Laut Untersuchungen im Hygiene-Institut Hamburg sind Erreger auf spanischen Gurken wohl nicht Auslöser für EHEC-Welle. Bakterienstämme in Hamburg identifiziert. Quelle der HUS-Erkrankungen weiter unklar.

Hamburg. Die mit EHEC belasteten Salatgurken vom Hamburger Großmarkt sind offenbar nicht für die schweren Darmerkrankungen in Norddeutschland verantwortlich. Das sei das Ergebnis von Laboruntersuchungen des Instituts für Hygiene und Umwelt (HU) bei zwei der drei sichergestellten spanischen Gurken, teilte Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) am Dienstag mit. Auf zwei der betroffenen Gurken seien die EHEC-Bakterienstämme identifiziert worden. Diese stimmten jedoch nicht mit den HUS-Fällen von Patienten in Hamburg überein. Damit ist die Quelle der schweren Erkrankungen mit dem Hämolytisch-Urämischen Syndrom (HUS) weiter unklar. Die Ergebnisse zweier weiterer Proben lägen noch nicht vor, sagte Prüfer-Storcks.

An vier Salatgurken aus dem Hamburger Großmarkt war das Bakterium in der vergangenen Woche nachgewiesen worden. Drei der Gurken stammen aus Spanien. Bei der vierten positiv getesteten Gurke deuten Hinweise auf Lieferwege aus den Niederlanden hin. Die genaue Herkunft ist weiterhin unklar.

Spanien fordert Wiederaufnahme des Gurken-Handels

Bei den nun identifizierten Bakterienstämmen handelt es sich laut der Gesundheitssenatorin um Proben von spanischen Gurken. Die Untersuchung habe gezeigt, dass es sich bei diesen Bakterienstämmen nicht um den Stereotyp O 104 handele, der bei den Patienten festgestellt wurde, sagte Prüfer-Storcks. Für die Bestimmung des Bakterientyps bei den Gurken musste zunächst eine Reinkultur der Bakterien angezüchtet werden. Daher habe die Identifikation längere Zeit gedauert.

Nachdem klar scheint, dass Gurken aus Spanien nicht der Auslöser EHEC-Krankheitswelle in Deutschland sind, geht das südeuropäische Land in die Offensive. Spanien fordert nach den Ergebnissen der jüngsten deutschen EHEC-Laboruntersuchungen die sofortige Wiederaufnahme des Handels mit spanischem Gemüse. "Nun zeigt sich, dass spanische Gurken nicht der Auslöser der EHEC-Infektionen waren“, sagte die spanische Agrarministerin Rosa Aguilar am Dienstag in Debrecen (Ungarn). "Wir haben recht gehabt.“

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"Es kann sein, dass der Erregertyp nicht gefunden wird“

Die Erreger der beiden übrigen belasteten Gurken sind noch nicht identifiziert. Es könne Tage bis zu mehreren Wochen dauern, bis der Erregertyp auf den anderen beiden Salatgurken identifiziert werde, sagte HU-Geschäftsführer Hans-Joachim Breetz. Es könne aber auch sein, dass der Erregertyp gar nicht gefunden werde.

Unterdessen wurden laut Prüfer-Storcks in Mecklenburg-Vorpommern weitere EHEC-Erreger auf Gurken, Tomaten und Blattsalat gefunden. Auch hier seien EHEC-Erreger unter anderm auf spanischen Gurken entdeckt worden, sagte die Gesundheitssenatorin.

Daher gilt weiterhin die Warnung des Robert-Koch-Instituts: Tomaten, Salatgurken und Blattsalate sollten im Moment nicht roh verzehrt werden. Eine epidemiologische Studie hat gezeigt, dass betroffene Patienten die genannten Lebensmittel signifikant häufiger verzehrt hatten als gesunde Studienteilnehmer. Es steht aber noch nicht abschließend fest, ob eines oder mehrere dieser drei Lebensmittel mit dem Ausbruchsgeschehen tatsächlich in Zusammenhang stehen.

