Hamburg. Kreuzfahrtunternehmen kriegen zunehmend Bammel vor Hafenblockaden. Ein Schiff der Disney Cruise Line änderte deshalb sogar seine Route.
Eigentlich hatte die Reederei Disney Cruise Line den Passagieren des Kreuzfahrtschiffs „Disney Dream“ einen Halt in der niederländischen Hauptstadt Amsterdam versprochen. Am 6. September sollte das 340 Meter lange Kreuzfahrtschiff mit 4000 Passagieren an Bord in den Amsterdamer Hafen einfahren. Aus Angst vor Klimaaktivisten entschied sich der Ozean-Riese jedoch spontan für einen Umweg: Das Schiff fuhr an Amsterdam vorbei. Und machte sich stattdessen über Hamburg auf den Weg nach Belgien.
Disney-Kreuzfahrtschiff: Reederei äußert sich nicht
Der Grund: In den vergangenen Wochen haben Mitglieder der Klimagruppe Extinction Rebellion immer wieder die Schleusen im Hafen von Amsterdam blockiert, um Kreuzfahrtschiffen an der Einfahrt zu hindern. Das Risiko wollte Disney Cruise Line offenbar nicht eingehen. Nach Angaben der niederländischen Nachrichtenseite „NL Times“ meldete eine Buchungswebsite auf der Social-Media-Plattform „X“: Disney Cruise Line befürchte, dass sie „aufgrund von Problemen beim Zugang zum Hafen“ nicht in Amsterdam anlegen können.
In einer Facebook-Gruppe wurde laut „NL Times“ zudem eine E-Mail geteilt, in der Reisende über die geänderte Route informiert wurden. Darin spreche die US-Kreuzfahrtgesellschaft von „Problemen, auf die wir keinen Einfluss haben“. Offiziell erklärt hat Disney Cruise Line die Routenänderung bisher nicht.
Klimagruppe blockierte zuletzt „Serenade of the Seas“
Zuletzt führte eine Blockade von der Gruppierung für die „Serenade of the Seas“ zu erheblicher Verspätung. Das fast 300 Meter lange Schiff, ausgestattet mit über 1000 Kabinen, musste Ende August vor dem Eintrittstor zum Amsterdamer Hafen mehrere Stunden warten. Die niederländische Polizei beendete die Aktion nach Angaben der Nachrichtenagentur ANP am späten Nachmittag desselben Tages.
Lange hatten sich die Klimaschützer auf das Blockieren von Autobahnen in ganz Europa spezialisiert. Inzwischen richtet sich die Aufmerksamkeit zunehmend auf die Kreuzfahrtindustrie. Große Passagierschiffe stehen im Ruf, extreme Umweltschleudern zu sein. Was ist dran an dem Vorwurf?
Kreuzfahrt-Emissionen: „Öffentliche Diskussion ist undifferenziert“
Der Tourismusforscher Papathanassis von der Hochschule Bremerhaven forscht seit 20 Jahren zur Kreuzfahrtbranche. In einem Gespräch mit der Zeitung „NRZ“ erklärt er, dass die Umweltfaktoren des Kreuzfahrttourismus im Vergleich zu anderen Tourismus-Sektoren gering sind.
„Die weltweite Kreuzfahrtbranche umfasst etwa 320 Kreuzfahrtschiffe, die weltweite Schiffsflotte zählt über 100.000 Schiffe und die weltweite Flugzeugflotte über 25.000 Flugzeuge“, so Papathanassis. „Was die Unterkünfte betrifft, so gibt es schätzungsweise etwa 700.000 Hotels weltweit.“
Kreuzfahrten seien zwar ähnlich wie lange Flugreisen „ökologisch sicherlich nicht die umweltfreundlichste Reiseformen“, sagt er. Im Gegensatz zu Flugzeugen sei ein Schiff aber nicht nur Transportmittel, sondern auch Unterkunft und Freizeitpark. Die Emissionsmenge würde deshalb falsch interpretiert. Leider sei die öffentliche Diskussion darüber „eher undifferenziert.“
Kreuzfahrten: Immer mehr Kunden wollen klimaneutrale Reisen
Die Kreuzfahrtindustrie boomt: Laut des Branchenverbands „Cruise Lines International Association“ (CLIA) sind dieses Jahr weltweit 35.7 Millionen Kreuzfahrtpassagiere auf den Weltmeeren unterwegs, rund sieben Millionen mehr als 2019 vor der Corona-Pandemie. Für den Zeitraum 2024 bis 2028 prognostiziert CLIA ein weiteres Wachstum von 10 Prozent.
Unter Kreuzfahrtpassagieren wächst allerdings das Umweltbewusstsein und damit auch der Wunsch nach grünen Alternativen. Tourismusforscher Papathanassis erklärt im Gespräch mit der NRZ, dass immer mehr Kunden Interesse an klimaneutralen Kreuzfahrten haben. Der Begriff „Klimaneutralität“ werde in der Kreuzfahrtbranche allerdings sehr breit ausgelegt.
