Fund im Müll. Aber auch Sprossen weiter in Verdacht. Neue Therapie bei Hirnstörungen
Hamburg. Es wird immer mysteriöser. Auf der Suche nach dem Ursprung des EHEC-Erregers haben Experten in Magdeburg den aggressiven O104-Stamm des Bakteriums auf Gurkenresten entdeckt. Es ist damit erstmals gelungen, den gefährlichen Keim, an dem bisher 26 Menschen gestorben und rund 2000 erkrankt sind, an einem Gemüse zweifelsfrei nachzuweisen. Gleichzeitig deuten jedoch auch immer mehr Indizien darauf hin, dass Sprossen vom Gärtnerhof Bienenbüttel (Lüneburger Heide) eine Quelle der Infektion sein könnten. Dafür sprechen das Vertriebsnetz, aber auch drei Erkrankungen in dem Betrieb selbst.
Die Verwirrung bei Verbrauchern, aber auch bei vielen Fachleuten ist damit komplett. Zu Beginn der Epidemie waren schon einmal Gurken in Verdacht geraten - dann aber stellte sich heraus, dass das damals auf der Schale entdeckte EHEC-Bakterium nicht die gefährliche Variante des Erregers war.
Wie gestern das Gesundheitsministerium von Sachsen-Anhalt berichtete, wurden die belasteten Gurkenreste in einer Mülltonne einer Magdeburger Familie gefunden. Experten hatten dort nach Spuren gesucht, weil mehrere Mitglieder der Familie an EHEC erkrankt waren. Sie hatten nach eigenen Aussagen auch Gurken gegessen. Wie das Bakterium in die Mülltonne geriet, sei unklar, hieß es. Die Gurkenreste lagen mindestens eineinhalb Wochen in der Tonne. Stefan Etgeton von dem Verbraucherzentrale Bundesverband sprach gegenüber dem Abendblatt von einer "heißen Spur". Jetzt müsse die Herkunft der Gurke systematisch verfolgt werden. Es gebe viele Fragen. So sei es auch denkbar, dass der Keim von anderen Produkten im Müll oder vom Menschen auf die Gurke geraten sei - "etwa wenn sich die Menschen nach dem Gang zum WC nicht die Hände gewaschen hätten". Grundsätzlich sei es aber wahrscheinlicher, dass der Erreger von der Gurke in den Menschen gelangt sei. Auch die Hamburger Gesundheitsbehörde reagierte positiv. "Der Fund des Erregers bestätigt uns. Wir lagen mit unserer Warnung vor dem Verzehr von Salatgurken absolut richtig", sagte Sprecher Rico Schmidt. "Es wäre toll, wenn jetzt die Quelle wirklich gefunden ist." Da die Gurke im Müll gelegen habe, müsse man aber vorsichtig sein.
Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium bleibt bei seinem Verdacht, dass EHEC im Gärtnerhof Bienenbüttel und dessen Sprossenprodukten ihren Ursprung hat. Zwar seien in keiner von 32 Proben des Biobetriebes EHEC-Keime gefunden worden. Doch die Indizienkette habe sich erhärtet. So waren nicht zwei, sondern sogar drei Mitarbeiterinnen des Hofs an einer Darminfektion erkrankt. Außerdem können immer mehr EHEC-Erkrankungen mit Kantinen oder Gaststätten in Verbindung gebracht werden, die Sprossen aus Bienenbüttel anboten.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) äußerte sich gestern vorsichtig optimistisch, dass der Höhepunkt der Epidemie überschritten sei. In vielen Regionen gingen die Neuinfektionen zurück. Allerdings erneuerte er die dringende Mahnung, auf Salat und rohes Gemüse weiter zu verzichten.
Unterdessen wollen Mediziner in Greifswald und Bonn herausgefunden haben, dass die schweren Hirnstörungen bei einigen EHEC-Patienten durch sogenannte Autoantikörper verursacht werden. Vier Patienten seien deshalb bereits mit einer speziellen Blutwäsche behandelt worden; erste Tests seien vielversprechend. Ein Hamburger Experte sieht die Erkenntnisse allerdings kritisch.