Bislang sind in Deutschland 15 Menschen im Zusammenhang mit EHEC-Infektionen gestorben. In Hamburg wurden bis Dienstagmittag 569 Fälle von EHEC-Infizierten beziehungsweise Verdachtsfällen gemeldet. Von diesen Patienten werden laut Gesundheitsbehörde in den Krankenhäusern der Stadt 110 stationär aufgrund von HUS oder HUS-Verdachts behandelt. Weiterhin sind Frauen mit 82 Fällen überproportional vertreten. "Die Aussage, der Höhepunkt sei überschritten, kann nicht getan werden“, so Cornelia Prüfer-Storcks (SPD). Erst gestern hatte UKE-Chef Prof. Jörg Debatin verkündet, die Zahl der EHEC-Neuerkrankungen sei gesunken.

Auch in Schleswig-Holstein ist die Zahl der Ehec-Erkrankungen erneut gestiegen. Bis Dienstag 14 Uhr seien 360 bestätigte EHEC-Infektionen und 120 bestätigte HUS-Fälle gemeldet worden, teilte das Gesundheitsministerium in Kiel mit. Das sind 49 EHEC-Patienten und 5 Menschen, die an der schweren Komplikation HUS leiden, mehr als am Montagnachmittag. Insgesamt sind in Schleswig-Holstein bisher fünf Menschen an den Folgen der Durchfallerkrankung gestorben. Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) betonte, "die Lage in den Kliniken ist weiterhin sehr angespannt, aber beherrschbar“. Seit dieser Woche werden die medizinischen Fachkräfte in Schleswig-Holstein den Angaben zufolge auch von Fachkräften aus anderen Bundesländern unterstützt.

EHEC-Experte will mit neuem Schnelltest auch Infektionsquelle finden

Derweil erhoffen sich Wissenschaftler der Universitätsklinik Münster von ihrem neu entwickelten EHEC-Schnelltest zusätzlich zum Nachweis des Erregers vor allem Fortschritte bei der Suche nach der Infektionsquelle. Mit dem Verfahren könnten nicht nur Proben von Menschen untersucht werden, sondern auch von Lebensmitteln, sagte der Direktor des Instituts für Hygiene, Helge Karch, am Dienstag in Münster. Der Test ermögliche den schnellen Nachweis des für den Ausbruch verantwortlichen Erregerstamms.

"Bisher gab es kein Verfahren, den Stamm nachzuweisen“, sagte Karch. Mithilfe des molekularbiologischen Verfahrens ist es den Angaben zufolge möglich, schon kleinste Mengen von EHEC-Erregern innerhalb weniger Stunden auf die speziellen Eigenschaften des Ausbruchsstammes zu untersuchen. Bei Patienten mit verdächtigen Symptomen könne innerhalb von vier Stunden geklärt werden, ob sie mit EHEC infiziert seien oder unter anderen Durchfallerkrankungen litten.

Viel wichtiger sei aber, sagte Karch, "mit Hilfe dieser Informationen schnellstens die Infektionsquelle zu finden, um weitere Übertragungen zu verhindern“. Der Test helfe außerdem dabei zu klären, wie lange wieder genesene Patienten den Keim übertragen könnten.

Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu EHEC:

Bei welchen Symptomen muss ich an eine EHEC-Infektion denken?

"Bei EHEC handelt sich um eine ernste Erkrankung, und deswegen sollten alle, die an blutigen, wässrigen Durchfällen leiden, umgehend einen Arzt oder ein Krankenhaus aufsuchen", sagt Rico Schmidt, Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde.

Weitere Symptome sind Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen. Im Durchschnitt dauert es drei bis vier Tage von der Ansteckung bis zum Ausbruch der Erkrankung. Eine umgehende Behandlung ist wichtig, weil es zu einer schweren Komplikation kommen kann, dem sogenannten Hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS). Es tritt im Durchschnitt fünf bis zwölf Tage nach Beginn des Durchfalls auf. Dabei kommt es zu akutem Nierenversagen, Hirn-Komplikationen, einer Blutarmut und Gerinnungsstörungen. HUS entwickelt sich bei fünf bis zehn Prozent der EHEC-Infizierten und führt in fünf Prozent dieser Fälle zum Tode.

Wie wird die Krankheit übertragen?

