Die Untersuchungen der 40 Proben aus Bienenbüttel sind abgeschlossen. Es wurden keine EHEC-Keime gefunden. Im Betrieb wird weiter ermittelt.

Hamburg. Bei keiner der 40 Sprossen-Proben aus dem im niedersächsischen Bienenbüttel ist der gefährliche Darmkeim EHEC gefunden worden. Die Untersuchungen seien abgeschlossen, teilte das niedersächsische Verbraucherschutzministerium mit. Die Ergebnisse seien durchweg negativ. Untersucht wurden auch das Wasser aus dem Betrieb, Arbeitsgeräte und Samen zum Heranziehen von Sprossen.

Das Ministerium will die Ermittlungen in dem Betrieb aber fortführen. Bei dem Sprossenerzeuger und in seinem Umfeld seien von Bundes- und Landesbehörden mittlerweile rund 750 weitere Proben gezogen worden, die zu großen Teilen noch in Berlin analysiert würden, sagte Ministeriumssprecher Gert Hahne. Ungewiss sei aber, ob sich der Erreger noch nachweisen lasse. Wenn nicht, könne die Sprossenzucht in einigen Monaten nach gründlicher Reinigung des Betriebes möglicherweise wieder aufgenommen werden.

Eine Mitarbeiterin des Unternehmens war in der bereits in der ersten Maihälfte an EHEC erkrankt. Zwei ihrer Kolleginnen litten zur gleichen Zeit an Durchfällen. Zudem konnte das Ministerium Lieferungen von Sprossen aus Bienenbüttel an vier Kantinen und drei Gaststätten nachverfolgen, die Ausbruchsherde für rund hundert der mehreren tausend EHEC-Fälle waren.

Der Betrieb baut neben der Sprossenerzeugung auch Bio-Gemüse an. Vorläufig geschlossen habe man am vergangenen Sonntag nur die Sprossenabteilung, bestätigte Hahne einen Bericht von „Spiegel Online“. Anderes Gemüse dürfe der Betrieb weiter produzieren und verkaufen.

Schon 2009 starb ein Junge in Hamburg an EHEC

Seit Wochen suchen Experten in Deutschland unter Hochdruck nach der EHEC-Quelle – und wissen dabei nicht, ob sie sie je finden werden. Wenig Hoffnung macht ein früherer EHEC-Ausbruch in Hamburg, dessen Quelle nie gefunden werden konnte: Ein vierjähriger Junge starb 2009 nach schweren Komplikationen, drei weitere kleine Kinder und ein Baby erkrankten. Experten des Robert Koch-Instituts ermittelten damals den Typ des Erregers (Typ O157), doch der Infektionsherd ließ sich nie klären. „Es wurde keine Ursache gefunden“, sagte eine Sprecherin des Bezirksamts Hamburg-Altona am Donnerstag.

Eines war damals sicher: Die erkrankten Kinder waren in einem Spielhaus, einer Einrichtung des Bezirksamts. Es wurde gerätselt, ob das Planschbecken dort etwas mit der Infektion zu tun haben könnte - oder das Mittagessen, das es ein Mal pro Woche im Spielhaus gab. Ebenfalls im Verdacht stand ein Ausflug zu einem Bauernhof im Kreis Rendsburg, den das Spielhaus bereits Wochen zuvor organisiert hatte. Mehr als 60 Kinder wurden auf den Keim untersucht, außerdem ihre Eltern und Betreuer.

Auch damals gingen die Mediziner geradezu kriminalistisch vor, um mögliche Schnittstellen zu entdecken: Was unternahmen, aßen, spielten die Kinder gemeinsam? Akribisch erforschten die Ärzte ihre Lebensumstände, von den verzehrten Lebensmitteln der vergangenen Wochen bis hin zu allen Kontakten der Kinder. Doch die komplizierten Recherchen führten zu keinem Ergebnis – obwohl die Erkrankungen örtlich sehr begrenzt waren.

