder Vertrauen. Bis das vorherige Niveau im Konsum wieder erreicht sei, könnten aber noch etwa zwei Wochen vergehen.
Brüssel/Rendsburg/Hamburg. Die millionenschweren Entschädigungen für die von der EHEC-Krise betroffenen Bauern sind sicher. Europäische Landwirte erhalten 210 Millionen Euro für ihre Umsatzeinbußen. Das haben Vertreter der 27 EU-Länder am Dienstag in Brüssel beschlossen. Ursprünglich hatte die EU-Kommission Zahlungen in Höhe von 150 Millionen Euro vorgeschlagen. Viele Länder kritisierten die Summe aber als zu niedrig, so dass die Kommission aufgestockt hatte.
Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) kündigte an, die von der Europäischen Union vorgeschlagenen Hilfen für Gemüsebauern schnell umzusetzen. Schnellstmöglich sollen die Gelder die deutschen Gemüseproduzenten, die als Folge der EHEC-Epidemie hohe Umsatzverluste hatten, erreichen, sagte Aigner bei einem Besuch eines Gemüsebetriebs in Reinbek bei Hamburg. Die nationale Umsetzung der EU-Maßnahmen werde bereits vorbereitet.
Frunet beklagt immensen Schaden
Der spanische Gemüseexporteur Frunet hat beim Verwaltungsgericht Hamburg unterdessen einen weiteren Eilantrag gestellt. Mit dem Unterlassungsantrag soll der Hamburger Gesundheitsbehörde verboten werden, weiter zu behaupten, der auf einer Gurke der Firma Frunet nachgewiesene Erreger sei lebensgefährlich, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Ein Sprecher der Gesundheitsbehörde teilte indes mit, dass auch ein Eilantrag nichts an ihrer Position ändere. Eine Warnung sei notwendig gewesen.
Frunet wirft der Hamburger Gesundheitsbehörde vor, die Aussagen eines EU-Referenzlabors in Rom, das sie selbst eingeschaltet habe, ignoriert zu haben. Ein Bericht des Labors habe ergeben, dass die auf von Frunet gelieferten Gurken nachgewiesenen EHEC-Erreger nach derzeitigem Wissensstand nicht als gesundheitsgefährdend angesehen werden können, teilte der Gemüseexporteur mit.
Durch überhastete Anschuldigungen und unzutreffende Behauptungen sei Frunet ein immenser Schaden entstanden, hieß es weiter. Nachdem vergangene Woche bereits ein Eilantrag auf Akteneinsicht beim Hamburger Verwaltungsgericht gestellt wurde, legte die Berliner Kanzlei Lindenpartners am Freitag einen Unterlassungsantrag nach, wie das Unternehmen mitteilte.
An der Position der Gesundheitsbehörde änderte dies nichts. „In verschiedenen Labornachweisen wurde der EHEC-Erreger bei den besagten Gurken festgestellt“, sagte Sprecher Rico Schmidt auf dapd-Anfrage. „Dieser Erreger könnte auch schwere Krankheitsverläufe, das heißt HUS mit zum Beispiel Nierenversagen bis hin zu lebensbedrohlichen Komplikationen hervorrufen.“ Entsprechend sei eine Warnung notwendig gewesen.
Indes solle auch die erste Warnung vor Gurken unter Nennung des Firmennamens noch diese Woche auf den gerichtlichen Prüfstand, teilte Frunet weiter mit. Dabei solle nicht die Warnung vor Gurken an sich infrage gestellt werden. Allerdings könne nicht hingenommen werden, dass auf der Grundlage „schlampiger Ermittlungen“ ein konkreter Hersteller benannt wurde. Frunet erwägt nach eigenen Angaben eine Klage auf Schadenersatz.
Nach dem EHEC-Fund auf vier Salatgurken in Hamburg hatte die Gesundheitsbehörde der Stadt am 26. Mai Frunet-Gurken als eine erste Infektionsquelle bezeichnet. Wenige Tage später musste die Behörde allerdings einräumen, dass es sich dabei nicht um den EHEC-Stamm handelt, der zur Epidemie geführt hat. (abendblatt.de/dapd)
Gemüse im Norden wieder gefragt
Die Erleichterung der Verbraucher schlägt sich sofort im Verlauf nieder. Nach der EHEC-Entwarnung für Tomaten, Gurken und Blattsalat ist Gemüse bei den Verbrauchern im Norden wieder gefragt. „Der Verbraucher hat gleich reagiert, die Nachfrage steigt“, sagte der Vorstandschef der Verwaltungsgenossenschaft des Hamburger Großmarktes, Hans Joachim Conrad, am Dienstag. Die Menschen fassten wieder Vertrauen. Bis das vorherige Niveau im Gemüsekonsum wieder erreicht sei, könnten aber noch etwa zwei Wochen vergehen.
Gemüse werde wieder gekauft, sagte auch Klaus Dahmke vom Bauernverband Schleswig-Holstein am Dienstag. Für Pfingsten sei die amtliche Entwarnung jedoch zu spät gekommen, so dass die Verbraucher in vielen Supermärken vor leeren Gemüseregalen gestanden hätten. Die großen Verbraucher-Ketten hätten es nicht mehr geschafft, nach der Aufhebung der Verzehrwarnung rechtzeitig zu ordern, sagte Dahmke: „Die Ware war produziert und im Vertrieb, aber sie konnte nicht ins Regal gebracht werden.“
„Jetzt müssen wir alles tun, um das Vertrauen der Verbraucher wieder zu gewinnen“, betonte Dahmke. Gleichzeitig sprach er die Hoffnung aus, dass den betroffenen Gemüsebauern schnell und unbürokratisch geholfen werde. Mehr als zwei Wochen lang sei der Gemüsemarkt um mehr als die Hälfte eingebrochen. Über die Höhe der Schäden gibt es laut Dahmke bislang keine konkreten Zahlen.
Die angekündigten EU-Hilfen sind nach Ansicht des Bauernverbands immer noch viel zu gering, um die finanziellen Verluste der Landwirte auszugleichen. „Für die Einzelnen wird das lediglich eine Unterstützung, eine Hilfe sein“, meinte Dahmke. „Auf dem Schaden bleiben sie letztendlich ganz alleine sitzen.“ Die Landwirte seien aufgefordert worden, ihre Ausfälle zu dokumentieren, um ihren Anteil von den Geldern aus Brüssel zu bekommen.