Der Erreger befindet sich im Kot von Nutztieren. Die Infektion kann beim direkten Kontakt mit Tieren aber auch beim Verzehr verseuchter Lebensmittel - zum Beispiel Rindfleisch oder Rohmilch - übertragen werden. Eine Infektion ist auch über rohes ungewaschenes Gemüse möglich. Die Übertragung von Mensch zu Mensch erfolgt direkt über Berührungen oder indirekt über den Kontakt mit verseuchten Flächen, zum Beispiel Türklinken.

Ist die Infektionsquelle bekannt?

Bislang noch nicht. Das bundesweit zuständige Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin vermutet Gemüse oder andere Lebensmittel, die normalerweise nicht gekocht werden, als Ursache für die Ansteckungen. Eine ähnliche Meinung hat Dr. Susanne Huggett, leitende Ärztin sowohl des Asklepios-Bereichs Hygiene als auch des Asklepios-Laborbetriebs "Medilys" in Hamburg. Für sie spricht manches für Nahrungsmittel als Übertragungsquelle: "Im Rahmen der aktuellen Bio- und Öko-Wellen spielen Rohprodukte eine große Rolle. Und dass nach wie vor hauptsächlich Frauen Speisen zubereiten, könnte erklären, warum die meisten EHEC-Patienten weiblich sind."

Wie kann man sich schützen?

Jeder sollte auf gründliches und häufiges Händewaschen mit Seife achten, und zwar mindestens nach jedem Toilettengang und jedem Berührungskontakt mit einer Fläche, die auch andere Menschen berührten, empfiehlt Dr. Susanne Huggett. Auch Obst und Gemüse sollten vor dem Verzehr gründlich gewaschen werden, sagt Rico Schmidt. Das RKI empfiehlt, auch bei der Zubereitung von Gemüse auf gute Küchenhygiene zu achten sowie Bretter und Messer gründlich zu reinigen. Speisen sollten gut durchgegart werden, also zehn Minuten lang mindestens eine Kerntemperatur von 70 Grad haben.

Zudem sollten Eltern darauf achten, dass Kinder sich nach Kontakt mit Erde oder Tieren nicht die Finger in den Mund stecken, sondern die Hände gründlich mit Wasser und Seife reinigen. Speisen sollten nur außerhalb von Tiergehegen verzehrt werden.

Wie wird die Infektion behandelt?

In der Therapie würden vor allem die Symptome behandelt, zum Beispiel durch Mittel gegen den Durchfall, sagt Dr. Susanne Huggett. Die in den Hamburger Asklepios-Kliniken untergebrachten Patienten würden alle isoliert: "Alle tatsächlich oder womöglich mit EHEC infizierten Patienten liegen bei uns in einem Einzelzimmer oder in einem Zimmer mit einem weiteren EHEC-Patienten; im letzteren Fall spricht man von einer Kohorten-Isolierung." Diese Isolier-Zimmer seien häufig durch Schleusen vom Rest der Krankenhausstation abgegrenzt. Besuch dürften die EHEC-Patienten bekommen. "Jedoch", sagt Huggett, "sollten Risikogruppen-Angehörige wie kleine Kinder, Schwangere und Alte nicht dazu gehören - zu ihrem eigenen Schutz."

Bei Erwachsenen werde zur Behandlung auch die Plasmapherese eingesetzt, sagt Dr. Jan Kielstein von der Medizinischen Hochschule Hannover. Sie entferne schädliche Eiweiße aus dem Blut, indem das Blutplasma entfernt und durch Spenderplasma ersetzt werde. Die bis zu zweieinhalbstündige Plasmapherese müsse mehrmals wiederholt werden. Das sei auch einer der Gründe, warum ein Teil der Patienten auf Intensivstationen behandelt werde.

Wie häufig sind EHEC-Infektionen?

EHEC-Keime treten in Deutschland immer wieder auf. Das Robert-Koch-Institut hat seit Einführung der Meldepflicht 2001 bundesweit jährlich zwischen 800 und 1200 EHEC-Erkrankungen registriert, die aber oft einen leichteren Verlauf nahmen. Pro Jahr werden bundesweit um die 60 Fälle des HU-Syndroms gemeldet.

Mit Material von dpa und dapd