Prüfer-Storcks verteidigt Informationspolitik

Prüfer-Storcks hatte am Mittwoch die Informationspolitik ihrer Behörde in der EHEC-Krise verteidigt. "Das war kein Verdacht, das war ein Befund“, sagte Prüfer-Storcks vor der Hamburger Bürgerschaft. Die Gurken aus Spanien hätten EHEC-Erreger aufgewiesen, wenn auch von einem anderen Stamm. "Diese Erreger hätten die gleichen Krankheiten hervorrufen können; es war geboten, nicht nur zu warnen, sondern die Ware aus dem Verkehr zu ziehen“, sagte die Senatorin. "Wenn wir Warnungen davon abhängig machen, ob sie einem Landwirtschaftsminister in Südeuropa gefallen, dann muss man sich wirklich Sorgen machen um den Gesundheitsschutz in Deutschland.“ Die spanischen Gemüsebauern wollen Hamburg wegen angeblich voreiliger Warnungen auf Schadenersatz verklagen.

Ebenso wie Sprecher aller fünf Fraktionen in der Bürgerschaft lobte Prüfer-Storcks das Engagement und die Einsatzbereitschaft der Beschäftigten im Hamburger Gesundheitswesen. "Das ist der größte Ausbruch einer EHEC-Infektion in Europa, die wir jemals erlebt haben“, sagte die Senatorin. Darauf habe sich das Hamburger Gesundheitswesen nicht vorbereiten können; es habe aber den Stresstest bestanden und sich als leistungsfähig und flexibel erwiesen. Die Linke kritisierte dagegen, das Hamburger Gesundheitswesen sei unterfinanziert und wegen Personalmangels nicht in der Lage, Epidemien effizient zu bekämpfen.

+++ Behördenkampf für Angehörige Hamburger EHEC-Erkrankter +++

Einig waren sich die Fraktionen ebenso, den Hamburger Gemüsebauern in ihrer schwierigen Lage zu helfen, weil sie wegen der EHEC-Krise erhebliche Umsatzeinbußen erlitten haben. Kurzfristige Liquiditätshilfen und Zinssubventionen durch die landwirtschaftliche Rentenbank sollen die Insolvenz von Betrieben verhindern. Nach Angaben Prüfer-Storcks werde der Senat prüfen, ob die von der EU bereitgestellten Mittel in Höhe von 210 Millionen Euro ausreichend seien. "Wir werden die Hamburger Gemüsebauern nicht im Stich lassen“, sagte sie.

Gleichzeitig dämpfte die Senatorin Hoffnungen, dass der Ursprung der EHEC-Infektionswelle bald gefunden werden könnte. "Ich hoffe, dass wir den Ursprung finden, aber in der Vergangenheit war das oft nicht der Fall“, sagte sie. Damit müsse man leben. Die rückläufige Zahl der Erkrankungen in Hamburg sei "ein Hinweis, dass der Scheitelpunkt des Geschehens überschritten ist.“

Robert-Koch-Institut: 29 EHEC-Todesfälle

Die Zahl der Toten durch den aggressiven EHEC-Erreger und die schwere Verlaufsform HUS hat sich nach den jüngsten Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Donnerstag auf 29 erhöht.

Das Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) beobachtet seit mehreren Tagen einen abnehmenden Trend bei den gemeldeten EHEC-Fallzahlen. Es kommen deutlich weniger Patienten mit blutigen Durchfällen in die Notaufnahmen der Kliniken. Insgesamt sind nach RKI-Angaben seit Anfang Mai rund 2800 Patienten nachweislich an EHEC erkrankt, davon 722 an der Komplikation HUS.

+++ Die Verwirrung wird immer größer +++

Gurke aus Magdeburg: Mediziner beruhigt

Unterdessen hält der Chefarzt einer Leipziger Klinik für Infektiologie, Bernhard Ruf, den Fund des gefährlichen EHEC-Erregers auf einer Gurke im Biomüll in Magdeburg für keine neue Spur bei der Suche nach der Quelle des Darmkeims. "Sie können in vielen Biotonnen wahrscheinlich EHEC finden“, sagte der Infektiologe am Donnerstag im ARD-"Morgenmagazin“. Die Essensreste brüteten in der momentanen Sommerhitze über mehrere Tage in diesen Tonnen, was die Entwicklung zahlreicher Bakterien begünstige. Der Fund bringe gar nichts auf der Suche nach der EHEC-Quelle, sagte er.

Ruf zeigte sich dennoch zuversichtlich, dass die EHEC-Epidemie in einigen Wochen durchgestanden ist. Solche Ausbrüche dauerten nicht ein halbes Jahr oder länger, sagte er. Zudem sei eine Übertragung von Mensch zu Mensch mit vernünftiger Händehygiene sehr unwahrscheinlich. Ansteckungen über diesen Weg seien nur Einzelfälle und erklärten die flächendeckende Ausbreitung des Erregers in Norddeutschland nicht, betonte Ruf.