Extinction Rebellion kritisieren „schwere Umweltverbrechen“ in Kreuzfahrtbranche
Der niederländische Ableger von Extinction Rebellion wirft deshalb der Kreuzfahrtindustrie vor, mit „irreführenden Marketingstrategien“ den Kunden einen „grünen Urlaub“ vorzutäuschen. Die Aktivisten fordern in einer Erklärung die Reisenden auf, den leeren Versprechungen der Anbieter nicht länger Glauben zu schenken.
Die Gruppe wirft Kunden und Anbietern der Branche außerdem vor: Wer eine Kreuzfahrt bucht, mache sich „mitschuldig am Klimakollaps“ und trage „zur Verschmutzung und Zerstörung unseres Planeten“ bei und „gefährde Küstengemeinden“. Zudem würden Kreuzfahrtunternehmen „schwere Umweltverbrechen“ begehen.
Kreuzfahrtgesellschaft plant bis 2030 CO2-Emissionen stark zu senken
Der Vorwurf ist nicht unbegründet: Einer aktuellen Studie der Umweltorganisation Transport and Environment zufolge haben Kreuzfahrtschiffe allein im Jahr 2022 in europäischen Gewässern mehr als acht Tonnen CO2 freigesetzt. Das entspricht etwa 50.000 Flüge von Paris nach New York.
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Kreuzfahrtunternehmen antworten auf die zunehmende Klimakritik mit umfangreichen Investitionen in verflüssigtes (fossiles) Erdgas (LNG) als Alternative zu Schweröl. LNG ist ein Kraftstoff, der weniger Kohlendioxid als herkömmlicher Schiffsdiesel ausstößt, aber hohe klimaschädliche Methanemissionen verursacht. Umweltorganisationen wie der Naturschutzbund Deutschland (NABU) kritisieren deshalb den zunehmenden Einsatz und pochen auf grünere Alternativen wie Wasserstoff oder Ammoniak.
Die internationale Kreuzfahrtgesellschaft Cruise Lines International Association (CLIA) plant dennoch bis 2030 die CO2-Emissionen der weltweiten Flotte um 40 Prozent zu reduzieren.
„Exorbitanter Luxus“: Klimagruppe prangert Bord-Ausstattung an
Auch die ausschweifende Ausstattung an Bord der in Amsterdam Ende August eingefahrenen „Serenade of the Seas“ waren der Extinction Rebellion ein Dorn im Auge. An Bord befindet sich bekanntermaßen ein breites Freizeitangebot wie unter anderem ein Golfsimulator, ein Fitnesscenter, eine Kletterwand, zahlreiche Schwimmbäder sowie ein großer Wellness- und Spabereich.
Die Passagiere würden auf der Serenade „exorbitanten Luxus“ erleben, „während der globale Süden täglich unter dem zunehmenden Klimawandel leidet“, heißt es in der Erklärung der Gruppe.
Geschäftsmodell: Urlauber sollen so viel Zeit wie möglich an Bord verbringen
Die üppige Bordausstattung ist laut Tourismusforscher Papathanassis ein kalkuliertes Geschäftsmodell der Reedereien, wie er der NRZ erläutert. Reedereien setzen zunehmend auf Reisen mit riesigen Schiffen und reduzieren dabei die Anzahl der Landgänge. Kleine Schiffe würden im Zuge dieser Entwicklung ausgemustert. Das bringe auch ökologische Vorteile, da die neuen Schiffe „technologisch fortschrittlicher und energieeffizienter“ seien.
Größere Schiffe würden die Kosten pro Passagier senken und bieten zahlreiche Möglichkeiten, an Bord zusätzlichen Umsatz zu generieren, so der Tourismusforscher weiter. Die Urlauber sollen so viel Zeit wie möglich auf dem Schiff verbringen.
„Serenade of the Seas“ konnte mit Verspätung losfahren
Große Auswirkungen hatten die Anti-Kreuzfahrt-Aktionen in den Niederlanden bislang nicht. Wie die Royal Caribbean Group der NRZ mitteilte, konnte die „Serenade of the Seas“ am Tag der Blockade mit Verspätung losfahren.
Die Blockade der „Serenade of the Seas“ war bereits die dritte Aktion dieser Art in Amsterdam innerhalb von wenigen Wochen. Zuvor hatten Aktivisten die „Seven Seas Mariner“ und die „Jewel of the Seas“ blockiert. Extinction Rebellion bleibt entschlossen: „Solange die Kreuzfahrtindustrie an ihren umweltschädlichen Praktiken festhält, wird sie weiterhin zur Zerstörung des Planeten beitragen.“ Dass die „Disney Dream“ nun einen Bogen um den Amsterdamer Hafen macht, könnten die Klimaaktivisten als Erfolg werten.
Anmerkung der Redaktion: Wir hatten in einer vorherigen Version des Textes die „Disney Dream“ als neues Kreuzfahrtschiff bezeichnet. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.
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