Am Mittwoch war an einem Gurkenrest in einer Magdeburger Mülltonne der aggressive EHEC-Erreger entdeckt worden. Die an dem Keim erkrankte Familie soll nun erneut befragt werden. Dabei wird nochmals geprüft, ob die Familie vielleicht doch Kontakte zu Norddeutschland hatte. Dies sagte der Sprecher des Gesundheitsministeriums in Magdeburg, Holger Paech, am Donnerstag. Bislang gebe es keine Hinweise auf solch eine Verbindung zu dem besonders stark von EHEC betroffenem Gebiet.

Die beiden Erwachsenen der Familie sind inzwischen wieder gesund, die Tochter lag zuletzt noch in einem Krankenhaus. Eine Probe von dem Gurkenabfall als auch Proben von der Familie werden beim Bundesinstitut für Risikobewertung weiter untersucht.

EHEC-Bakterien auf Rote-Bete-Sprossen in Holland

Derweil sind auch in den Niederlanden EHEC-Bakterien entdeckt worden. Bei dem Fund auf Sprossen von Roter Bete handele es sich aber nicht um den gefährlichen Typ O104:H4, der die Infektionswelle in Deutschland ausgelöst habe, erklärte das Gesundheitsministerium in Den Haag. Dennoch habe Ministerin Edith Schippers angeordnet, das Sprossengemüse aus dem betroffenen Agrarbetrieb vom Markt zu nehmen, teilte ein Behördensprecher am späten Mittwochabend mit.

Auch in Deutschland seien solche EHEC-Bakterien bereits auf Rote-Bete-Sprösslingen aus den Niederlanden gefunden worden, erklärte der Sprecher unter Berufung auf Angaben der Europäischen Union. Um welchen Hersteller es geht, wollte das Ministerium nicht mitteilen. Experten würden weiter untersuchen, um was für eine EHEC-Form es geht und ob sie überhaupt bei Menschen zu Erkrankungen führen kann.

Die zum Agrarministerium in Den Haag gehörende Behörde für Lebensmittel und Warenprüfung (VWA) hatte am 4. Juni noch erklärt, umfangreiche Untersuchungen hätten bislang keinen Hinweis darauf erbracht, dass niederländisches Gemüse mit EHEC-Bakterien befallen sei.

Lesen Sie auch das Abendblatt-Interview mit dem Lebensmittelexperten Armin Valet :

Der Lebensmittelexperte rät: Fleisch nicht mit Salat in Berührung bringen

"Nur Abkochen bringt Sicherheit"

Was können wir noch essen? Eine Frage, die Lebensmittelexperte Armin Valet von der Hamburger Verbraucherzentrale dieser Tage sehr häufig hört. Dabei warnt das Robert-Koch-Institut (RKI) vor allem vor Gurken, Sprossen, Tomaten und Salat.

Hamburger Abendblatt: Sind Obst und Gemüse aus Norddeutschland gefährlich?

Armin Valet: Auf keiner Probe aus dem Norden wurde der Erreger gefunden. Aber das muss jeder selbst wissen, es ist so lange ein Risiko, solange die Ursache nicht bekannt ist.

Was sagen uns die Zertifikate beim frischen Gemüse im Supermarkt?

Valet: Es wurden Stichproben der Sorte untersucht, und es wurde nichts gefunden. Aber 100-prozentige Sicherheit bietet nur das Abkochen von Gemüse.

Was ist mit Spargel und Erdbeeren?

Valet:Spargel wird ja gekocht. Generell gilt, Gemüse mindestens zwei Minuten bei mindestens 70 Grad erhitzen, dann sind alle Keime abgestorben. Und auf Erdbeeren wurde bislang nichts gefunden, doch auch die sollte man sehr gut waschen. In einer Schüssel im Wasser mindestens 30 Sekunden und das Wasser mehrmals austauschen.

Wie ist es mit Fleisch?

Valet:Fleisch kann Keime tragen, beim Erhitzen sterben die. Wichtig ist nur, nicht auf dem gleichen Brett und mit dem gleichen Messer den Salat anzurichten, dort können die Keime überleben und gelangen so auf den Teller.

Wie begegnen Sie der Angst am Gemüseregal?

Valet:In dem ich rational an die Sache herangehe und die Warnungen vom RKI befolge.

Mit Material von dapd und dpa